Es war weitgehend ruhiger geworden rings um die sogenannte „Bürgerbewegung Leipzig“ (BBL), seit klar geworden war, dass Montag für Montag die weitgehend gleichen 70 Teilnehmerinnen nationalistischen, teils zum „Systemsturz“ aufrufenden Tönen eines Ex-NPD-Kaders lauschten. Um anschließend über den Ring zu ziehen und weitgehend sinnfreie Parolen wie „Bürgerbewegung Leipzig“ zu skandieren. Am 25. Oktober 2021 drehte sich das Bild, der Protest fand mit rund 500 Antifaschisten als massive Blockaden statt. Unter den Blockierten der BBL: aktiv teilnehmende „Jungen Nationalisten“ (JN), die rechtsextreme Jugendorganisation der verfassungsfeindlichen NPD.

Warum sich Ex-NPD-Kader Volker Beiser, Versammlungsanmelder und Hauptredner der „Bürgerbewegung Leipzig“, seine bürgerliche Fassade selbst noch glaubt, war bereits nach Gästen wie Ex-AfD-Rechtsaußen André Poggenburg und Doris von Sayn-Wittgenstein (AfD) und einem Interview beim „Medienmacher“ und vorbestraften Gewalttäter Alexander Kurth schon fraglich.Auch, dass es am Montag vor einer Woche zu Gewalttätigkeiten seitens einem Dutzend seiner Demoteilnehmer nach der Versammlung in der Leipziger Innenstadt gekommen sein soll, steht seit Neuerem im Raum. Seine bisherigen ständigen Versammlungs-Ordner jedenfalls tauchten gern auch bei anderen rechtsextremen Demonstrationen, wie der von Sven Liebich am 3. Oktober 2021 in Halle / Saale auf.

Gegenüber LZ beschrieb der Leipziger Immobilienmakler noch am 5. Juli 2021 seine aktiven Jahre als stellvertretender Vorsitzender der NPD Rheinland-Pfalz mit der Aussage, „jeder hat eine Vergangenheit, das hab ich hinter mir“.

Doch nach seinem Gast vom 25. Oktober 2021 bei der „Bürgerbewegung“ steht wohl selbst das zur Debatte. Da sprach „der Paul“ kurz nach 19 Uhr zu seinen Getreuen und kurz darauf war bereits klar, dass da mit Paul Rzehaczek der Bundesvorsitzende der „Jungen Nationalisten“ (JN) einen Redebeitrag lieferte und eine Handvoll rechtsextremer Kameraden mitgebracht hatte.

Gemeinsam ging es dann für Volker Beiser, nach Eigenauskunft angeblich auch für den Verfassungsschutz tätig, mit diesen und ihrem Werbebanner für eine Propagandaseite der NPD-Jugendorganisation auf den Goerdeler-Ring, wenn auch nur rund 200 Meter weit. Dann folgte die erste Blockade, welche ihren Beinamen „antifaschistisch“ angesichts solcher Beteiligten am „Corona-Protest“ praktisch automatisch bekam.

Angesichts der schieren Menge derer, die sich da in den Weg setzten und stellten, konnte man hier minutenlang den Beratungen der Einsatzleitung der Polizei mit dem Ordnungsamt zuschauen. Der anschließenden Aufforderung, sich wieder zu entfernen, kamen die Blockierer mit Verzögerungen nach. Um sich anschließend in weiter wachsender Zahl wenige Meter hinter der geräumten Stelle erneut in den Weg zu stellen.

Nach einigem Hin und Her und sicherlich auch der Fragestellung, wie lange es dauern könnte, so viele Menschen von der Straße tragen zu müssen, kehrte die „Bürgerbewegung“ angesichts der Situation um und versuchte ihr Glück in der Gegenrichtung. Dieses Mal kamen die, die hier familienartigen Anschluss gefunden glauben und jene, die das auszunutzen versuchen, etwa 400 Meter weit, um an der Käthe-Kollwitz-Straße am Eingang des Dittrich-Rings erneut zum Stehen zu kommen.

Angesichts der fleißigen, aber meist schiefen DDR- und 1989er-Bezüge mancher in der BBL zufällig symbolträchtig an der „Runden Ecke“ gelandet, hieß es hier erneut warten. Denn nach einem schnellen Gang durch die Leipziger Innenstadt saß der Gegenprotest nun auf dem Dittrich-Ring, Höhe Gottschedstraße.

Anschließend war genug, die Nacht kalt und die Polizei so postiert, dass man von hier zumindest unbehelligt zu Bimmel und Parkplatz am Goerdelerring zurücklaufen konnte.

Dreimal Stopp und Vorfreude auf den 6. November

„Zu klären wird sein, warum dieser Gegenprotest überhaupt genemigt wurde“ (Fehler wie im Original). Dies und die Sorge, ob sich denn am 6. November 2021 zur „deutschlandweiten Demonstration“ auch genug andere rechtsradikale Teilnehmerinnen – hier gern Patrioten genannt – einfinden werden, treibt nun die „Bürgerbewegung“ laut ihrem Telegramkanal und einem Video-Aufruf von Volker Beiser um.

Dass Aktionen zivilen Ungehorsams, wie hier die dreimaligen Blockaden des 25.10.2021, keiner Genehmigung bedürfen und normalerweise bei einer demokratisch verfassten Polizei auch nicht zum „Knüppel aus dem Sack“ führen, ist dann zumindest auch der BBL nicht mehr neu.

Wie weit Beisers Videoaufrufe über Kanäle von hauseigenen Youtubern tragen, wird man in knapp 14 Tagen sehen. Dann möchte auch die „Bewegung Leipzig“, der angeblich weniger militante Zweig der „Querdenker“ in Leipzig, ebenfalls dem 7. November 2020 gedenken.

Dem Tag, wo sich zum Entsetzen vieler Leipziger und Bürgerrechtlerinnen von 89 einige 10.000 Corona-Protest-Touristen nach Leipzig auf den Weg machten und sich von rechten Schlägern den Ring „freikämpfen“ ließen, um eine Art 1989-Reenactment zu feiern. 2021 dürfte nach den Erfahrungen mit der „Bürgerbewegung Leipzig“ nicht nur am 25. Oktober 2021 die Neonazi-Dichte zunehmen und die Menge der Fern-Touristen kleiner ausfallen.

Der Gegenprotest hat das Datum jedenfalls schon fest im Auge.

Video-Impressionen vom 25. Oktober 2021

Video: LZ

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Es gibt 2 Kommentare

Mensch Markus: nur naiv oder Botschafter der Bewegung? Egal, warum wird die zahlenmäßig recht kleine Demo überhaupt auf dem Ring genehmigt? Vielleicht wurde die Leipziger Freiheit doch falsch verstanden.

Also, wen man sich die Bilder anschaut, wenn die antifaschistische Demo wirklich so antifaschistisch ist, warum hat man sich vermummt? Für mich waren das einfach das nur rechte gegen linke Extremisten.

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