Für Leipzigs erste richtige Gemeinschaftsschule sollen ja im Februar die Bauarbeiten am Dösner Weg beginnen. Aber am 18. Januar war das Thema Gemeinschaftsschule auch wieder Tagungspunkt im Stadtrat. Es hätte ganz kurz ausfallen können, weil das Sächsische Schulgesetz den Kommunen inzwischen Freiraum eingeräumt hat, Gemeinschaftsschulen zu bauen. Aber die CDU und die AfD wollten den Moment nicht ungenutzt lassen zu verkünden, dass sie dagegen sind.

Und zwar wider besseres Wissen und – im Fall von AfD-Stadtrat Marius Beyer auch wieder mit einer großen Schippe von Polemik gegen ein schulisches Angebot, das er gleich mal zum „Schulkombinat“ erklärte, obwohl es überhaupt keinen Zwang gibt, dass Eltern ihre Kinder in einer Gemeinschaftsschule anmelden müssen. Eher klang seine und auch die Wortmeldung von CDU-Stadtrat Karsten Albrecht so, als wollten sie noch einmal mit aller Kraft verhindern, dass der Wunsch nach mehr Gemeinschaftsschulen in Leipzig Wirkung zeigt, wie ihn die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag ausgedrückt hat.

Erst mal warten, wie’s läuft?

Denn wahrscheinlich vermutet SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker berechtigterweise, dass die Nachfrage nach Plätzen in der neuen Gemeinschaftsschule am Dösner Weg nicht befriedigt werden kann und mehr Eltern nur zu gern ihre Kinder hier anmelden möchten, als es von der Kapazität her möglich ist.

Weshalb der Antrag der SPD-Fraktion, den eigentlich Ute Köhler-Siegel als Lehrerin und schulpolitische Sprecherin der Fraktion vorstellen wollte, vor allem darauf zielt, nicht erst darauf zu warten, bis die Gemeinschaftsschule am Dösner Weg fertig ist, bis man über weitere Gemeinschaftsschulen in Leipzig nachdenkt. Denn allein die Planung einer solchen Schule auch mit besonderen räumlichen Bedürfnissen braucht Jahre.

Und die vier zusätzlichen Standorte, um die es dabei geht, müssen auch erst einmal gefunden werden. Möglichst in jeder Himmelsrichtung eine, wie Christopher Zenker betonte. Damit die Kinder eben nicht durch die ganze Stadt fahren müssen.

Einfach warten, bis die Nachfrage am Dösner Weg nicht mehr befriedigt werden kann, ist aus seiner Sicht nicht der richtige Weg.

„Mit dem Beschluss, die Schule am Dösner Weg als Gemeinschaftsschule (VII-DS-02831) zu bauen, wurde ein entscheidender Schritt getan, um Schülern und Schülerinnen ab dem Schuljahr 2026/27 auch in Leipzig einen Bildungsort zu bieten, in dem ein gemeinsames Lernen von Kindern und Jugendlichen in einer Klasse unabhängig von ihrer sozialen Herkunft sowie mit ihren unterschiedlichen Begabungen und Interessen möglich ist“, hat die SPD-Fraktion ihren Wunsch in ihrem Antrag begründet.

„Das selbst formulierte Ziel der Stadtverwaltung nach Schaffung von sozialer Stabilität wurde im Stadtentwicklungskonzept (INSEK) ‚Leipzig 2030 – Leipzig wächst nachhaltig‘ festgeschrieben und schließt den Handlungsschwerpunkt ‚Zukunftsorientierte Kita- und Schulangebote‘ ein. Der Neubau einer Gemeinschaftsschule trägt zur sogenannten ‚bedarfsgerechten Bildungsinfrastruktur‘ bei.“

Das Trennen der Kinder nach Klasse vier ist von gestern

Aber aus Sicht der SPD – und Linke-Stadtrat Marco Götze und Grünen-Stadträtin Stefanie Gruner sahen das in ihren Redebeiträgen genauso – wird eine Gemeinschaftsschule nicht reichen: „Offensichtlich kann nur eine Gemeinschaftsschule für ganz Leipzig aber den hohen Bedarf nach dieser Form sozial integrierenden Lernens nicht abdecken. Gemeinschaftsschulen mindern den erheblichen psychischen Druck bei vielen Kindern und in vielen Familien, einer zu frühen Leistungsauslese in der 4. Klasse genügen zu müssen.

Gerade für den Bereich der weiterführenden Bildungsentwicklung wird ein großer Effekt durch den Besuch von Gemeinschaftsschule bei jenen Schülern erwartet, die wegen ihrer schulischen Leistungen keine Bildungsempfehlung für ein Gymnasium zum Zeitpunkt des Überganges in die Klassenstufe 5 erteilt bekommen können. Gemeinschaftsschulen ab der 1. Klasse bis zur 12. Klasse machen Bildungsempfehlungen überflüssig und ermöglichen eine bessere Planbarkeit bei der Schulentwicklungsplanung.“

Und die „überarbeiteten Lehrer“, die Karsten Albrecht dann gar als Gegenargument zur Gemeinschaftsschule ins Feld führte, kommen wohl auch nicht daher, dass ihre pädagogische Arbeit zu anstrengend ist, sondern weil Sachsen seit Jahren nicht genug neue Lehrkräfte einstellen kann. Und das wohl auch, weil das dreigliedrige sächsische Schulsystem eben nicht attraktiv ist für junge Menschen, die wirklich gern Lehrer werden wollen.

Ein Thema, das Marco Götze – selbst ja Gymnasiallehrer – anschnitt. Das sächsische Bildungssystem benachteiligt vor allem Kinder aus ärmeren Familien mit Bildungsbenachteiligungen aller Art. Und es zwingt Neunjährige zu einer Zukunftsentscheidung, die sie noch gar nicht treffen können.

Fünf Gemeinschaftsschulen in den nächsten fünf Jahren

Da der Abstimmungsvorschlag aus dem Schulamt der Stadt die sächsische Gesetzgebung besser darstellt, war auch die SPD-Fraktion bereit, den Verwaltungsvorschlag zur Abstimmung zu stellen.

Dessen Beschlusspunkte lauten:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt,
 
1. Schulstandorte für neu zu bauende Schulen immer auch auf ihre Eignung als Gemeinschaftsschulen zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass die Standorte von Gemeinschaftsschulen gut erreichbar über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind.
 
2. den Schulleitungen sowie Schulkonferenzen von Bestandsschulen Beratungs- und Informationsangebote zum Thema Gemeinschaftsschule zu unterbreiten, damit auch bei diesen Schulen die Möglichkeiten zur Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule bekannt sind. Schulen, welche die Wandlung in eine Gemeinschaftsschule gehen wollen, werden dabei von der Stadt Leipzig unterstützt.
 
3. im Zuge der Fortschreibung der Schulnetzplanung die Schulart Gemeinschaftsschule aufzunehmen. Dabei werden Varianten der Schulneugründung sowie die Schulartumwandlung berücksichtigt. Ziel ist es, die Etablierung bzw. den Prozessauftakt für die Einrichtung von fünf Gemeinschaftsschulen in den kommenden fünf Jahren zu erreichen.

Nur die beiden Faktionen, die unbedingt am alten sächsischen Aussiebe-Schulsystem festhalten wollen, stimmten dann gegen den Vorschlag, die „progressiven Fraktionen“, wie Zenker sie nannte, stimmten natürlich dafür. Sodass der Verwaltungsvorschlag 44 Ja-Stimmen erhielt, bei 22 Nein-Stimmen. Und damit angenommen wurde.

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Am Beispiel der Schule am Adler hat man wunderbar gesehen, wie die Kinder in der Gemeinschaft den Größeren beim Drogen verkaufen und verhaftet werden zuschauen können. Nun ist die Grundschule wieder ausgelagert. Auf ein Neues. 😉

Die Schule am Adler bot damals zu wenig Platz aufgrund des steigenden Bedarfs an Betreuungsplätzen. Hoffentlich ist man diesmal vorrausschauender.

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