LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 85, seit 20. November im HandelAn die 200.000 Menschen werden jährlich vom Werk 2 angezogen – von oft ausgebuchten Kursen, Workshops oder kulturellen Veranstaltungen. Noch Mitte Oktober bei der Verleihung des 12. Familienfreundlichkeitspreises wurde das Werk 2 von der Jury als Gesamtkunstwerk bestaunt, wo in allem Familienfreundlichkeit steckt. Aber im Moment sind die meisten Lichter aus in der früheren Gasmesser- und heutigen Kulturfabrik am Connewitzer Kreuz. Also wie geht es all diesen Freizeit-, Bildungs- und Kulturangeboten in der andauernden Corona-Zeit?

„Mit der aktuellen Verfügung, die noch bis Ende November gilt, sind Veranstaltungen und Angebote, die der Freizeitgestaltung dienen, untersagt“, berichtet Antje Hamel. „Die meisten Projekte werden wir verschieben oder in ein anderes Format umwandeln. Da ist gerade viel Kreativität und Durchhaltevermögen gefragt, weil der Großteil der geplanten Veranstaltungen und Projekte ja bereits mehrfach verschoben werden musste“, so die Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit.

Vermutlich bleiben die Türen bis Ende des Jahres geschlossen. Und selbst wenn die Werkstätten wieder öffnen können, werden die Veranstaltungshallen wohl noch länger geschlossen bleiben. „Diese Adventszeit wird wohl sehr ruhig werden.“

Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 85, Ausgabe November 2020. Foto: Screen LZ

Schon im März musste die Veranstaltungstätigkeit von ungefähr zehn Veranstaltungen pro Woche auf null runtergefahren werden. Eine ziemlich bittere Herausforderung, weil die Kulturfabrik Werk 2 mitten in der Hauptsaison steckte. „Das verordnete Nichtstun war ziemlich schwer auszuhalten und die Ungewissheit, wann und wie es weitergehen könnte, hat uns lange begleitet“, so Hamel. „Wir sind allesamt Macher/-innen und haben ein wenig Zeit gebraucht, uns auf die neue Realität einzustellen“, ergänzt sie.

Im April wurde zusammen mit Leipstream der erste Konzertstream gesendet. Und im Mai durften wenigstens die Kurse in den Werkstätten wieder anfangen. Durch die Hygieneauflagen zwar nur mit einer geringeren Personenzahl, aber immerhin gab es so etwas wie Normalität in diesem Bereich. Aktuell rechnet das Werk 2 mit etwa 1,1 Millionen Euro Einnahmeverlust und etwa 115.000 weniger Besucher/-innen als in 2019.

„Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung war über die gesamte bisherige Zeit sehr offen und ermöglichte uns, erst einmal die neue Situation zu verarbeiten und zu schauen, wie wir zukünftig unsere Arbeit als Soziokulturelles Zentrum fortführen können“, erläutert Hamel. Das Werk 2 erhält sowohl vom Jugendamt als auch vom Kulturamt Fördermittel. Diese machen zusammen circa 20 Prozent des Gesamthaushaltes aus und gaben eine bestimmte Sicherheit.

Dennoch folgte schnell die Entscheidung, alle Mitarbeiter/-innen, die nicht in den Werkstätten mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, in Kurzarbeit zu schicken. Denn es war klar, dass der Veranstaltungsbereich, der den Großteil des Budgets erwirtschaftet, längerfristig stillgelegt sein wird. Damit behielten alle 22 Festangestellten eine berufliche Perspektive.

Auf die ersten Förderprogramme, die es gab, konnte das Werk 2 allerdings nicht zugreifen, weil entweder die Gemeinnützigkeit oder aber die institutionelle Förderung es aus dem Kreis der Antragsberechtigten ausschloss. „Mittlerweile gibt es aber auch für Häuser mit unserem Profil Möglichkeiten, über die Sonderprogramme des Bundes oder aber Länderprogramme Anträge zu stellen.“ Was dabei herauskommt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Könnte aus Ungewissheit eine existenzielle Bedrohung werden? Könnten sich die Menschen an Netflix und Lieferando gewöhnen und keine kulturelle Freizeit mehr wollen? Antje Hamel bleibt verhalten optimistisch: Solange es keine Möglichkeit gebe, sich durch Impfungen oder anderen Maßnahmen vor dem Virus zu schützen, werde sich die Situation der Kultur- und Veranstaltungsbranche sicher nicht grundlegend verbessern können.

„Nichtsdestotrotz geht es aber bei kulturellen Erlebnissen nicht nur um das Konsumieren von Angeboten, sondern es geht immer auch darum, Menschen zu begegnen, sich auszutauschen, miteinander Zeit zu verleben, zu lernen sich zu entwickeln. Wir können uns nicht vorstellen, dass dieses Grundbedürfnis von Interaktion und Nähe durch digitale Angebote ersetzt werden kann.“

Allerdings wäre ein kritischer Punkt erreicht, wenn der Anspruch auf das Kurzarbeitergeld verloren ginge. Ebenso sei nicht klar, in welcher Höhe und Form die aktuell beantragten Überbrückungsgelder von Bund und Land kommen oder welche Entscheidungen in den Haushaltsverhandlungen auf kommunaler und Länderebene fallen werden. Hier eine Aussage zu treffen, wäre wie in eine Glaskugel zu schauen.

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