Nach dem überraschenden Ausstieg des Verteidigers stand der Prozess am Landgericht gegen eine suspendierte Leipziger Polizistin, die über vier Jahre hinweg 265 teils hochwertige Räder aus der Asservatenkammer illegal verscherbelt haben soll, auf der Kippe. Doch nun scheint es so, dass das umfangreiche Verfahren fortgesetzt werden könnte, da die Angeklagte Anke S. (47) nach Gerichtsangaben vom Donnerstag einen neuen Anwalt an ihrer Seite hat.

Für diesen dürften die kommenden Wochen erst einmal jede Menge neue Arbeit bereithalten, da er sich für den Einstieg in das umfangreiche Strafverfahren in viel entsprechendes Aktenmaterial wird einlesen müssen. Allein der Vortrag der Anklage durch die Generalstaatsanwaltschaft zum Prozessbeginn am 19. März hatte fast fünf Stunden in Anspruch genommen.

Hier wird der vom Dienst suspendierten Polizeihauptmeisterin Anke S. angelastet, als Leiterin der Asservatenkammer an der Polizeidirektion Leipzig zwischen August 2014 und November 2018 in 155 Fällen 265 Fahrräder illegal herausgegeben zu haben. Empfänger der überwiegend gegen eine Zahlung von bis zu 50 Euro herausgegebenen Drahtesel seien vor allem Polizeikollegen gewesen, aber auch Privatpersonen und Mitarbeiter von Justizbehörden. Anke S. habe über die mehr als vier Jahre etwa 4.800 Euro kassiert, die Transaktionen seien als gemeinnützige Spenden verschleiert worden.

Die Polizistin, der es vorrangig um die Verbesserung ihres Ansehens gegangen sein soll, hatte die Vorwürfe in einer längeren Erklärung bestritten, sie sei von der Rechtmäßigkeit ihres Handels ausgegangen. Die Beamtin ist wegen Bestechlichkeit, Diebstahls, Verwahrungsbruchs und Urkundenfälschung angeklagt.

Altverteidiger schmiss unter Verweis auf Interessenkonflikt hin

Zum Zeitpunkt des Prozessauftakts sah freilich niemand den Paukenschlag drei Wochen später voraus: Wie Anfang dieser Woche bekannt wurde, legte Rechtsanwalt Thomas Morguet, der die Angeklagte vertrat, das Mandat völlig überraschend nieder.

Seine Entscheidung begründete er nach Angaben des Landgerichts mit Interessenkonflikten, da er schon andere Verfahrensbeteiligte vertreten oder beraten haben soll. Immerhin hatte die Aufdeckung des „Fahrradgate“-Skandals vor rund vier Jahren einen Aufschrei verursacht und hunderte Verfahren nach sich gezogen. Die meisten wurden inzwischen eingestellt.

Welche Interessenkollision nun dazu führte, dass sich Rechtsanwalt Morguet nicht mehr in der Lage sah, die Hauptverdächtige zu vertreten, und inwieweit das nicht vorab erkennbar war, bleibt offen. Seine Kanzlei äußerte sich auf Medienanfragen ausdrücklich nicht und ließ auch eine Anfrage der LZ unbeantwortet.

Weiteres Vorgehen im Prozess noch unklar

Mit der Mandatsniederlegung drohte der Prozess zunächst zu platzen, da sich Anke S. von Gesetzes wegen verteidigen lassen muss. Ob sich zeitnah ein neuer Rechtsbeistand finden würde, der bereit wäre, das komplexe Verfahren zu übernehmen, war zunächst fraglich – zumal viele Strafverteidigerinnen und -verteidiger bereits zur Genüge mit anderen Fällen ausgelastet sind.

Die schon laufende Verhandlung vor der 8. Strafkammer könnte aber erst einmal gerettet sein, wobei abzuwarten bleibt, wann der neue Verteidiger so weit in die Materie eingearbeitet ist, dass wieder Bewegung in den Prozess kommt. Fortgesetzt werden soll er planungsgemäß am kommenden Dienstag, dem 16. April. Dann wird auch beraten, wie es konkret weitergeht.

Ohne den kurzfristigen Einstieg eines neuen Anwalts wäre das Verfahren dagegen vermutlich ausgesetzt worden und erst zu einem unbekannten Zeitpunkt neu gestartet. Dass dies in der nahen Zukunft geschehen wäre, scheint mit Blick auf die hohe Arbeitsbelastung der Gerichte kaum wahrscheinlich.

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