Nur wenige Tage nach den Ausschreitungen rund um „Tag X“ kündigte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) an, ein Konzept gegen „Linksextremismus“ auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz setzen zu wollen. Dass ein solches Konzept wirklich zeitnah kommen wird, erscheint aber äußerst fraglich. Momentan steht eher die Polizei im Zentrum der Kritik.

In den vergangenen Jahren gab es vor allem von Konservativen immer wieder den Wunsch, mehr gegen Linksradikale zu unternehmen. Besonders laut waren diese Stimmen nach den Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg vor sechs Jahren. Doch selbst nach diesen – für deutsche Verhältnisse – massiven Ausschreitungen hat es politisch kaum Mehrheiten für entsprechende Maßnahmen gegeben.

Sachsen bildet mit seiner „Soko LinX“ eher eine Ausnahme im Bundesvergleich. Diese konnte tatsächlich „Erfolge“ erzielen. Bestes Beispiel dafür ist der Prozess gegen Lina E. und weitere Antifaschist*innen. Seit Jahren gibt es regelmäßig Hausdurchsuchungen bei Linken und weitere Anklagen sind wohl nur eine Frage der Zeit. Teile der Szene äußern sich bereits öffentlich zum deutlich gestiegenen Druck durch Repression.

CDU arbeitet an Narrativen gegen links

Unterstützung für seinen Vorstoß darf Schuster von rechten Polizeigewerkschaftern wie Rainer Wendt, der AfD und vielleicht auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erwarten. Auch seine eigene Partei dürfte hinter ihm stehen. Die entsprechenden Narrative werden bereits in Stellung gebracht.

Als „brutalen Höhepunkt linksextremistischer Gewalt in Leipzig“ bezeichnete Ronny Wähner, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag, das Geschehen in der Südvorstadt. Als brutal übertrieben ließe sich diese Behauptung bezeichnen.

Randale wie am 3. Juni gibt es in Leipzig immer wieder. Einige Silvesternächte am Connewitzer Kreuz oder die Indymedia-Demo im Januar 2020 waren deutlich ausschweifender. Dass es Jahr für Jahr immer intensiver werden würde, hat mit der Realität wenig zu tun. Fast wirkt es, als hätte auch Schuster auf mehr Krawalle gehofft, um seinen Vorstoß überzeugender begründen zu können. Offenbar sah er den richtigen Zeitpunkt aber dennoch gekommen.

Das Problem steht rechts

Das wiederum könnte eine krasse Fehleinschätzung sein. Zum einen ist selbst für Mitglieder der politischen Mitte viel zu offensichtlich, dass das Problem am rechten Rand um ein Vielfaches größer ist. Dort werden Waffen gehortet, Umsturzphantasien in konkrete Pläne übertragen und immer wieder auch Menschen getötet. Dass hingegen irgendeine linksradikale Gruppe bislang mehr geplant hätte, als Neonazis militant in die Schranken zu weisen, ist nicht bekannt.

Blickt man konkret auf Sachsen, scheint es auch vollkommen unrealistisch, dass Schuster bei seinen beiden Koalitionspartnern Unterstützung erhalten könnte. Grüne und SPD hatten sich schon nach „Tag X“ vor allem auf den Polizeikessel konzentriert. Das hat sich nach der Sondersitzung des Innenausschusses am Montag nicht geändert.

Grüne und SPD mit neuen Prioritäten

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Ausschreitungen zwischen Linken und Polizei. Quer durch alle Parteien dominierten anschließend Distanzierungen von linker Gewalt. Das ist diesmal anders. Selbst Grüne und SPD sehen das größere Problem diesmal bei Versammlungsverboten und Polizeieinsatz. Am Dienstag meldete sich sogar Amnesty International mit deutlicher Kritik am Polizeikessel zu Wort.

Dass im verbleibenden Jahr dieser Koalition in Sachsen noch irgendetwas Nennenswertes gegen „Linksextremismus“ passiert, erscheint daher fast ausgeschlossen. Für Schuster und die CDU gibt es aber einen naheliegenden Ausweg: den Wahlkampf für die kommende Landtagswahl.

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