Da muss man erst drei Mal hinschauen: Ist das Foto so grünstichig? Nein. Ist es nicht. Die neue „Leipziger Zeitung“ hat eine in Sicherheitsnetze eingewickelte Leipziger Plattenbauschule auf dem Titel. Denn Schule ist eines der großen Themen in der neuen Ausgabe. Schulumbau. Dauerbaustelle Schule. Problembaustelle Schule. Denn während in Leipzig tatsächlich emsig neue Schulen gebaut werden, fehlt es immer eklatanter an Lehrer/-innen in Sachsen. Was ist da schiefgelaufen?

Die Antwort ist offensichtlich: Viel zu lange verfolgte eine konservative Staatsregierung einen Sparkurs mit falschen Prämissen, lehnte sogar Bewerbungen frisch ausgebildeter Pädagog/-innen ab und stieg viel zu spät in eine Erweiterung der pädagogischen Studiengänge ein. Pünktlich zu dem Zeitpunkt, an dem auch 15 andere Landesregierungen merkten, dass sie das Thema Lehrerbedarf sträflichst vergeigt haben.

Die Baustelle Schule nimmt in dieser Ausgabe Marko Hofmann gleich von mehreren Seiten unter die Lupe. Gleich angefangen auf Seite 1: „Gute Noten und schlechte Bedingungen“. Auf Seite 3 finden die Leser/-innen sein großes Interview mit René Michel, Vizechef des Sächsischen Lehrerverbandes. Auf Seite 4 untersucht er, warum auf einmal hundert Lehrer/-innen fehlen: „Der Lehrermangel zeigt sich nun auch im Detail“. Auf Seite 5 wird mal genauer nachgefragt, warum sich der Notenschnitt in Sachsen so überraschend immer weiter verbessert und immer mehr Gymnasiasten ihr Abi mit 1,0 bestehen.

Möglicherweise nur ein Corona-Effekt, der durch die erleichterten Prüfbedingungen in den vergangenen zwei Jahren erzielt wurde.

Die Jugendlichen wird es freuen. Es verbessert natürlich ihre Chancen auf ihren Wunschstudienplatz. Aber verstellt es nicht eher den Blick auf die Probleme im Schulsystem, die ausgerechnet diejenigen auszubaden haben, die schlechtere Voraussetzungen haben, ihren Lernerfolg zu optimieren?

Eine offene Frage. So, wie in einer freien Gesellschaft Fragen meistens offen bleiben. Das gehört dazu, auch wenn die Suche nach der richtigen Lösung dann meist sehr lange dauert – und nicht immer zu einem guten Ergebnis führt. Stichwort: Bürgergeld. Mit dem beschäftigt sich Lucas Böhme auf Seite 11. Oder sollten wir es nach dem Foulspiel der Unionsparteien jetzt doch lieber „Hartz V“ nennen?

Eine offene Frage.

Ein anderes, für alle offensichtliches Foulspiel ist natürlich die aktuelle Fußball-WM in Katar, dem sich Jan Kaefer im Blatt eingängig widmet. Alles dazu ab Seite 17.

Man könnte auch – mit dem Dichter Volker Braun und etwas abgewandelt – sagen: „Verheerende Folgen sichtbaren Anscheins innerbetrieblicher Demokratie“. Denn so, wie es die FIFA handhabt, funktioniert Demokratie ganz offensichtlich nicht.

Da ist der Leipziger Stadtrat (aus dem wir auf den Seiten 6 und 7 berichten) ein viel transparenteres Beispiel gelebter Demokratie. Bis hin zum Ringen um einen Stadthaushalt, der neue Schulden möglichst vermeidet und trotzdem so viel wie möglich in das Wohlergehen der wachsenden Stadt Leipzig investiert (Seite 8).

Auf Seite 9 hat Birthe Kleemann die Bürgermeisterin von Leipzigs Nachbargemeinde Borsdorf besucht und setzt damit die erkenntnisreiche Bürgermeister/-innen-Reihe in der LZ fort. Auch hier geht es um gelebte Demokratie. Kein immer ganz leichtes Aufgabenfeld, wie auch Birgit Kaden bestätigt.

Und wie nebenbei geht Jens-Uwe Jopp in seiner Buchbesprechung zu Peter Köhlers „Respekt zu diesem Deutsch!“ darauf ein, dass es trotz aller (Meinungs-)Freiheit immer auch klarer gemeinsamer Regeln bedarf, damit unser Miteinander gut funktioniert. Hier am Beispiel orthografischer Regeln. Aber auch bei der Rechtschreibung gilt: Wer sich nicht dran hält, weil er das egal findet, erschwert anderen nicht nur das Lesen. Es ist auch noch unhöflich und boshaft: friss oder stirb …

Das Wort Respekt steht hier ganz und gar nicht an der falschen Stelle. Wer aufmerksam ist beim Schreiben und Sprechen, erweist den angesprochenen Respekt.

Womit wir beim Kern des Journalismus wären. Der oft so fehlt. Weshalb die LZ in diesem Herbst auch erstmals zwei Runden in Sachen Bürgerjournalismus im Leipziger Land drehte, das in der medialen Berichterstattung schon lange viel zu kurz kommt. Also braucht es neugierige Menschen vor Ort, die helfen, das Nichtwahrgenommenwerden zu beenden. Das kann spannend werden und dürfte jenseits der Leipziger Stadtgrenzen auch zu manchen (Wieder-)Entdeckungen führen.

Natürlich geht es auch hier um Respekt. Das ist die eigentliche Basis für jede demokratische Gesellschaft. Und also auch für Journalismus. Ein guter Zeitpunkt, daran zu erinnern.

Die neue Leipziger Zeitung (LZ), Ausgabe 108, VÖ 25.11.2022, finden unsere Abonnenten natürlich im Briefkasten vor. Für alle anderen ist die Ausgabe an allen bekannten Verkaufsstellen erhältlich.

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