Sein „So nicht!“ hatte der Stadtratsausschuss Planung und Bau schon im Februar angemeldet. Vier, vielleicht sogar fünf Beratungen hatte es im Ausschuss zur Vorlage der Verwaltung „Offenlegung Pleißemühlgraben zwischen Käthe-Kollwitz-Straße und Parthe/ZOO – Planungsbeschluss“ gegeben. Den Änderungsantrag der Ausschussmitglieder übernahm OBM Burkhard Jung am 15. März lieber gleich.

Denn selbst in der gezügelten Diskussion, die es an diesem 15. März in der Ratsversammlung noch gab, wurde spürbar, dass die wesentlichen Bedenken der Ausschussmitglieder gegen die am Ende recht teure Vorlage nicht ausgeräumt sind.

Denn nach den vorläufigen Berechnungen soll die Öffnung des Pleißemühlgrabens von der Käthe-Kollwitz-Straße bis zum Zoo knapp 60 Millionen Euro kosten. 2024 sollen die Planungen fertig sein, ab 2026 könnte nach Ansicht des Amtes für Stadtgrün und Gewässer gebaut werden, sodass das Gesamtprojekt 2032 fertig wäre.

Aber selbst die für gewöhnlich sehr zurückhaltende CDU-Stadträtin Sabine Heymann sprach von einem „break“. Ein „break“, der dadurch entsteht, dass die Verwaltung jetzt zwar in die Planung für den ganzen Mühlgrabenabschnitt gehen kann. Aber das darf noch keine Vorentscheidung sein darüber, dass am Ende auch der ganze Abschnitt gebaut wird.

Denn tatsächlich hat man es mit zwei Abschnitten zu tun – dem im Stadtrat schon heiß diskutierten Abschnitt, der von der Käthe-Kollwitz-Straße bis zum Ranstädter Steinweg geöffnet werden soll. Und dem restliche Abschnitt bis zum Zoo. Von dem noch keiner weiß, ob er tatsächlich die Hochwasserfunktion erfüllen kann, die ihm die Stadt die ganze Zeit zuschreibt.

Pleißemühlgrabenöffnung am Goerdelerring. Visualisierung: Stadt Leipzig
Visualisierung: Stadt Leipzig

Diese Bedenken äußerten die Stadträte Jürgen Kasek (Grüne) und Mathias Weber (Linke) auch am 15. März: Eine Entscheidung über den zweiten Bauabschnitt vom Naturkundemuseum bis zum Zoo ist schlicht nicht möglich, wenn es noch keine profunden Planungen gibt. Es hat auch ein gewisses Geschmäckle, wenn die Stadt beide Grabenabschnitte in ein Paket packt.

Und dazu kommen noch die völlig ungeklärten Fragen, wie sich gerade der zweite Bauabschnitt auf die Gewässerqualität wirklich auswirkt, ob der Hochwasserschutz hier tatsächlich die Rolle spielt, die behauptet wird. Und Kasek wies auch zu Recht darauf hin, dass das Integrierte Gewässerkonzept der Stadt von 2004 so überhaupt noch anwendbar ist und nicht dringend überarbeitet werden muss, gerade weil das Auenentwicklungskonzept noch nicht vorliegt.

Und Mathias Weber erinnerte daran, dass die Gespräche zwischen Stadt und Freistaat durchaus noch voller ungeklärter Konflikte sind. Wer redet da mit wem? Inwieweit geht der Wunsch des Freistaats, die Elsteraue endlich wieder zu naturieren, mit den Leipziger Kanalplänen zusammen?

Der Änderungsantrag aus dem Planungsausschuss setzte da tatsächlich erst einmal ein Stopp-Schild: „Erst im Zuge der Planung werden gegenwärtig noch strittige Rahmenbedingungen für die Öffnung des in der Vorlage beschriebenen Abschnittes fachlich der Art bearbeitet, dass eine fundierte Entscheidung über die Gestaltung des Verlaufs des geöffneten und wieder hergestellten Pleißemühlgrabens getroffen werden kann. Aufsetzend auf den Ergebnissen bis zur Planungsphase 2 werden der Stadtrat und die zuständigen Stadtbezirksbeiräte in die Lage versetzt, die Wirkung der vorgeschlagenen Öffnungsabschnitte und -bauweisen abzuschätzen. Dafür ist ebenfalls erforderlich, die Relevanz dieser Abschnitte im Vergleich zu anderen potenziellen Abschnitten und Maßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu kennen.“

Womit auch die Kostenvoranschläge des Amts für Stadtgrün und Gewässer erst einmal reine Phantasie sind. Bis hin zu der Priorisierung der Pleißemühlgrabenöffnung bis zum Zoo. Für Mathias Weber ist der Änderungsantrag eine erste Brücke, überhaupt eine Gesprächsbasis auch mit dem Freistaat zu schaffen. Denn die Prioritäten des Freistaats liegen längst darauf, das Auensystem der Weißen Elster möglichst bald wieder dem Fluss zu öffnen und es wieder zu einem echten Auensystem zu machen.

Der Änderungsantrag ist letztlich so deutlich ausgefallen, dass die Stadtverwaltung durchaus riskiert hätte, den Planungsbeschluss selbst nicht durch den Stadtrat zu bekommen, wenn er einzeln abgestimmt worden wäre. So war es strategisch nur klug, dass Burkhard Jung den Änderungsantrag mit übernahm in die Vorlage der Stadt und beides im Paket abgestimmt wurde.

Mit dem Ergebnis, dass 37 Stadträt/-innen zustimmten, nur einer dagegen stimmte und sich elf Stadträt/-innen enthielten. Damit war die Vorlage angenommen und in zwei Jahren muss die Verwaltung die Planungsergebnisse dem Stadtrat vorlegen, der dann entscheiden muss, wie es weitergeht und was tatsächlich wann gebaut wird.

Die Debatte im Stadtrat vom 15. März 2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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