Vor fast genau einem Jahr ist Daniel H. in Chemnitz gestorben. Nachdem bekannt wurde, dass es sich bei den Tatverdächtigen um Ausländer handelt, gingen tausende Rechtsradikale auf die Straße, um zu demonstrieren und zu randalieren. Das Landgericht Chemnitz hat nun einen Syrer zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Entscheidung basierte auf einer einzigen Zeugenaussage.

Das Landgericht Chemnitz hat am Donnerstag, den 22. August, den Syrer Alaa S. wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Syrer soll vor einem Jahr gemeinsam mit einem flüchtigen Mittäter den 35-jährigen Daniel H. erstochen haben. Die Verteidigung hatte einen Freispruch beantragt.

In den Tagen nach dem Verbrechen hatte es im vergangenen August und September rassistisch motivierte Demonstrationen und Ausschreitungen in Chemnitz gegeben. Neonazis, Hooligans, Politiker der AfD und andere Rechtsradikale beteiligten sich daran. Einige Journalisten sprachen von „Hetzjagden“ auf Migranten beziehungsweise Deutsche, die als Migranten betrachtet wurden.

Oberbürgermeisterin hoffte auf Verurteilung

Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig hatte im März erklärt, dass sie auf eine Verurteilung hoffe. „Damit die Angehörigen Ruhe finden können“, sagte sie der taz. Im Falle eines Freispruchs würde es „schwierig“ für die Stadt. „Aber so wäre der Rechtsstaat“.

Auch der Chemnitzer Journalist Johannes Grunert, der die Ereignisse im vergangenen Jahr beobachtet hatte, schrieb von einer „gefährlichen Gemengelage“ kurz vor der Landtagswahl und einer für Sonntag angekündigten Demonstration von „Pro Chemnitz“. Die rechtsradikale Organisation gehörte im vergangenen Jahr zu den maßgeblichen Akteuren der Proteste.

Urteil politisch motiviert?

Einige Prozessbeobachter haben erstaunt auf das Urteil reagiert. „Im Zweifel für den Mob“ und „Im Namen des zornigen Volkes“ lauteten beispielsweise Überschriften bei der „Zeit“ und auf „Spiegel Online“.

Bis zum Prozessende gab es keine Beweismittel wie Blut- oder DNA-Spuren. Die Verurteilung beruht einzig auf der Aussage eines Zeugen, der aus etwa 50 Metern Entfernung nachts das Geschehen beobachtet haben will. Sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch bei früheren Vernehmungen soll dieser widersprüchliche Angaben getätigt haben. Zudem habe er einen Ablauf der Tat beschrieben, der laut Gerichtsmedizinern nicht möglich gewesen sein soll.

„Wie es aussieht, ist an einem deutschen Gericht ein politisch motiviertes Urteil gefällt worden“, heißt es im Kommentar bei der „Zeit“. Verteidigerin Ricarda Lang sagte nach dem Prozess, dass das Urteil von Beginn an festgestanden habe. Sie hat bereits Revision eingelegt. Nun muss sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall befassen.

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