Erstmals nach zweijähriger Corona-Pause hatten Interessierte am Samstag wieder die seltene Chance, einen Blick hinter die Kulissen des Strafvollzugs in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig zu werfen. Dabei konnten verschiedene Bereiche der Haftanstalt von der Zelle bis zum Freizeitbereich besichtigt und Fragen dazu gestellt werden. Anstaltsleiter Rolf Jacob ließ es sich nicht nehmen, auf die Wichtigkeit humaner Standards im Gefängnis hinzuweisen.

Härte ist der falsche Ansatz

Es war vielleicht unvermeidbar, dass dieser Kommentar kommen würde: Viele würden doch darüber lachen, wie lax es in deutschen Gefängnissen zugehen würde, ließ ein Teilnehmer der Führung irgendwann sinngemäß die Katze aus dem Sack. Anstaltsleiter Rolf Jacob wollte diese Bemerkung so nicht stehenlassen.

Das Narrativ, wonach ein besonders harter Strafvollzug wie in anderen Ländern der Welt präventiv und abschreckend wirke, sei falsch, konterte er – zumal Täter im entscheidenden Moment oft auch nicht über die konkrete Konsequenz ihres Handelns nachdenken würden.

Vielmehr führten Brutalität und Härte des Personals auch zu einer Gegenreaktion seitens der Gefangenen. Natürlich müssten sich Bedienstete im Fall der Fälle durchsetzen, doch sei ein vernünftiger Umgang, getragen von Fairness und Respekt, das oberste Gebot, stellte Jacob klar: „Wir sind nicht die Racheengel der Nation.“

Knast: Parallelwelt mit Schlupflöchern

Jacob, Leiter der Leipziger Haftanstalt seit 1994, übernahm am Samstag persönlich die Führung mehrerer Besuchergruppen. Zwischen 9 und 14 Uhr konnten Interessierte nach Voranmeldung die JVA Leipzig in der Leinestraße besichtigen. Die Nachfrage und das Interesse waren groß – schließlich hat man nicht alle Tage die Chance, einen Blick in die sonst so abgeschottete Parallelwelt eines Gefängnisses zu erhaschen.

Eine Parallelwelt mit eigenen Hierarchien, Regeln und Gesetzen, die aber keiner hermetisch abgeschirmten Käseglocke gleichkommt, wie auch Jacob einräumen musste. Das beweisen nicht zuletzt die Drogen, Handys und andere Gegenstände, die trotz strikten Verbots auf verschiedenen Wegen hinter den Knastmauern landen – ein offenes Geheimnis.

Viel Zeit – gerade in der U-Haft

Am 1. Januar 2001 war die heutige JVA Leipzig mit Krankenhaus aus der Vereinigung ihres Vorgängers mit dem früheren Justizvollzugskrankenhaus hervorgegangen. Auf einer Fläche von rund zehn Hektar werden in Leipzig-Meusdorf seitdem neben der Untersuchungshaft vor einem Prozess überwiegend geringere Strafen an männlichen, erwachsenen Ersttätern von bis zu zwei Jahren vollstreckt. Auch Fälle sogenannter „Ersatzfreiheitsstrafen“, mit denen nicht bezahlte Geldstrafen kompensiert werden sollen, landen hier.

Während in der Untersuchungshaft vom Ladendieb bis zum Mörder noch jedes Delikt und jede Altersgruppe ab 14 vertreten sein kann, werden Täter mit höheren Strafen bis hin zu lebenslanger Haft nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung dann aus Leipzig in andere Gefängnisse überstellt, etwa nach Torgau, Waldheim oder in die Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen. Die sächsische Strafanstalt für Frauen befindet sich in Chemnitz.

Mit Stand Samstagvormittag, dem 10. September, saßen in den Bereichen U-Haft, geschlossener und offener Vollzug sowie Krankenhaus in Leipzig 343 Personen ein. Etwa 250 Bedienstete managen den täglichen und nächtlichen Ablauf hinter Gittern.

Untersuchungsgefangenen, deren mögliche Verurteilung erst noch bevorsteht, fehlt in der Regel die Möglichkeit, einer Beschäftigung hinter Gittern nachzugehen. Das hat zur Folge, dass die Betroffenen oft viel Zeit des Tages in ihrer Zelle verbringen. Eine Ausnahme bilden sogenannte Hausarbeiter, die Routine-Arbeiten wie etwa Reinigung, Essensausgabe und Postverteilung übernehmen. Wer hier infrage kommt, wird direkt von der Anstalt bestimmt.

Einblick in verschiedene Bereiche

Bei der Führung am Samstag stand neben dem Blick in eine nicht belegte Haftzelle die Besichtigung von Besucherräumen, verschiedenen Ausbildungsstätten, der Gefängnisbibliothek, des Fitnessraums und der Turnhalle auf dem Plan. Auch eine Erstausstattung für Neuzugänge bei Gefangenen und speziell gesicherte Hafträume wurden den Besuchern präsentiert. Insassen der JVA waren dagegen zwar gelegentlich zu hören, aber nicht zu sehen – diese verblieben während der Führung ausdrücklich in den Zellen, um ihre Anonymität zu schützen.

Nebenher wurde auch für die Option einer Tätigkeit im Justizbereich geworben – trotz einer etwas aktuell vergleichsweise entspannten Personalsituation werden noch immer Kräfte gesucht, auch im Bereich der Pflege, zumal derzeit ein neues Krankenhaus gebaut wird.

Den Ausbruch schaffte noch keiner

Negative Schlagzeilen machte die JVA Leipzig über die Jahre mehrfach – mit dem Suizid eines Terrorverdächtigen im Herbst 2016 oder Verhafteten, die bei ihrer Einlieferung am Tor entwischten.

Einen erfolgreichen Ausbruch gab es dagegen noch nicht. Vor Jahren versuchte ein Häftling, eingewickelt in eine Decke, per Lieferwagen zu entkommen. Das, so gab Anstaltsleiter Jacob zu, hätte damals durchaus klappen können. Doch bei einer Zählung fiel das Fehlen des Mannes rechtzeitig auf und sein Plan wurde vereitelt.

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