Wenn linke Gruppen zum Protest gegen die verschwörungsideologische „Bürgerbewegung Leipzig 2021“ aufrufen, nutzen sie häufig Schlagworte wie „Legida 2.0“. Das zielt zum einen auf Inhalte und Publikum und zum anderen auf die ritualisierten „Ringspaziergänge“ am Montagabend mit einer überschaubaren, stets sehr identischen Teilnehmerschaft. Auch an diesem Montagabend, dem 2. August, waren es wieder rund 75 Personen, die stundenlang unterwegs waren – immer wieder aufgehalten durch antifaschistische Sitzblockaden.

Zum Auftakt gab es wie gewohnt eine Kundgebung auf dem Richard-Wagner-Platz, wo Organisator Volker Beiser dieses Mal fehlte. Dafür waren Führungsfiguren der zu „Querdenken“ gehörenden „Bewegung Leipzig“ anwesend. Diese „konkurrierende“ Gruppe hatte eigentlich schon vor Monaten erkannt, dass die „Bürgerbewegung“ rechtsradikal ist.

Auftritte von AfD-Politiker/-innen bestätigten, wie auch die langjährige führende NPD-Mitgliedschaft des ständigen Versammlungsanmelders Volker Beiser. Heute waren die „gemäßigten“ Pandemie-Leugner/-innen trotzdem da.Auch das halbe Dutzend, das am Samstag, 31. Juli 2021, aus einer etwa 50 Personen starken Neonazi-Gruppe heraus gegen die Antifa-Demo in Zwönitz gepöbelt hatte, war wieder anwesend. Die Gruppe, die aus etwa sechs Personen besteht, ist unter anderem daran zu erkennen, dass sich einige daraus mit „Fuck Nazis“-Rucksäcken zeigen. Es ist zu vermuten, dass „Fuck“ in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist.

Eine andere Person aus der Gruppe, welche in Zwönitz unter anderem versucht hatte, eine linke Demonstration über einen Friedhof hinweg anzugreifen, trägt in Leipzig regelmäßig eine Ordnerbinde und belästigt ebenso regelmäßig Journalist/-innen sowie linke Beobachter/-innen und Fotograf/-innen.

An der Zugehörigkeit führender Köpfe und Ordnungskräfte der „Bürgerbewegung Leipzig 2021“ zu Strukturen, die auch über den heute erneut anwesenden Youtuber Michael Wittwer bis zu Rechtsextremisten von „Pro Chemnitz“ und damit auch den „Freien Sachsen“ mit Martin Kohlmann an der Spitze in Chemnitz reichen, dürften jedenfalls nach dem vergangenen Wochenende in Zwönitz kaum noch Zweifel bestehen.

Alle wollen Antifa sein

Nach einer kurzen Liveschalte zu angeblichen Mitgliedern der Antifa in Frankreich – man muss wissen: die „Bürgerbewegung Leipzig 2021“ betrachtet sich selbst auch als antifaschistisch – und einer Strafanzeige des Grünen-Politikers Jürgen Kasek gegen einen Youtuber wegen angeblicher Beleidigung – ging es wieder im Uhrzeigersinn über den Ring.

Bereits am Hauptbahnhof bildeten etwa 15 Personen aus dem Gegenprotest an der Strecke heraus eine Sitzblockade. Nach einigen Minuten löste sich diese freiwillig auf. Einige hundert Meter weiter in der Nähe der Oper folgte die nächste Sitzblockade mit ähnlicher Personenzahl. Auch diese war nach einigen Minuten vorbei. Am Wilhelm-Leuschner-Platz wiederholte sich das Vorgehen.

Polizeikessel in der Goethestraße

Während die Polizei hier gegenüber dem Versammlungsrecht etwas freundlicher agierte als in früheren Jahren und Sitzblockaden nicht direkt auflöste, zeigte sie sich an anderer Stelle sehr rabiat im Umgang mit dem Gegenprotest. So landeten einige dutzend Personen auf der Goethestraße in einem Kessel, obwohl sich diese Personen – zumindest nach eigenem Bekunden – auf dem Weg zu einer angemeldeten Gegenkundgebung auf dem Augustusplatz befanden.

Zudem kam es an verschiedenen Stellen zu Schubsereien. Die wohl gravierendsten Vorfälle gab es jedoch gegen Ende und nach Abschluss der Versammlungen. Am Leipziger Ring auf der Höhe der dortigen Hypovereinsbank stürmte plötzlich eine Gruppe Polizeibeamten mit Helmen (mit roten Markierungen auf der Rückseite) auf einen separat an der Bank stehenden Mann zu.

Nach ersten Zeugenberichten vor Ort wurde die Ingewahrsamnahme in der Nähe des Bankeinganges mit mindestens zwei Tritten der Beamt/-innen gegen die Person begleitet. Zwar gehörte der kurzzeitig Festgesetzte zum Gegenprotest, doch was ihm genau vorgeworfen wurde, war vor Ort nicht zu ermitteln.

Dass der Gewalteinsatz einer zirka zehn Beamten starken Einheit gegen ihn unnötig war, galt vor Ort als erwiesen. Journalisten, welche die Situation mittels Videos einfangen konnten, wollen die Leipziger Polizeidirektion mit dem Material konfrontieren.

Nach Ende der ansonsten durchgehend friedlichen Gegenversammlung kam es vor dem Naturkundemuseum zu einem weiteren Vorfall. Dort setzte ein Polizist offenbar Pfefferspray ein, um Antifaschist/-innen von Bürgerbewegten fernzuhalten, welche jedoch völlig unbedrängt abfahren konnten.

Eine Person musste daraufhin minutenlang von Sanitäter/-innen behandelt werden. Eine Konfliktsituation war zuvor durch anwesende LZ-Reporter nicht zu beobachten.

Videoimpressionen vom 2. August 2021

Video: LZ

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