Seit praktisch vier Jahren passiert nichts mehr am ehemaligen Technischen Rathaus an der Prager Straße. Kann denn die Stadt das entkernte Gebäude nicht einfach kaufen und damit wieder in Nutzung bringen? Diesen Wunsch schrieb Johannes Zerfaß in seine Petition „Leipziger Allerlei – Petition für eine städtische Übernahme & bedarfsgerechte Umnutzung der Bauruine des ehemaligen technischen Rathauses in der Prager Str. 20 – 26“. Doch der Stadt sind die Hände gebunden.

Warum, das erklärt jetzt das Stadtplanungsamt ausführlich.

„Das aktuell leer stehende und im Umbauzustand befindliche Gebäude ist auch aus der Sicht der Stadtverwaltung nicht zufriedenstellend, dennoch rechtfertigt das nicht den Einsatz nicht rechtsstaatlicher Mittel. Das gilt für die gewalttätigen Übergriffe im Jahr 2019 auf das Projekt selbst, aber auch für die Form des politischen Protestes insgesamt.

Die Herleitung einer Rechtfertigung des Anschlags durch zivile Unzufriedenheit aufgrund einer langen Bauzeit des Projektes, die zumal 2019 noch gar nicht gegeben war, entspricht einer geistigen Haltung, die nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu vereinbaren ist“, heißt es in der Stellungnahme.

Attacken auf Baustelle

Wie störend die Baustelle im Stadtbild ist, hatte Zerfaß so beschrieben: „Doch wie ist es zu rechtfertigen, dass ein Gebäude von so hohem Umnutzungspotential wie das ehemalige Technische Rathaus in der Prager Straße seit Jahren als Bauruine verwahrlost, wenn zugleich der Bedarf an neuem, insbesondere bezahlbarem Wohnraum in der Stadt nicht gedeckt werden kann?

Die andauernde Intransparenz über die Zukunft des Gebäudes schürt die zivile Unzufriedenheit und gipfelte 2019 in gewalttätigen Übergriffen auf die Baustelle. Die zugleich wachsende Anspannung auf dem Wohnungsmarkt ist nicht zu übersehen.

Es ist absurd, dass in bester Innenstadtlage im Fall einer zukünftigen Baufortsetzung ein veraltetes, 2013 entwickeltes Wohnkonzept für das zwischenzeitlich fast übersättigte hochpreisige Segment entstehen soll, wenn zugleich in der Stadt jährlich ca. 1.460 Sozialwohnungen fehlen …“

Privateigentum ist heilig

Das einst der CG-Gruppe gehörende Gebäude gehört inzwischen der Adler-Group. Aber auch die verkündet derzeit keine Bauaktivitäten.

Aber Besitz ist Besitz.

Die Dauerbaustelle in der Prager Straße. Foto: Sabine Eicker
Die Dauerbaustelle in der Prager Straße. Foto: Sabine Eicker

Der Stadt sind die Hände gebunden, teilt das Stadtplanungsamt mit: „Der Gebäudekomplex des ehemaligen Technischen Rathauses an der Prager Straße 20–28 befindet sich im privaten Eigentum. Für das Objekt wurde am 02.08.2017 eine Baugenehmigung zum Umbau des ehemaligen Technischen Rathauses in ein Wohn- und Geschäftshaus erteilt. Die Baumaßnahme ist weit fortgeschritten und derzeit ruhend, aber nicht abgeschlossen.

Die Baustelle steht zwar offenbar still, ist jedoch weiterhin gesichert und überwacht. Eine endgültige Aufgabe des beantragten Vorhabens ist nicht erkennbar. Ein Ankauf der Immobilie gegen den Willen des Grundstückseigentümers kann nicht durchgesetzt werden.“

Aber kann den die Stadt das Objekt nicht einfach kaufen?

Vielleicht – wenn sie einen ziemlich hohen Kaufpreis zu bieten in der Lage wäre. So kann man die Stellungnahme des Stadtplanungsamtes lesen: „Für eine geänderte Entwicklung des Standortes und Gebäudes als Ressource für soziale Nachhaltigkeit und integrative Wohnpolitik müsste die Stadt Leipzig das Grundstück und das im unbekannten Umbauzustand befindliche Gebäude weit unter dem aktuellen Marktwert erwerben können.“

Kein Vorkaufsrecht in Sicht

Ein Vorkaufsrecht jedenfalls besteht nicht, teilt das Amt mit: „Das Grundstück befindet im unbeplanten Innenbereich und nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, einer Sanierungssatzung nach § 136 BauGB oder einer Vorkaufsrechtssatzung nach § 25 BauGB. Weiter liegt das Grundstück auch in keinem vom Land Sachsen bestimmten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt nach § 201a BauGB. Ein städtebaulicher Missstand im baurechtlichen Sinne besteht aktuell ebenfalls nicht, weil es sich noch um ein in Sanierung befindliches Vorhaben handelt.

Aus den vorgenannten Gründen sind die Voraussetzungen zur Ausübung des allgemeinen Vorkaufsrechtes nach § 24 BauGB nicht gegeben. Wäre dies gegeben, müsste erst einmal ein Verkaufsfall eingetreten sein, um das Vorkaufsrecht geltend zu machen.

Weiter müsste die Stadt Leipzig, bei der Ausübung eines vorhandenen Vorkaufsrechts, in den geschlossenen Kaufvertrag eintreten wollen (voraussichtlich zum aktuellen Marktwert).“

Wohl ungeeignet für sozialen Wohnungsbau

Und auch die Vorstellungen, dass aus dem Betonklotz vielleicht Sozialwohnungen werden könnten, muss das Stadtplanungsamt enttäuschen: „Auch ist nicht klar, ob das Gebäude noch ein hohes bauliches Potenzial für eine nachhaltige Nutzung des Bestandes aufweist, denn das genehmigte Vorhaben sieht erhebliche Eingriffe in fast allen Teilen des Gebäudes vor, insbesondere auch in die Grundstruktur und Statik des Gebäudes.

Das genehmigte Vorhaben wurde in Teilen schon umgesetzt, die ehemalige Fassade ist schon entfernt und eine thermische Hülle damit nicht mehr vorhanden. Der Stadt Leipzig ist nicht bekannt, wie weit weitere Änderungen an der Grundstruktur des Gebäudes schon fortgeschritten sind.

Weiter ist völlig offen, wie hoch die Kosten neben dem Ankauf für eine Instandsetzung, Sanierung und Umplanung zu einem bedarfsorientierten Wohnraum mit Mischangebot für die Immobilie wären. Eine Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im ehemaligen Technischen Rathaus bei den zu erwarteten Kosten scheint nicht realistisch.“

Das heißt dann wohl im Klartext: Gegen die Preise, die auf dem freien Immobilienmarkt derzeit aufgerufen werden, hat eine Stadt wie Leipzig keine Chance.

Sodass dann im Grunde auf die Petition hin nur mitgeteilt werden kann, dass das Anliegen letztlich nach geltendem Recht rechtswidrig wäre. Und wenn die Stadt kaufen wollte, würde sie sich das Ganze bei den aktuellen Marktpreisen auch nicht leisten können.

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