Da freut sich sogar IHK-Prรคsident Kristian Kirpal: Die Stimmung der gewerblichen Wirtschaft im IHK-Bezirk Leipzig hat sich gegenรผber dem Tiefpunkt im Herbst 2022 deutlich verbessert. Dies zeigen die Ergebnisse der Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig zum Jahresbeginn 2023, an der sich 616 Unternehmen aller Branchen und GrรถรŸenklassen mit insgesamt mehr als 35.000 Beschรคftigten beteiligt haben.

Trotz der Verbesserung seien die Aussichten der Betriebe jedoch weiterhin gedรคmpft, schรคtzt die IHK vorsichtig ein. Eindeutige Wachstumssignale seien momentan nicht zu erkennen. Energiekrise und Arbeitskrรคftemangel seien fรผr Unternehmen existenzbedrohend.

Die Unsicherheit ist nach wie vor da

โ€žDie wirtschaftliche Gesamtsituation bleibt zum Jahresbeginn 2023 sehr schwierig, da insbesondere die anhaltende Energiekrise weiterhin die Wettbewerbsfรคhigkeit und damit die wirtschaftliche Substanz vieler Unternehmen bedrohtโ€œ, fasst Kristian Kirpal, Prรคsident der IHK zu Leipzig, die grรถรŸten Herausforderungen fรผr die Leipziger Wirtschaft aus Sicht der IHK zusammen.

โ€žDie eingefรผhrten Preisdeckel auf Gas und Strom haben zwar fรผr eine erste Entlastung gesorgt, aber es besteht derzeit keine Klarheit darรผber, wie die Energieversorgung der Wirtschaft in den kommenden Jahren sicher und bezahlbar gestaltet werden kann. Wir fordern daher, alle verfรผgbaren Energieerzeugungsanlagen ans Netz zu nehmen, um Versorgungsengpรคsse zu vermeiden und zur weiteren Stabilisierung der Energiepreise beizutragen. Gleichzeitig muss der Zubau von Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien beschleunigt werden. Dazu bedarf es einer deutlichen Temposteigerung bei den Genehmigungsverfahren.โ€œ

Aber das eigentlich bedrohliche Problem ist ein ganz anderes. Mit Blick auf den zunehmenden Arbeitskrรคftemangel sagt Kirpal: โ€žDie Wirtschaft der Region ist zunehmend auf auslรคndische Fach- und Arbeitskrรคfte angewiesen. Die Maxime der Einwanderung muss dabei lauten: Prozesse und Verfahren so schlank und bezahlbar wie mรถglich zu halten, sodass diese auch fรผr kleine und Kleinstunternehmen attraktiv und nutzbar werden.โ€œ

Leichte Entspannung

Im Herbst 2022 erreichte die Skepsis รผber das zu erwartende wirtschaftliche Umfeld ihren Hรถhepunkt. Seitdem hat sich die Situation zumindest etwas entspannt. Entsprechend haben die Unternehmen sowohl ihre Lage als auch ihre Geschรคftserwartungen wieder nach oben korrigiert. Infolgedessen steigt der IHK-Geschรคftsklima-Index wieder um 23 auf nunmehr 108 Punkte. Also wieder zurรผck in den positiven Bereich.

Die Lagebeurteilungen der Unternehmen haben sich nach dem krรคftigen Rรผckgang zur Herbstumfrage wieder verbessert. Der aktuelle Saldo aus positiven und negativen Lagebeurteilungen steigt von 17 auf 32 Punkte. Damit liegt das Ergebnis vier Punkte รผber dem Vorjahresstand, wobei der Anstieg jedoch ausschlieรŸlich auf die positive Entwicklung im Gast- und Tourismusgewerbe zurรผckzufรผhren ist, dessen Tรคtigkeit Anfang 2022 aufgrund der damals geltenden Corona-Restriktionen stark eingeschrรคnkt war, merkt die IHK an.

In allen anderen Wirtschaftsbereichen fallen die Lagebeurteilungen, wenn auch meist nur geringfรผgig, schlechter aus als vor einem Jahr.

Die Grafik zeigt den IHK-Geschรคftsklimaindex fรผr Leipzig im Januar 2023 und die grรถรŸten Probleme der befragten Unternehmen. Grafiken: IHK zu Leipzig
Der IHK-Geschรคftsklimaindex fรผr Leipzig im Januar 2023 und die grรถรŸten Probleme der befragten Unternehmen. Grafiken: IHK zu Leipzig

Der Blick auf die Gesamtbefragung aller drei sรคchischen IHKs zeigt aber auch, dass die Stimmung in Leipzig spรผrbar besser ist als in den anderen Landesteilen. Der ermittelte Gesamtindex liegt sechs Punkte รผber dem im Januar ermittelten Gesamtindex fรผr alle drei IHKs von 102 Punkten. Dasselbe trifft dann auch auf Lageeinschรคtzung und Zukunftssichten zu.

Die Erwartungen der befragten Unternehmen

Ihre Geschรคftsaussichten haben die Unternehmen nach den รคuรŸerst pessimistischen Prognosen im Herbst 2022 ebenfalls wieder angehoben. Die befรผrchtete Gasmangellage scheint vorerst gebannt. Ebenso ist in den vergangenen Monaten eine Entspannung bei den Energie- und Rohstoffpreisen sowie bei Lieferengpรคssen erkennbar.

Der Prognose-Saldo steigt somit von -39 auf -11 Punkte. Trotz dieser starken Zunahme bleibt der Saldo im negativen Bereich und liegt noch deutlich unter dem Vorjahresergebnis (Saldo: 7 Punkte), so die IHK.
Vor dem Hintergrund des nach wie vor starken Kostendrucks sind die Geschรคftserwartungen der Firmen รคuรŸerst verhalten und lassen fรผr 2023 vorerst kaum eindeutige Wachstumsperspektiven erkennen. Es ist momentan auch kein Wirtschaftsbereich auszumachen, der die Rolle des Konjunkturmotors รผbernehmen kรถnnte.

Im Gast- und Tourismusgewerbe rechnen die Unternehmen nur noch mit geringen Zuwรคchsen und auch in der Industrie sowie im Bau- und Dienstleistungsgewerbe gehen die Betriebe von einer schwachen Auftragsentwicklung in den kommenden Monaten aus.

Das erklรคrt die IHK in Bezug auf das Baugewerbe noch genauer: โ€žDie Rahmenbedingungen haben sich 2022 auch fรผr die Baubranche massiv verschlechtert. So haben Baubetriebe verstรคrkt mit Lieferschwierigkeiten und massiv gestiegenen Materialkosten zu kรคmpfen. In deren Folge erhรถhten sich die Preise fรผr Bauleistungen ebenfalls krรคftig und lassen wiederum die Nachfrage sinken sowie den noch hohen Auftragsbestand schmelzen.โ€œ

Die Auftragsbestรคnde dรผrften somit weiter abnehmen. Am skeptischsten bleiben die Aussichten im Verkehrsgewerbe und im Handel. Aufgrund der unverรคndert hohen Inflation ist ein weiterer Rรผckgang der realen Kaufkraft zu erwarten. Entsprechend niedrig fallen die Erwartungen der Hรคndler an das private Konsumklima aus.

Zurรผckhaltung bei Investitionen

Auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen steigt gegenรผber der vorherigen Umfrage wieder, ist aber vom Vorjahresstand noch weit entfernt. Der schwache Geschรคftsausblick, die bestehende Unsicherheit und die gestiegenen Finanzierungskosten dรคmpfen die Investitionstรคtigkeit der Firmen deutlich. Der Investitionssaldo fรคllt um 13 auf einen Punkt.

Damit dรผrfte die bereits bestehende Investitionslรผcke weiter anwachsen.

Fehlendes Personal wird zum Dauerproblem

Als konjunktureller Anker fungiert aktuell in erster Linie der robuste Arbeitsmarkt. Dies ist vorwiegend auf den ausgeprรคgten Fach- und Arbeitskrรคftemangel zurรผckzufรผhren. Das Anwerben neuer Arbeitskrรคfte gestaltet sich als ausgesprochen schwierig, sodass die Unternehmen ein groรŸes Interesse haben, ihre Mitarbeiter zu halten.

Die Personalnachfrage bleibt daher hoch. So planen 23 Prozent der Betriebe in den kommenden Monaten Personal einzustellen und nur 14 Prozent gehen von einem rรผcklรคufigen Personalbestand aus. รœber die Hรคlfte (52 Prozent) der Firmen melden aktuell offene Stellen.

Die Risiken aus Sicht der befragten Unternehmen

Der Krieg in der Ukraine und dessen globale Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen nach wie vor das grรถรŸte konjunkturelle Risiko dar. Die bestehende Unsicherheit dรผrfte daher kaum abnehmen und die Geschรคftsaussichten der gewerblichen Wirtschaft weiterhin in starkem MaรŸe beeinflussen.

Die Entwicklung der Energiepreise bleibt nach wie vor der mit Abstand meistgenannte geschรคftliche Risikofaktor. 68 Prozent der Unternehmen sehen durch den kriegsbedingten starken Preisauftrieb fรผr Energie ihre Geschรคftstรคtigkeit beeintrรคchtigt. Auf Platz 2 folgt die Entwicklung der Arbeitskosten mit 53 Prozent, die insbesondere mit der deutlichen Anhebung des flรคchendeckenden Mindestlohnes auf 12 Euro einen krรคftigen Schub erhielten.

Der Fachkrรคftemangel landet mit 51 Prozent auf Platz 3. Unternehmen sehen dadurch ihre Wachstumsperspektiven gefรคhrdet. Die Hรถhe der Rohstoff- und der Kraftstoffpreise โ€“ auf den Rรคngen 4 und 5 โ€“ stellen hauptsรคchlich fรผr Unternehmen im produzierenden und Verkehrsgewerbe ein grรถรŸeres Risiko dar.

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