Seit Dezember sorgt die Vorlage der Stadt zum Bebauungsplan Nr. 380.1 „Grüner Bahnhof Plagwitz, Nordteil“ für erhebliche Diskussionen. Der BUND hat massive Bedenken gegen die Ausweisung von Wohn- und Gewerbebebauung im dann ganz und gar nicht mehr so grünen Bahnhofsgelände geäußert. Eine Bürgerinitiative hat sich mit einem ganz ähnlichen Anliegen gegründet. Denn auch im westlichen Plagwitz ist der Bedarf an Grün zur Erholung hoch. Jetzt griff auch Mathias Weber aus der Linksfraktion im Stadtrat das Thema auf.

Denn der Name des Bebauungsplanes kommt ja nicht aus heiterem Himmel. Er hat eine Vorgeschichte, in der die Bürger vor Ort immer darum kämpften, hier ein Stück mehr Grün im Stadtgebiet zu bekommen. Dass nun doch wieder wirtschaftliche Interessen im Bebauungsplan dominieren, verstört nicht nur die Akteure.„Das Gesamtareal des ehemaligen Güterbahnhofs Plagwitz erfreut sich einer stark wachsenden Beliebtheit. Zum Teil kommen so mehrere tausend Menschen an einem Wochenende auf dem Gelände zusammen. Hier lässt sich ablesen, dass der Wunsch nach Rückzug und öffentlichen Begegnungsflächen in Leipzig enorm ist“, stellt Mathias Weber nun in seinem Antrag fest, mit dem er eine ganze Reihe Punkte im Bebauungsplan geändert sehen möchte.

„Mit dem Grüneingriff des neuen Eigentümers in den nordwestlichen Flächenbereich wurde vielen Anwohner/-innen und Nutzer/-innen die anstehenden Veränderungen gewahr. Gegen eine massive Bebauung und eines weiteren Flächenverlusts für die Öffentlichkeit formiert sich aktuell Widerstand“, so Einreicher Mathias Weber von der Linken.

Die Geschichte des Grünareals

„Ende 2008 initiierten Anwohner aus dem Umfeld der Zollschuppenstraße einen Prozess, das abgesperrte und nicht mehr genutzte Betriebsgelände der Deutschen Bahn, den ehemaligen Güterbahnhof Plagwitz von der Naumburger Straße im Norden bis zur Schwartzestraße im Süden, als öffentlichen Raum für Grün- und Experimentierflächen für alle nutzbar zu machen“, schildert der Antrag die Vorgeschichte des jetzt vorgelegten Bebauungsplanes, der so wenig mit all dem zu tun hat, was die Bürger mit dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbau bislang immer diskutiert hatten.

Den vorgelegten Bebauungsplan hat federführend das Stadtplanungsamt geschrieben.

„Gemeinsam mit dem damaligen Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbau wurden Ideen und Konzepte wie die Gestalt und Nutzung des künftigen Geländes z. B. mit Gemeinschaftsgärten, Ballspielfeld, Boulderelementen und die Verortung des Bauspielplatzes Wilder Westen diskutiert sowie Abläufe organisiert“, schildert der Antrag den langen Findungsprozess.

„In einer intensiven Bürgerbeteiligung wurde die Planung des Nordbereiches mit der prägnanten Schaukel an der Naumburger Straße in einem Wettbewerb angestoßen und gemeinsam weiter qualifiziert. Insbesondere die behutsame Sanierung, die Boulderfelsenelemente oder die Treppenanlage gehen auf Vorschläge und intensiven Support von Anwohner/-innen zurück.“

„Auf dem ehemaligen Bahngelände in Plagwitz zwischen der Karl-Heine-Straße und der Schwartzestraße soll ein circa 1.100 Meter langer und 120 Meter breiter Gleis-Grün-Zug mit Grün- und Freiflächen sowie Fuß- und Radwegeverbindungen entstehen. Weiterhin soll ein Großteil der bisher bebauten Flächen als Bauland für gewerbliche und gemischte Nutzung gesichert werden. Einer der Hauptbestandteile des Plans ist zudem die Entwicklung urbaner Waldflächen“, hatte die Stadt im Jahr 2012 gemeldet, noch bevor sie die Flächen von der Deutschen Bahn kaufte.

Hier ging es also nur um gemischte Nutzung auf schon bebauten Flächen, nicht um eine Erweiterung der Mischnutzung.

„Als ein Meilenstein kann der 2012 aufgestellte B-Plan für das rund 21 ha umfassende Gebiet des ehemaligen Güterbahnhofes Plagwitz, einschließlich des Grundstücks der heutigen Schule am Grünen Gleis, angesehen werden. Aufgrund von weiteren avisierten Privatisierungsverkäufen der Deutsche Bahn AG, was auf die politischen Vorgaben aus Berlin zurückzuführen ist, konnte 2013 eine Städtebauliche Vereinbarung  (RBV-1773/13) zwischen der Stadt Leipzig und der Deutschen Bahn AG geschlossen werden. Trotz dieser Vereinbarung hat die Deutsche Bahn AG weitere Teile von Flächen verkauft, insbesondere in Höhe der Röckener Straße“, betont denn auch Mathias Weber.

„Der Kaufvertrag  zwischen der Deutschen Bahn AG und der Stadt Leipzig (05.03.2015) stellt nicht nur einen wichtigen Meilenstein dar, sondern war die Voraussetzung und Sicherung für die heute vorwiegende Grünentwicklung des Gesamtareals.“

Was bleibt vom Beteiligungsprozess?

Die aktuelle Enttäuschung wird deutlicher, wenn Mathias Weber in seinem Antrag betont: „Der GleisGrünZug oder Bürgerbahnhof Plagwitz kann als eine Erfolgsgeschichte einer mehrjährigen Interaktion von Bürger/-innen, Nachbar/-innen, Vereinen, Verbänden und Stiftungen, der Stadtverwaltung, aber auch der Privatwirtschaft, insbesondere der Deutschen Bahn, angesehen werden. Viele Bürger/-innen und Bürger nutzten den bis dahin beispiellosen Beteiligungsprozess mit vielen unterschiedlichen Formaten, um die Grünentwicklung von der Naumburger Straße bis zur Schwartzestraße zu fordern und mitzugestalten. (…)

Ein wesentliches Merkmal und heutige Magneten des GleisGrünZuges stellen der Bauspielplatz Wilder Westen, das Café Heiter bis Wolkig, der Hildegarten und das Ballspielfeld dar. In einem harten Aushandlungsprozess mit der Stadtverwaltung ist es der Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz gelungen, entsprechende Flächen für die Einrichtungen zu sichern. Die o. g. Einrichtungen werden weiterhin mit viel Herzblut und ehrenamtlichem Engagement behutsam im Rahmen des GleisGrün e. V. betrieben.“

Aber mit Bürgerbeteiligung tut sich Leipzigs Verwaltung immer wieder schwer. Auch an dieser Stelle, wie Weber feststellt: „In der ereignisreichen Zeit gab es jedoch auch immer wieder Widerstände gegen eine Grünentwicklung, so etwa die stadtverwaltungsinterne Bestrebung, die Schule am Grünen Gleis auf dem südlichen Teil des GleisGrünZuges zu etablieren. Einige Jahre zuvor formierte sich der politische Wille, die Flächen zu privatisieren und zu bebauen.“

Natürlich beantragt er nicht, dass alles zu Wald wird. Aber einige wesentliche Punkte will er dennoch geändert haben: „Dennoch verbleiben noch ungelöste Aufgaben wie eine ordentliche Verknüpfung bzw. Wegeverbindung des südlichen Areals des urbanen Waldes bis zum Friedhof Kleinzschocher, die Einordnung der vielfach geforderten Skateelemente und eines Kleinkindspielplatzes in den GleisGrünZug sowie eine durchgängig gebaute Radverkehrsanlage entlang der Ladestraße Ost bis zum Gießerradweg.“

Was dann auch in einigen Antragspunkten steckt wie der Forderung nach einer „guten Integration, Durchlässigkeit und Vernetzung des entstehenden Gewerbe- und Mischgebietes an der Ladestraße West in den Gleisgrünzug“ und dem „Verzicht auf das südliche Baufeld, wie im Rahmenplan 2011 dargestellt, zugunsten einer öffentlichen Grünfläche, z. B. mit Kleinkindspielplatz“.

Die Bürger/-inneninitiative gegen den Bebauungsplan wendet sich auch gegen die geplante hohe Bebauung. Bis zum 24. Januar können sich alle Bürger/-innen noch im Beteiligungsportal des Freistaats Sachsen zum Bebauungsplan äußern.

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