Bei all den Feiern und Jubiläen vergisst man beinah, dass in Leipzig ja eigentlich auch die „Leipziger Disputaion“ von 1519 gefeiert wird, jene Disputation, die endgültig zeigte, dass Luthers Reformideen mit der alten römischen Kirche nicht mehr zu machen waren. Die beiden bekannten Leipziger Ensemble Calmus und amarcord nutzten die Gelegenheit, die Musik dieser Disputation einzuspielen. Und sie bekommen dafür jetzt einen wichtigen Musikpreis.

Einen OPUS KLASSIK erhalten die beiden führenden Leipziger Vokalensembles amarcord und Calmus, ergänzt mit den Sopranistinnen Isabel Schicketanz und Anna Kellnhofer, für ihr beim Carus-Verlag erschienenes Album „Leipziger Disputation“. Im Zentrum steht die 12-stimmige Messe „Et ecce terrae motus“ von Antoine Brumel, die während der Leipziger Disputation, dem berühmten Streitgespräch zwischen Martin Luther und den päpstlichen Vertretern unter Führung von Johannes Eck, zur Aufführung gekommen sein soll. Eigentlich sogar beim Eröffnungsgottesdienst damals in der Thomaskirche, als alle noch einträchtig nebeneinander saßen.

Dass diese Messe damals aufgeführt wurde und die Thomaner sie wohl auch unter der Leitung von Kantors Georg Rhau sangen, konnte Michael Maul, Geschäftsführer des Bacharchivs, zumindest mit sehr stichhaltigen Indizien belegen. Rhau kannte Brumels Komposition. Und die Einspielung lässt zumindest ahnen, wie das damals geklungen haben muss.

Mit dieser Einspielung machten die beiden Ensembles einen Schatz der Chorliteratur hörbar und zeigten zugleich einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der Musikstadt Leipzig auf.

Amarcord, Calmus Ensemble: Leipziger Disputation. Foto: Ralf Julke
amarcord, Calmus Ensemble: Leipziger Disputation. Foto: Ralf Julke

amarcord und Calmus werden mit dem „OPUS KLASSIK“ in der Kategorie „Chorwerkeinspielung des Jahres“ ausgezeichnet, wie der Ausrichter des Klassikpreises, der Verein zur Förderung der Klassischen Musik e. V., heute bei einer Pressekonferenz in Berlin bekannt gab. Die Preisverleihung findet am 13. Oktober 2019 im Berliner Konzerthaus statt und wird um 22:15 Uhr im ZDF ausgestrahlt.

Die CD-Produktion war Teil der Leipziger Feierlichkeiten „500 Jahre Leipziger Disputation“ und wurde von der Stadt Leipzig unterstützt. Vor 500 Jahren kam es in Leipzig zu einem rund dreiwöchigen Streitgespräch zwischen dem katholischen Theologen Johannes Eck und den Reformatoren Martin Luther, Andreas Karlstadt und Philipp Melanchthon.

Dieser von der Universität organisierte Austausch von theologischen Argumenten, der zum endgültigen Bruch Luthers mit Rom führte, ging als „Leipziger Disputation“ in die Geschichte ein. Zu diesem Ereignis erklang ein 12-stimmiges Werk, bei dem es sich, so vermuten Wissenschaftler, um die „Missa Et ecce terrae motus“ von Antoine Brumel gehandelt haben muss. Sie ist das einzige überregional bekannte Messordinarium dieser Dimension.

amarcord und Calmus, beide mit den wichtigsten Preisen der Klassikszene dekoriert, nahmen diese faszinierende Komposition zum Anlass für ihre erste Zusammenarbeit, die im kommenden Jahr mit einem neuen Programm fortgeführt wird. Ergänzt wurde die Messe mit dem ebenfalls 12-stimmigen Agnus Dei aus der Missa Tempore Paschali von Nicolas Gombert, dem 7-stimmigen Beati immaculati in via/Vive Luthere von Johann Walter sowie Werken für 4 bzw. 5 Stimmen von Thomas Stoltzer, Cipriano de Rore, Josquin des Préz und gregorianischen Gesängen. Live zu erleben war das Projekt zum diesjährigen Bachfest Leipzig in der Thomaskirche sowie bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern und in der renommierten Konzertreihe grundton d des Deutschlandfunks. Am 7. November 2019 erklingt die „Erdbebenmesse“ im Konzerthaus Berlin.

Leipziger Disputation: Das musikalische Erdbeben von 1519, eingesungen von Amarcord, Calmus und zwei glockenhellen Frauenstimmen

Leipziger Disputation: Das musikalische Erdbeben von 1519, eingesungen von Amarcord, Calmus und zwei glockenhellen Frauenstimmen

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