Es war ein langwieriges Verfahren, an dessen Ende es aber nicht für einen Schuldspruch reichen sollte: Mehr als neun Jahre nach dem Verschwinden eines Geschäftsmanns im Norden von Leipzig, dessen Leiche später gefunden wurde, sprach das Landgericht Leipzig am 16. November zwei Tatverdächtige frei. Zunächst hatten LVZ und „Bild“ über den Ausgang des Verfahrens berichtet.

Es war ein verworrenes Geschehen, das im Herbst 2014 seinen Ausgang nahm: Damals verschwand der Geschäftsmann Mehmet I. (42) zunächst spurlos von der Bildfläche, erst über drei Jahre später wurden die sterblichen Überreste des Mannes bei einer Suchaktion auf einem Gewerbegelände an der Dessauer Straße gefunden. Kronzeuge Hasan M. war zuvor überraschend bei der Leipziger Mordkommission aufgeschlagen und gab den Ermittlern den entscheidenden Tipp, wo die Leiche des Vermissten verscharrt worden war.

Kronzeuge: Mich plagte das schlechte Gewissen

Die Version der Ermittler, die sich wesentlich auf diesen Belastungszeugen stützte, ging so: Hasan M. (heute 50) erzählte den Kriminalbeamten nach und nach, dass sein Bekannter Hüseyin D. (heute 55) ihn und Ismail Ö. (heute 27) im September 2014 angewiesen habe, den gefesselten und wehrlosen Mehmet I. in Hüseyin D.s Geschäftsräumen an der Bitterfelder Straße zu erwürgen. Banaler Grund für den Mordauftrag sei Wut über Beleidigungen und finanzielle Forderungen des Opfers gewesen, hieß es in der Anklage.

Während Hüseyin D. als mutmaßlicher Mord-Anstifter 2017 zunächst in Untersuchungshaft kam, wurde Hasan M., der sich nach eigener Aussage aus schlechtem Gewissen nach über drei Jahren an die Polizei gewandt hatte, in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Ismail Ö. dagegen, der die Tötung des Opfers ausgeführt haben soll, hatte sich zwischenzeitlich abgesetzt.

Hasan M. wurde des gemeinschaftlichen Totschlags angeklagt und bekannte sich dazu, dass er aus Angst vor der Unberechenbarkeit seines Bekannten Hüseyin D. unter anderem bei der Fixierung des Geschäftsmannes mitgewirkt habe.

75 Verhandlungstage und viel Geld für nichts: erster Strafprozess platzte vor über drei Jahren

Ein 2018 begonnener Prozess gegen die zwei Männer vor dem Leipziger Landgericht war im Sommer 2020 auf der Zielgeraden nach 75 Tagen überraschend geplatzt, weil der damals zuständige Richter kurz vor der Pensionierung stand. Seine erklärte Bereitschaft, den Mammut-Fall noch fertig zu verhandeln, konnte nichts ausrichten: Aus rechtlichen Gründen musste der Vorsitzende seinen Ruhestand antreten und das Verfahren neu aufgerollt werden.

Erst seit 1. Februar 2023 hatte das Leipziger Landgericht den Sachverhalt unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen neu beleuchtet. Die Verteidigung des Hauptverdächtigen Hüseyin D. hatte schon damals kein gutes Haar an Polizei und Staatsanwaltschaft gelassen, die in dem Fall einseitig ermittelt, sich allein auf den Belastungseifer des Kronzeugen gestützt und Widersprüche in seiner Aussage ignoriert hätten: Das Ganze sei „eines Rechtsstaates unwürdig“, griff Hüseyin D.s Anwältin Dr. Ines Kilian die Arbeit der Ermittlungsbehörden auch am Ende scharf an.

Auch die Strafkammer unter dem Vorsitzenden Bernd Gicklhorn musste nach Gerichtsangaben einräumen, dass das inkonsistente Aussageverhalten des 50-jährigen Kronzeugen alles andere als unproblematisch war, trotz einiger Indizien und aller Bauchschmerzen gäbe die Beweislage einfach keine Verurteilung her. Beide Angeklagte wurden damit freigesprochen, wie sowohl von Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung gefordert. Zudem müssen die Männer für die Zeit der Untersuchungshaft und die Durchsuchungsmaßnahmen entschädigt werden.

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