Nachdem die letzte Kolumne des Sie, liebe Leserschaft, verehrenden Reflektors auf den staubigen Dachboden der Möglichkeiten vom Tun überhaupt gestiegen war, habe ich mir heute den Schmutz vom Leib pusten lassen, um frisch poliert und herrlich duftend Ihnen eine Kolumne zu servieren, die sich ganz eindeutig hat waschen lassen. Komm’se mit, wir bestaunen heute die Perlen der Lokalpolitik, aus den versteinerten Muschelschalen der Verwaltung herausgebrochen von PARTEI-Genossinnen und -Genossen in den Städten dieses sogenannten Freistaats.

Schließlich ist das immer noch mein Kerngeschäft. Neben der Aufklärung über den desolaten Zustand dieses Planöten und die ihn Bewohnenden, so muss auch ab und an eine lokale Schote kredenzt, eine Kommunalposse auf den Tisch gezogen und mit feinem Sprachbesteck zerlegt werden. Bitte glauben Sie mir: Das, was nun folgt, ist mitnichten ausgedacht, überspitzt, erfunden oder gar an den Haaren herbeigezogen. Darauf gebe ich ihnen mein Ehrenwort, ich wiederhole: mein Ehrenwort!

Chemnitz, oder: Ehrverletzung im Amt

Seit der Pandemie steigen die Scheidungsraten wieder an, aber dennoch werden offenbar immer noch Ehen geschlossen. Die alte PARTEI-Forderung „Ehe illegalisieren“, als Kompromiss zwischen homosexueller Gleichberechtigung und bürgerlicher Steuerklassenoptimierung, wurde vom Volke in Abstimmung mit den Füßen (auf dem Weg zum Scheidungsgericht) also in Mehrheit gut gefunden, aber offensichtlich noch nicht von allen.

Die Freude daran, sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch vereidigen zu lassen, ist immer noch groß und ganz besonders an solchen Palindromtagen, wie das Jahr 2022 so einige hat. Speziell der Februar hat den 2. und den 22. in petto und weil Eheleute den Jahrestag ihres Bis-auf-der-Tod-euch-scheidet-Vertragsschlusses wohl gern vergessen, sind diese Schnapszahlen ausgesprochen beliebt.

Umso erfreulicher war da die Entscheidung des Chemnitzer Standesamts am 2.2.22 die Tore geschlossen zu halten. Ehrenmann Sebastian Cedel (28), Stadtrat für Die PARTEI in Karl-Marx-Stadt, holte kurzerhand das ganz große Lob aus der Tüte, denn er schlug vor, die Mitarbeiterschaft auszuzeichnen für ihre Verdienste um das hohe Gut der Faulheit: „Weil wir eine Faulenquote haben, nehmen wir das Standesamt gern als Ehrenmitglied auf.“

Das wiederum schlug dem Behördenoberboss, Ordnungsbürgermeister Runkel, gehörig aufs Gemüt und er warf Cedel im Gegenzug vor, es ginge nicht an, dass „sich ein Stadtrat in solch unerträglicher und die Grenzen der Satire weit überschreitender ehrverletzender Weise über die Arbeit von städtischen Mitarbeiter/-innen öffentlich äußert und unbelastet von jedem Faktenwissen dazu die Arbeitsweise und Effizienz eines gesamten Amtes infrage stellt.“

Dieser Anwurf ist natürlich völliger Unsinn, denn Faulheit wird hier in ein Licht gerückt, das ihr überhaupt nicht schmeichelt. Zu Recht konterte Cedel mit Marxens Schwiegersohn, deklamierend: „Faulheit ist der höchste Grad an Freiheit!“ und verbat sich weiteres Gerunkel zu den „Grenzen der Satire“. Denn über deren Verlauf scheint Herr Runkel selbst nur sehr wenig zu wissen, wie wir aus seinen Äußerungen schließen müssen.

Dresden, oder: Taubenhass im Rathaus

In den 1960er Jahren gelang es der Schädlingsbekämpfungslobby in den USA, das unschöne Bild von den „Ratten der Lüfte“ in die Köpfe zu hämmern, um, Überraschung, mehr Umsatz mit Schädlingsbekämpfungsmitteln zu machen. Seither flattert allerorten (von Standesämtern abgesehen, falls geöffnet, s.o.) die Vorstellung umher, die Taube wäre für allerlei Krankheiten zuständig, kackt alles kaputt und sei überhaupt ein unansehnliches Tierchen.

Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 99, Februar 2022. Foto: LZ

Das stimmt aber gar nicht, wie Die PARTEI Dresden herausgefunden hat, anlässlich einer Petition einer Taubenfreundin. Diese ist mittlerweile mehrfach vorbestraft, weil sie Tauben gefüttert hatte, mit Nahrung, wie sie den Tauben eigentlich angemessen wäre. Merksatz: Wer keine verfaulten Essensreste oder Autoreifenabrieb futtert, hat am Ende einen ganz ansehnlichen Kot. Gilt für Menschen, wie für Tauben.

Als Mitglied der PARTEI für Tierschutz, hat sich Stadtrat und Vogelprediger Max „von Assisi“ Aschenbach nun mit ganzem Herzen dem Wohl dieser Flatterviecher verschrieben. Zugegeben, gänzlich überzeugt von diesen Vögeln scheint er mir nicht, aber das macht den Kampf für die Taube nur umso ehrenhafter. Oder um es in der Sprache der Christen (nicht zu verwechseln mit Christdemokraten) zu sagen: „Gott wünscht, daß wir den Tieren beistehen, wenn sie Hilfe bedürfen. Ein jedes Wesen in Bedrängnis hat gleiche Rechte auf Schutz.“

Eine Anfrage an den Oberbürger Dick Hilbert (FDP) ist raus. Der Taubenkrimi hat also gerade erst begonnen. Die PARTEI wird diesen Kampf wie immer bis zur letzten Feder ausfechten, um letztlich alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen die Taube ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.

Leipzig, oder: Eine Frau im Goldenen Buch

Nur unwesentlich besser als die Stellung der gemeinen Stadttaube in dieser Gesellschaft ist die der Frau. Zugegeben, weiblich zu lesende Menschenwesen dürfen in der BRD seit ein paar Jahrzehnten über ihr Leben selbst bestimmen, ohne jedes Mal beim Patriarch um Erlaubnis zu bitten.

Wie neu diese Entwicklung jedoch ist, sehen wir sehr deutlich an der Verteilung der Ehrenbürgerschaften in Leipzig: 89 Männer, 0 Frauen. Von diversen Personen fangen wir gar nicht erst an. Abzurechnen sind noch Adolf Hitler und andere Nazigrößen, sowie Walter Ulbricht, denen diese Ehre wieder aberkannt wurde.

Nun fackelt Die PARTEI bekanntlich nicht lange. Darum haben wir eine der geeignetsten Frauen für die Ehrenbürgerschaft vorgeschlagen, die wir finden konnten. Eine Frau, die in ihrem Wirken auf einzigartige Weise zum bundesweites Ansehen und der Bekanntheit Leipzigs beigetragen hat.

Eine Kämpferin für das Gute, eine Person, deren Lebensweg und Verfolgungsgeschichte auf die dunkelsten Stellen der sächsischen Verhältnisse ein erhellendes Licht werfen. Während da draußen hunderte Nazischläger und Faschisten mit blauen Augen davonkommen, obwohl sie sich an organisierten Überfällen (Connewitz), rassistischen Übergriffen (hier irgendeine sächsische Stadt einfügen) und Übernahmen (Richterposten) beteiligt haben, wird ihr ein Prozess gemacht, der in dieser Größenordnung in der jüngeren Vergangenheit nur Beate Zschäpe zuteilwurde.

Aber nicht mal Zschäpe wurde medienwirksam mit dem Hubschrauber zur Generalbundesanwaltschaft geflogen – sie schon. Diese Lichtgestalt also, die als Hassfigur der rechten Szene gilt, und das kann letztlich nur ein riesengroßes Lob sein, möge die nächste und erste weibliche Person sein, die sich in das Goldene Buch der Stadt Leipzig einträgt: Lina E.

Darum bitte ich, im Namen meiner PARTEI, um ihre Mithilfe: Zeichnen sie die Petition „Lina E. soll Ehrenbürgerin werden!“ und sorgen sie dafür, dass ihr die angemessene Anerkennung zuteilwird. Oder wenigstens die eine oder andere Kartoffel beim Hören der Nachricht einen Herzinfarkt bekommt.

Verbleibt für Sie mit einem Ohr an der Herzkammer der Kommunalpolitik

Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig

„Rodig reflektiert: Neue Sächsische Rundschau“ erschien erstmals am 25. Februar 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 99 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar