Die Stellungnahme des Leipziger Stadtplanungsamtes zur Petition „Grün statt Beton am Plagwitzer Bürgerbahnhof!“ liest sich sperrig, ganz so, als würde da ein Sachbearbeiter Spitzentanz im Amtsdeutsch tanzen, heftigst bemüht darum, allzu verfängliche Worte zu vermeiden. Auch wenn etwas durchschimmert, was im Leipziger Naturschutz zur Verzweiflung treiben könnte: die Haltung, dass Besitzinteressen eigentlich doch immer vor Umweltschutz gehen.

Im Juni übergab der BUND Leipzig seine Petition mit über 5.000 Unterschriften an den Petitionsausschuss der Stadt Leipzig.

Im April hatte der Stadtrat den Antrag der Linksfraktion positiv beschieden, dass mit dem Inhaber der Gewerbegrundstücke am GleisGrünZug Plagwitz nachverhandelt wird und deutlich mehr Grünfläche gesichert wird.

Die jetzt vom Planungsamt formulierte Stellungnahme ist ein verwaltungsseitiges „Ja“. Aber eines mit so vielen „Aber“, dass man nicht so richtig weiß, für wen die Verwaltung eigentlich arbeitet und wer dort die Prioritäten vorgibt.

Denn auf den ersten Blick ist es eine Zustimmung: „Die Petition wird im B-Planverfahren Nr. 380.1 ‚Grüner Bahnhof Plagwitz, Nordteil‘ berücksichtigt und in die planerische Abwägung zum Bebauungsplan eingestellt.“

Doch die Begründung nutzt das Stadtplanungsamt dann, um zu erklären, dass das eigentlich nicht geht.

Ein „unzulässiger Abwägungsfall“?

„Vor diesem Hintergrund und der nach § 1 Baugesetzbuch einzig dem Bauleitplanverfahren vorbehaltenen gerechten Abwägung der öffentlichen und privaten Belange untereinander und gegeneinander, wird eine Petition ebenso wie die im Grunde gleichlautenden Einwendungen aus der Öffentlichen Auslegung im weiteren Verfahren zur Entwicklung des ‚Grünen Bahnhof Plagwitz‘ berücksichtigt. Jedoch stellt eine zuvor vom Stadtrat angenommene Petition in diesem Kontext einen sehr gewichtigen (öffentlichen) Belang in der Abwägung dar“, meint der Sachbearbeiter, der die Stellungnahme der Verwaltung verfasst hat.

„Jedoch wäre es einem rechtlich unzulässigen Abwägungsausfall gleichzusetzen, wenn die Inhalte einer vom Stadtrat während eines noch laufenden Planverfahrens angenommenen Petition von vornherein höher gewichtet würden und die ebenfalls zu berücksichtigenden privaten Belange (z. B. die wirtschaftliche Ausnutzung des eigenen Grundstücks) in diesem Kontext keine angemessene Berücksichtigung finden und von vornherein geringer gewichtet würden. Hierzu muss auch in die Bewertung eingestellt werden, dass es bis Ende 2021 Konsens war, dass die Flächen grundsätzlich baulich entwickelt werden sollen.“

Der Konsens mag in der Verwaltung geherrscht haben, die sich immer noch auf der Bürgerbeteiligung von 2008 ausruhte. Dass sich die Stadt seither aber einschneidend verändert hat, wird in den diversen Stellungnahmen der Stadt nicht goutiert.

Man tat immer noch so, als wäre Leipzig noch wie 2008 eine Stadt voller begrünter Brachen, für die man froh war, überhaupt Nutzer zu finden. Mittlerweile ist aber die Stadt zunehmend verdichtet. Auch in Plagwitz wird mittlerweile jede verbliebene Brache beplant und bebaut.

Klimanotstand einfach ignoriert?

Und dazu kommen die zunehmend spürbaren Folgen des Klimawandels, die so 2008 in Leipzig auch noch nicht zu erleben waren. Tropische Nächte machen im ganzen Stadtgebiet deutlich, wie lebenswichtig Frischluftschneisen sind. Und wie diese Schneisen eben nicht mehr funktionieren, wenn sie zugebaut werden.

Da war selbst der Besitzer der Flächen am ehemaligen Güterbahnhof Plagwitz weiter und zeigte sich bereit, mit der Stadt über mehr Grünfläche auf seinem Gelände zu verhandeln.

In der Vorlage lautet das so: „Ferner wurde beschlossen, dass die Abstimmungen mit dem Flächeneigentümer in einem geeigneten Format, vergleichbar der Koproduktionsprozesse zum Gleisgrünzug, stattfinden sollen. Hierzu hat sich der Grundstückseigentümer der hier in Rede stehenden Flächen mehrfach bekannt.“

Und das Stadtplanungsamt muss auch anmerken, dass nicht nur die Petition hier Veränderungen forderte. Denn auch Dutzende Einwendungen zum ausgelegten Bebauungsplan insistierten auf dasselbe Problem. Die Verwaltung hätte das Ansinnen also auch ohne Petition in den Abwägungsprozess einbeziehen müssen.

Die Petition des BUND Leipzig hat nur mehr Druck gemacht. Und zwar den größtmöglichen, den Bürger im Kommunalrecht machen können: Wenn sie auch noch im Stadtrat eine Mehrheit findet, muss sich die Stadt danach richten. Dann geht es nicht mehr um Abwägung, sondern um Umsetzung.

Wer wägt eigentlich das öffentliche Interesse ab?

Aber die Formulierung von der von vornherein höher gewichteten Petition und den „ebenfalls zu berücksichtigenden privaten Belangen (z. B. die wirtschaftliche Ausnutzung des eigenen Grundstücks)“ zeigt noch ein Problem, das so manche Fehlentwicklung im Leipzig erklärt.

Denn bei der Aufstellung des Bebauungsplanes geht es noch gar nicht darum, dass die Stadt 1,2 Hektar kauft, um daraus öffentliche Grünfläche zu machen, sondern um die Festlegung, was auf jeden Quadratmeter im Plangebiet entstehen darf.

Bisher gab es für das Gebiet keinen Bebauungsplan. Der Käufer der alten Güterschuppen ging also ganz bewusst ein Risiko ein, weil er nicht wissen konnte, ob er hier großflächig Gewerbe würde ansiedeln können, weil ein Bebauungsplan hier andere Schwerpunkte setzen könnte.

Leipzigs Verwaltung tut gern so, als müsste die Stadt dieses Risiko für Grundstückseigentümer vermeiden. Was all die Verhandlungen um Belange des öffentlichen Interesses so zäh macht und die Verhandlungspostion der Stadt so schwach. Es sind nicht einmal die Käufer von Grundstücken, die um das Risiko nicht wüssten, dass sie vielleicht nicht alles bauen dürfen. Es sind städtische Sachbearbeiter, die so tun, als wären Dinge wie Artenschutz, Frischluftschneisen, Biotopschutz usw. regelrechte Zumutungen für Eigentümer und Investoren.

Das ist nicht nur in Leipzig so. Aber hier taucht diese Diskussion in jeder neuen Planung wieder auf. Und immer wieder machen Umweltverbände die Erfahrung, dass sie zwar freundlich angehört werden, die Belange des Umweltschutzes aber trotzdem keine oder kaum Berücksichtigung finden. Sie werden „angehört“, aber ihre Fachkompetenz wird selten wirklich akzeptiert.

Und nach einem eindeutigen „Ja“ hört sich der Beschlussverschlag aus dem Baudezernat dann eben doch nicht an, nur nach einem mit Vorbehalt: „Die Petition wird im B-Planverfahren Nr. 380.1 ‚Grüner Bahnhof Plagwitz, Nordteil‘ berücksichtigt und in die planerische Abwägung zum Bebauungsplan eingestellt.“

Berücksichtigen und Abwägen? Das klingt wie eine Hintertür. Da ist nur die Frage, ob der Stadtrat da durch geht oder lieber die Petition zum Beschluss erhebt.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar