Seit Jahren beschäftigen die Ermittlungen gegen Lina E. und weitere Beschuldigte vor allem ostdeutsche Antifaschist*innen. Nun rückt ein weiteres Verfahren in den Fokus: Ungarn möchte mehreren Antifaschist*innen aus Ostdeutschland den Prozess machen, weil sie vor einem Jahr in Budapest an Angriffen auf Neonazis beteiligt gewesen sein sollen. Am Samstag, dem 10. Februar, demonstrierten aus diesem Anlass mehrere hundert Linke in Leipzig.

Unter dem Motto „Free all Antifas!“ versammelten sich etwa 600 Personen auf dem Floßplatz nahe der Karl-Liebknecht-Straße. Später machten sie Station vor dem Amtsgericht in der Bernhard-Göring-Straße, bevor die Demonstration ohne besondere Zwischenfälle in Connewitz endete. Die Polizei, die den Aufzug permanent abfilmte, berichtete anschließend von einigen vermummten Teilnehmer*innen und drei durch Pyrotechnik leicht verletzten Beamt*innen.

Angriffe auf mutmaßliche Neonazis in Budapest

Anlass für die Demonstration waren das Geschehen rund um den letztjährigen „Tag der Ehre“ in Budapest und die darauf folgenden Ermittlungen und Anklagen. An jenem Tag kamen Neonazis aus zahlreichen Ländern nach Budapest, um dort der Wehrmacht zu gedenken. An mehreren Tagen kam es zu mindestens vier Angriffen auf mutmaßliche Teilnehmer*innen. Sechs von ihnen sollen schwer verletzt worden sein.

Die ungarischen Ermittler*innen nahmen in den Tagen danach mehrere Tatverdächtige gefangen und ließen öffentlich nach weiteren fahnden. Viele von ihnen sind Deutsche, kaum älter als 20 Jahre. Einige sollen aus Leipzig angereist sein; andere ebenfalls aus dem Osten Deutschlands. Medienberichten zufolge sehen die Ermittler*innen – neben ungarischen sind auch Beamte der sächsischen „Soko LinX“ beteiligt – auch Verbindungen zum Lina-E-Verfahren.

Angst vor Auslieferung

Eine zentrale Forderung in den zahlreichen Redebeiträgen auf der Demonstration lautete: keine Auslieferung nach Ungarn. Die meisten Gesuchten sind derzeit untergetaucht, möglicherweise auch aus Angst, in Ungarn keinen fairen Prozess zu bekommen und unter schlechten Haftbedingungen zu leiden. Für eine aktuell in Ungarn vor Gericht stehende Italienerin setzt sich mittlerweile sogar schon die rechtsradikale Meloni-Regierung ein.

Vorgetragen wurde diese Angst auf der Demonstration unter anderem von Eltern der Gesuchten. Themen in den Redebeiträgen waren auch die reißerische Berichterstattung der „Bild“ und der Umgang mit Repression innerhalb der linken Szene. Es sei nötig, sich einzugestehen, dass diese in den vergangenen Jahren deutliche Spuren hinterlassen habe, und eine Debatte darüber zu führen.

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