In einem turbulenten Jahr hatte die Weltpolitik gravierende Auswirkungen auf Städte wie Leipzig. Während sich die schlimmsten Folgen der Coronakrise in den ersten Monaten erledigten, sorgten schon bald Ukrainekrieg und Energiekrise für neue Probleme. Und auch in diesem Jahr wurde wieder viel demonstriert. Wir fassen die zwölf Monate zusammen.

Januar

Aus der heutigen Perspektive fällt es etwas schwer, sich daran zu erinnern, doch ganz zu Beginn des Jahres steckte Sachsen tatsächlich noch mitten in der Coronakrise. Sogenannte Notfallverordnungen regelten das Leben – und sie regelten zum Beispiel auch, dass Freizeitangebote unter strengen Voraussetzungen wieder öffnen durften.

Gleichzeitig gingen „Querdenker“ auf die Straße, um gegen die bestehenden Maßnahmen zu protestieren und dabei auch mal die eigenen Kinder als Schutzschilde zu verwenden.

Februar

Gleich am ersten Tag des Monats schließt Sachsen einen weiteren „Freizeit-Lockdown“ wegen Corona aus. Beschränkungen für Einzelhandel und private Treffen entfallen; manche Lockerungen, die auf Bundesebene beschlossen wurden, sind aus Sicht des Freistaates jedoch zu früh. Die Buchmesse wird wegen Corona erneut abgesagt und soll 2023 erst später im Jahr stattfinden.

Ende Februar marschiert Russland in den Osten der Ukraine ein und noch am selben Tag gehen in Leipzig mehrere tausend Menschen auf die Straße, um Solidarität mit den Ukrainer/-innen zu demonstrieren.

März

Der Ukrainekrieg ist das große Thema in Leipzig. Verschiedene Krisenteams im Rathaus werden gebildet. Im Neuen Rathaus nimmt ein Ankommenszentrum seinen Betrieb auf. Kurz darauf zieht es in eine Turnhalle um, weil dort mehr Platz ist.

Ob bei der Ankunft am Bahnhof, bei Behördengängen oder bei der Unterbringung – die Zivilgesellschaft zeigt wieder beeindruckendes Engagement. Viele fühlen sich an 2015 und 2016 erinnert. Allerdings kommen diesmal innerhalb weniger Wochen so viele Flüchtende wie damals in zwölf Monaten.

April

Sachsens Innenminister Roland Wöller steht schon seit langer Zeit in der Kritik, doch in diesem Monat eskaliert die Situation. Unter anderem wegen seiner Personalpolitik fordern Polizeigewerkschaften den Rücktritt des Ministers. Ein „Krisentreffen“ ändert daran nichts.

Am 22. April spricht schließlich Ministerpräsident Michael Kretschmer ein Machtwort und entlässt seinen Parteikollegen. Einen geeigneten Nachfolger innerhalb der sächsischen CDU findet er offenbar nicht – Armin Schuster, zuvor ohne große Bezüge zu Sachsen, wird neuer Innenminister.

Solidemo für die Ukraine und Ukrainer/-innen. Foto: Jan Kaefer

Mai

Wer in einigen Jahrzehnten in Geschichtsbüchern das Kapitel zur „Entstehung der Klima-RAF“ aufschlägt (kleiner Scherz), wird vielleicht den Mai im Jahr 2022 prominent hervorgehoben finden. In diesem Monat blockierten Aktivist/-innen der „Letzten Generation“ in Leipzig die Jahnallee.

Zudem besetzten sie das Audimax der Universität, wo sie eine „Lebenserklärung“ forderten. Bereits zwei Tage später einigten sich Aktivist/-innen und Rektorat auf eine gemeinsame Erklärung zum Klimaschutz, die gleichzeitig das Ende der Besetzung bedeutete.

Juni

Während die „Letzte Generation“ nun auch auf der Brandenburger Brücke und auf dem Innenstadtring aktiv wird, sorgen Durchsuchungen in Connewitz für beispiellose Aufregung in der linken Szene.

Der im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren beschuldigte Johannes D. hat gegenüber den Behörden umfangreich ausgepackt und seine Mitangeklagten rund um Lina E. schwer belastet. In einem bis dahin eher unspektakulären Prozess wendet sich das Blatt damit wohl zugunsten der Anklage. Ende des Monats scheitert zudem Sören Pellmann mit seiner Kandidatur als Linke-Vorsitzender.

Juli

Im zweiten Wahlgang verliert die CDU das Amt des Landrates in Mittelsachsen. Der parteilose Dirk Neubauer setzt sich deutlich durch. Eine zweite Pleite bleibt der CDU hauchdünn erspart: Mit neun Stimmen Vorsprung gewinnt sie im Landkreis Zwickau. Dennoch ist die Vorherrschaft gebrochen, nachdem zuvor alle zehn Landratsämter in der Hand der CDU waren.

Ärgern muss sich allerdings auch die AfD. Sie war mit großen Hoffnungen in die Wahlen gegangen, darf aber weiterhin keinen Landrat stellen. In Dresden verteidigt unterdessen Dirk Hilbert (FDP) seinen Platz als Oberbürgermeister.

August

Nach den Geflüchteten erreicht nun auch die Energiekrise endgültig Leipzig. Für die Stadtwerke gibt es ein Darlehen von maximal 150 Millionen Euro, die Sportbäder erhöhen die Preise und Sören Pellmann sorgt mit seinem Vorschlag, montags gegen die Krisenfolgen zu demonstrieren, für eine kontroverse Diskussion.

Und während in Grünau mutmaßlich Rechtsradikale wiederholt Einrichtungen für Ukrainer/-innen angreifen, kommt es bei einer angeblich Putin-freundlichen Filmvorführung der „globaLE“ zu Handgreiflichkeiten.

Absperrungen in der Innenstadt nach Bombenfund am Leuschnerplatz. Foto: Tom Richter

September

Anfang des Monats mobilisiert die Linkspartei mehrere tausend Menschen zum Auftakt in den „heißen Herbst“. Dem Aufruf folgen allerdings auch die „Freien Sachsen“ und andere Rechtsradikale, die ebenfalls vierstellig erscheinen. Die rechten Montagsdemos in Leipzig erhalten danach deutlich mehr Zulauf; zudem nimmt die Gewalt gegen Antifaschist/-innen und Journalist/-innen zu.

Außerdem im September: ein Bombenfund am Leuschnerplatz, die gescheiterte Bürgermeisterwahl von Martina Münch, Protest gegen eine Abschiebung in der Südvorstadt und ein Antrag des Leipziger Gasimporteurs VNG auf Staatshilfen.

Oktober

Ein im September gegründetes Bündnis gegen unsoziale Inflationsfolgen geht auf die Straße – mobilisiert aber deutlich weniger als die erhofften 10.000 Teilnehmer/-innen. Erfolgreicher sind die Antifaschist/-innen, die am Tag der Deutschen Einheit eine rechte Montagsdemo massiv behindern, sodass diese nur die Hälfte der geplanten Strecke zurücklegen kann.

Während der um Antisemitismus kreisende Prozess gegen Gil Ofarim auf unbestimmte Zeit verschoben wird, nimmt die rechte Gewalt wieder zu: In Bautzen gibt es einen Brandanschlag auf eine geplante Asylunterkunft und in Einsiedel gibt es Protest gegen die Unterbringung von Geflüchteten.

November

Erneut feiern Antifaschist/-innen große Erfolge in Leipzig: Erst blockieren sie nahe dem Synagogendenkmal eine rechte Montagsdemo und ziehen dann selbst über den Ring, später lassen sie eine rechtsradikale „Compact“-Demonstration zum Desaster geraten.

Für Aufmerksamkeit sorgt auch ein Schreiben des Stadtrates Heiko Bär, der über seinen Austritt aus der SPD informiert. Eine Online-Petition fordert derweil den Rücktritt von Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke), weil dieser im Stadtrat beim Thema Kontrolle von Falschparken gelogen haben soll.

Dezember

Zum ersten Mal seit drei Jahren gehen Weihnachtszeit und Jahreswechsel ohne Corona-bedingte Einschränkungen über die Bühne – mittlerweile ist sogar von einem „Ende der Pandemie“ die Rede. Zumindest das Ende der Maskenpflicht scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Für Aufsehen sorgen im Dezember die Verhaftungen mutmaßlicher Rechtsterrorist/-innen – auch in Sachsen – und die ziemlich unchristliche Weihnachtsbotschaft des Bautzner Landrats, der den sozialen Frieden durch Geflüchtete gefährdet sieht. Für Kunstliebhaber/-innen gibt es kurz vor Weihnachten ein besonderes Geschenk: Große Teile des Raubgutes aus dem „Grünen Gewölbe“ tauchen wieder auf.

„Corona, Ukrainekrieg und Energiekrise“ erschien in ähnlicher Form erstmals am 16. Dezember 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 109 der LZ finden Sie unter anderem in Großmärkten und Presseshops sowie bei diesen Szenehändlern.

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