Im vergangenen Jahr wurden in der Stadt Leipzig insgesamt 2.314 Wohnungen gebaut – darunter 265 in Ein- und Zweifamilienhäuser. Das sind 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Hierbei investierten Bauherren 200 Millionen Euro, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt. Die IG BAU Nord-West-Sachsen beruft sich dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Aber das reicht nicht hinten und nicht vorne. Denn die neuen Wohnungen passen meist gar nicht zum Geldbeutel der Einwohner.

IG BAU-Bezirksvorsitzender Bernd Günther sieht beim Neubau „deutlich Luft nach oben“. Entscheidend sei, was gebaut werde: „Die Wohnungen müssen zum Portemonnaie und zur Lohntüte der Menschen passen. Es kommt darauf an, vor allem bezahlbare Wohnungen und Sozialwohnungen zu bauen.“

Dazu sei es aber dringend erforderlich, die steuerliche Abschreibung (AfA) im Mietwohnungsbau dauerhaft von derzeit zwei auf drei Prozent zu erhöhen. Darüber hinaus brauche der soziale Wohnungsbau eine Förderung von mindestens sechs Milliarden Euro pro Jahr durch Bund und Länder – und das kontinuierlich für die nächsten Jahre. Doch in diesem Jahr unterstütze der Bund den Bau von Sozialmietwohnungen mit lediglich 1,5 Milliarden Euro, ab 2020 werden die Mittel sogar auf eine Milliarde abgesenkt. Zudem fallen pro Jahr rund 80.000 Sozialwohnungen aus der befristeten Mietpreisbindung heraus – deutlich mehr als in den letzten Jahren neu gebaut wurden.

Die Zahlen sind eindeutig: Der Bund hat das Thema Sozialer Wohnungsbau selbst versemmelt.

„Der Bau braucht eine Perspektive. Und die bekommt er durch eine dauerhaft wirksame und verlässliche Förderung. Nur dann werden in der gesamten Prozesskette – von der Baustoffherstellung bis zur Verarbeitung auf dem Bau – die dringend notwendigen Kapazitäten ausgebaut. Und das bedeutet zusätzliche Fachkräfte und sichere Arbeitsplätze, zusätzliche Produktionsstraßen und Baumaschinen“, sagt Bezirkschef Bernd Günther. Die Baubranche müsse die Gewissheit haben, dass alles, worin sie heute investiert, auch in fünf und zehn Jahren noch gebraucht werde.

Genau diese Signale fehlten allerdings in der aktuellen Wohnungsbaupolitik: So schaffe etwa das zeitlich begrenzte Baukindergeld keine nachhaltigen Impulse. Statt in den Neubau fließe die Förderung hier oft in den Kauf von alten Gebäuden.

„Es ist fatal, die Wohnungsbaupolitik von Wahl zu Wahl zu planen, statt verlässliche und wirksame Rahmenbedingungen zu schaffen. Immerhin ist der Wohnungsbau bei wachsender Bevölkerung unverzichtbar und ein wichtiger Motor der Binnenkonjunktur – auch in Leipzig“, sagt Günther. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im vergangenen Jahr bundesweit rund 285.000 Wohnungen gebaut. „Damit hinkt die Große Koalition ihrem Ziel, pro Jahr 375.000 neue Wohnungen zu schaffen, deutlich hinterher“, so die IG BAU.

In Sachsen gab es über 15 Jahre überhaupt kein soziales Wohnungsbauprogramm. Erst 2017 trat wieder eins in Kraft, das aber Leipzig nur 20 Millionen Euro pro Jahr – und das auch nur für drei Jahre – zugesteht. Davon lassen sich aber die eigentlich benötigten rund 1.000 geförderten Wohnungen nicht bauen, sondern nur ein Drittel. Ohne Förderung aber lassen sich keine Wohnungen mehr unter einem Mietpreis von 10 Euro bauen. Die Wohnungsnot in den Großstädten hat also nicht nur mit fehlendem Bauland, zu hohen Bodenpreisen und zu strengen Bauauflagen zu tun, sondern hängt direkt mit dem gekürzten Wohnungsbauförderprogramm des Bundes zusammen, der viel zu lange glaubte, das werde dann der private Wohnungsbau schon ausgleichen.

Aber welche Probleme das bringt, erlebt Leipzig gerade mit den großen Planungsgebieten am Eutritzscher Freiladebahnhof und am Bayerischen Bahnhof. Augenscheinlich gehen die Investoren dort davon aus, dass sie die Wohnungen auch für 12 Euro oder gar noch höhere Quadratmetermieten an die Leipziger bringen können, ohne zu wissen, wie sehr sich der Leipziger Mietermarkt z. B. vom Münchner unterscheidet.

Sollten sie tatsächlich in dieser Größenordnung kalkulieren, dürfte es ihnen ganz ähnlich ergehen wie anderen Entwicklern in Leipzig, die selbst in Bestlagen ihre Wohnungsmieten von über 12 Euro je Quadratmeter nicht loswerden. Die Gebäude stehen leer.

Was eigentlich sehr deutlich zeigt, wo der neoliberale Denkfehler der diversen Bundesregierungen der letzten Jahre liegt. Sie gingen immer davon aus, dass „der Markt“ sich der Nachfrage schon irgendwie anpassen werde. Aber Immobilieninvestoren wollen Renditen erwirtschaften und planen fast ausschließlich für gut betuchte Mieter und Käufer. Für die Normal- und Geringverdiener aber wird von den üblichen Marktbeteiligten überhaupt nicht gebaut. Das haben auch schon vor 100 Jahren gemeinwohlorientierte Stiftungen und Genossenschaften übernommen, die mit den Wohnungen keine Aktionäre bedienen müssen.

Eine Aufgabe, die die Genossenschaften, Stiftungen und kommunale Wohnungsunternehmen wie die LWB auch heute noch übernehmen. „Leipzig kann wirklich froh sein, dass es damals – anders als Dresden – seine Wohnungsgesellschaft nicht verkauft hat“, sagt Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. „Nur so hat die Stadt ein wichtiges Steuerungsinstrument für soziale Probleme behalten.“

Nur reichen die ausgereichten Fördermittel eben nicht wirklich, um auch nur ansatzweise genügend Wohnungen im geförderten Segment zu bauen. Logisch, dass Baufirmen auch deshalb darauf verzichten, ihr Personal aufzustocken. Sie haben schon in den 1990er Jahren erlebt, wie ein Bauboom abrupt enden kann. Sie brauchen langfristige Verlässlichkeit, die aber die aktuellen Förderprogramme im sozialen Wohnungsbau nicht bieten.

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