Dass ein paar kalte Tage wie im Januar genügen, um gleich an mehreren Stellen im Leipziger Straßennetz die Trinkwasserleitungen brechen zu lassen, erstaunte dann doch die Leipziger Öffentlichkeit. Das hat es so – mit so starken Auswirkungen auf Kfz-Verkehr und Straßenbahnlinien – lange nicht gegeben. Droht da also Ungemach im Untergrund, der sich jetzt häufiger zu melden droht, wie die Grünen-Faktion in einer Anfrage befürchtete?

„In den vergangenen Monaten kam es zu erheblichen Wasserrohrbrüchen in Leipzig, wie zum Beispiel am Hauptbahnhof, in der Karl-Liebknecht-, Ecke Kurt-Eisner-Straße oder zuletzt in der Steinstraße. Auch wenn sich die Anzahl an Schäden in den letzten Jahren verringert hat, sind es pro Jahr bis zu 500 Rohrschäden, die die Wasserwerke zu beseitigen haben, da das Rohrnetz zum Teil historischen Wert hat“, stellten die Grünen in ihrer Anfrage fest.

Betonten aber auch, dass der Frost da wohl keine Rolle spiele: „Einflüsse durch Frost sind dabei zu vernachlässigen, da die Leitungen in einer Bodentiefe liegen, die regelmäßig nicht gefroren ist. In der Presse wurde zuletzt die Sanierungsrate der Wasserwerke diskutiert.“

Das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) hat sich für seine Antwort von den Wasserwerken zuarbeiten lassen. Aber das Thema ist selbst eine Jahrhundertaufgabe, denn das Leipziger Rohrnetz selbst ist über 100 Jahre alt, stammt in großen Teilen aus dem 19. Jahrhundert. Und es kann immer nur abschnittweise saniert werden, seit im Jahr 1991 überhaupt erst einmal eine systematische Sanierung des Leitungsnetzes begann.

„Seit 1991 wurde die historisch gewachsene Infrastruktur in einer wachsenden Stadt und einem prosperierenden Umland, dem Versorgungsgebiet des Zweckverbandes für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Leipzig Land, durch die Leipziger Wasserwerke ausgebaut, verbessert, erneuert und auf den Stand der aktuellen Technik hin saniert“, heißt es nun in der Antwort.

„Ein tausende Kilometer langes Netz kann trotzdem nie immer und dauerhaft störungsfrei sein. Das Wassernetz teilt sich den Raum mit allen anderen Versorgungsleitungen, dem Verkehr u.a. Dies bedeutet ‚Stress‘ durch Erschütterungen und Wetter, was im Erdreich für sich verändernde Einwirkungen auf das Material sorgt.

Die Rohrschadensquote ist im Zuge der Netzsanierung von jährlich etwa 3.000 Schäden Anfang der 1990er Jahre auf heute rund 500 beachtlich zurückgegangen. In den letzten drei Wintermonaten war eine vergleichsweise geringe Schadenszahl von etwa 50 kleineren Schäden zu verzeichnen. Dass eine Straße durch einen Rohrschaden derart geschädigt wird wie in der Steinstraße, kommt statistisch sehr selten vor.“

In 100 Jahren einmal rum

Die Wasserwerke teilen auch mit, wie viel man jedes Jahr tatsächlich an Sanierungen im Leitungsnetz schafft: „Leipzig verfügt über rund 3.500 Kilometer Rohrleitungsnetz, von dem die Wasserwerke 0,7 Prozent pro Jahr erneuern. Der Wert soll in den nächsten Jahren auf 1 bzw. 1,2 Prozent steigen.“

Das kann sich jeder selbst ausrechnen. Eine Sanierungsrate von 1 Prozent bedeutet, dass man für eine Komplettsanierung des Netzes 100 Jahre braucht. Dann muss man von vorne anfangen. Bei 0,7 Prozent sind es 143 Jahre.

Wobei nicht alle Leitungen im Straßennetz denselben „Stress“ aushalten müssen. Da, wo mehr Verkehr über die Straße rollt, ist eine Schädigung der Wasserleitungen natürlich eher zu erwarten. Weshalb die Grünen fragten: „Hat die Stadt eine Übersicht, an welchen Stellen das Rohrsystem besonders gefährdet ist?“

Die Antwort lautet „Ja“, wie das VTA bestätigt: „Die Wasserwerke kennen ihr Rohrleitungsnetz sehr genau, die Leitungen werden turnusmäßig inspiziert und in Leistung und Zustand erfasst. Daraus leitet das Unternehmen ein planmäßiges Instandhaltungs- und Sanierungsprogramm ab, das sukzessive bearbeitet wird.

Die Erneuerung des Netzes ist fachgerecht und entspricht allen technischen Anforderungen, in vielen Fällen geht sie auch darüber hinaus. Dabei sind grundsätzlich die Ziele Sicherheit, Bezahlbarkeit und Klima- und Umweltverträglichkeit abzuwägen und abzusichern.

Havarien sind trotz aller Bemühungen ungeplante lokale Ereignisse, für die bei den Wasserwerken und ihrem Tochterunternehmen Bau und Service ein klarer Havarieprozess definiert ist, in dessen Fokus zunächst die Wiederversorgung der Anlieger, die Behebung des Schadens und die Wiederherstellung der Oberflächen stehen.

Während die Trinkwasserversorgung meist binnen 4 bis 6 Stunden wiederhergestellt ist, gestaltet sich insbesondere die Wiederherstellung der Oberflächen im Winter schwierig, da bspw. Asphalt erst ab Temperaturen über 5 Grad eingebaut werden kann. Sind Straßen viel befahren, kommt auch eine Schotterung der Oberflächen als Interim nicht infrage.“

Viele Gründe für einen Bruch

Aber worin der „Stress“ für die Wasserleitungen besteht, wollten die Grünen auch etwas genauer wissen.

„Havarien können vielfältige Gründe haben“, so die Antwort der Stadt. „Ursachen können u.a. Materialermüdung durch Kräfte im Erdreich oder auch das Alter von Leitungen sein. In den meisten Fällen spielen vielfältige Ursachen zusammen. Es ist zudem nicht möglich, vorherzusagen, wann es an einer bestimmten Stelle zu einem Rohrschaden kommen wird. Einschränkungen im Straßenverkehr als vorbeugende Maßnahme sind daher weder erforderlich noch zielgerichtet möglich.“

Wird es dann aber in Zukunft weniger Rohrschäden geben, wenn erst mal das ganze Leitungsnetz aus dem 19. Jahrhundert saniert ist?

Das können die Wasserwerke so nicht zusagen: „Aktuell sind jährlich rd. 500 Rohrschäden zu verzeichnen. Gemäß den Vorgaben des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs liegt die Schadensrate damit im mittleren Bereich. Mit dem aktuellen und dem geplanten Sanierungsumfang können die Schadensraten weiter langsam abgesenkt, mindestens aber auf dem jetzigen mittleren Niveau gehalten werden.“

Einen wirklichen Abschluss der Sanierung des Netzes mit konkreter Jahreszahl können die Leipziger Wasserwerke nicht nennen. Das hängt von zu vielen Faktoren ab – unter anderem davon, ob in den nächsten Jahren genug Geld zur Verfügung steht, um einen Sanierungsschub in Gang zu setzen.

„Zur Aufrechterhaltung müssen Leitungen immer wieder erneuert werden. Die angestrebte Sanierungsrate wird daher regelmäßig nötig bleiben“, heißt es deshalb in der Antwort der Stadt. „Die geplante Steigerung und deren Finanzierung stehen unter dem Vorbehalt, dass die im strategischen Unternehmenskonzept der L-Gruppe vorgesehene Kapitaleinlage zur Anschubfinanzierung in Höhe von kumuliert 200 Millionen Euro im Haushaltsplan der Stadt Leipzig beschlossen und durch die Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt wird.“

Die Anhebung der Erneuerungsrate von 0,7 auf 1 bzw. 1,2 Prozent sei ein realistischer Wert, versichern die Wasserwerke, dessen Investitionswert auch erwirtschaftet werden könne.

„Nach dem Mechanismus des Kommunalabgabengesetzes bestimmen die möglichen Preise die Investitionsmittel, wobei die Wasserwerke als Unternehmen in einer starken Gruppe auch von den noch guten Finanzierungsmöglichkeiten für kommunale Unternehmen profitieren“, heißt es in der Antwort. „Ein über den geplanten Steigerungen liegender Sanierungsplan liegt nicht vor.“

Da hilft dann auch eine Mediendebatte über höhere Sanierungsraten nichts, wenn das notwendige Geld schlicht nicht zur Verfügung steht. Und dass die Kommunen da ja nicht blauäugig werden, dafür sorgt dann schon die strenge Landesdirektion.

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