Schon einmal war das Projekt auf Eis gelegt worden, nun nimmt der zweite Anlauf Fahrt auf: Der Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig soll Standort eines Freiheits- und Einheitsdenkmals werden, um an die Revolution von 1989 in der DDR zu erinnern und Brücken in die Zukunft zu schlagen. Ab kommender Woche ist dazu eine Ausstellung für alle Interessierten zugänglich.

Was ist das für ein merkwürdiges, silbergraues Objekt auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz? Das mag sich manch ein Passant dieser Tage fragen, der über das Areal spaziert. Die Lösung: Es handelt sich um eine sogenannte Raumerweiterungshalle. Die Module, flexibel, beweglich und vergleichsweise leicht aufzubauen, waren ab Ende der fünfziger Jahre in der DDR entstanden, in den Sechzigern gingen sie in Serie. Sie brachten zum Beispiel Feldkinos, Gaststätten, Kaufhallen oder Postämter unter.

Raumerweiterungshalle auf dem Leuschnerplatz.
In dieser Raumerweiterungshalle wird die Ausstellung zum Planungsprozess des Denkmals zu sehen sein. Foto: Lucas Böhme

Ein solches Modell heute noch aufzutreiben, war alles andere als einfach, schildert Gesine Oltmanns. Doch die Suche hatte letztlich Erfolg, schließlich wollte man eine mobile Lösung für die Dauerausstellung zum Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig, die hier bereits in der kommenden Woche ihren Anfang nehmen und dann in die westlichen Bundesländer weiterziehen soll.

Oltmanns, DDR-Bürgerrechtlerin und Vorstandsmitglied der Stiftung Friedliche Revolution, informierte am Donnerstag beim Pressetermin vor Ort gemeinsam mit Dr. Skadi Jennicke (Linke, Kulturbürgermeisterin Stadt Leipzig) sowie den Kuratorinnen Marlene Oeken und Martha Schwindling über die Ausstellung und den Planungsstand des geplanten Denkmals. Eine Idee mit denkbar langer Vorgeschichte.

Erster Anlauf scheiterte 2014

Der Reihe nach: Bereits am 4. Dezember 2008 hatte der Bundestag die Bundesregierung dazu aufgefordert, „gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig den Beitrag der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zur Friedlichen Revolution auf angemessene Weise zu würdigen.“ Doch das im Juni 2009 gestartete Wettbewerbsverfahren für ein Denkmal platzte gut fünf Jahre darauf, als die Ratsversammlung am 16. Juli 2014 das Projekt mit Mehrheitsbeschluss auf Eis legte. Damals waren es Planungsfehler und engstirnige Vorgaben für Künstler, welche die Idee erst einmal begruben.

Ganz tot war das Konzept jedoch nicht: Durch einen Neuanlauf Ende 2017 erhielt die Stiftung Friedliche Revolution den Auftrag, wiederum ein Verfahren vorzuschlagen, das Denkmal doch noch umzusetzen. Im September 2021 erging ein Stadtratsbeschluss, OBM Burkhard Jung (SPD) möge erneut mit einem Beteiligungsprozess beauftragt werden. Im Juni 2022 wurde der Weg für einen zweiten Wettbewerb dann endgültig geebnet.

Frust und Streit über die Idee für ein Denkmal

Doch das Scheitern des ersten Prozesses hinterließ nach mehreren Jahren durchaus Frust und offene Fragen: Ist der Wilhelm-Leuschner-Platz, der für die Friedliche Revolution keine zentrale Bedeutung hatte, überhaupt der passende Standort? Wie sieht die Kostenfrage aus? Manche Bürgerinnen und Bürger zogen die grundsätzliche Notwendigkeit eines Denkmals in Zweifel. Eine Bürgerbefragung war im Mai 2023 durch die Stadt abgelehnt worden.

Allerdings hatte eine Umfrage bereits vor über fünf Jahren, also nach dem gescheiterten Versuch Nummer eins, eine Pro-Mehrheit ergeben. Besonders jüngere Menschen standen dem Ansinnen eines Denkmals aufgeschlossen gegenüber, so der damalige Befund.

Teilnehmerinnen der Pressekonferenz. Foto: Lucas Böhme
Pressekonferenz zum Planungsstand des Denkmals mit Sprecherin Susanne Tenzler-Heusler (l.) sowie Gesine Oltmanns, Dr. Skadi Jennicke, Marlene Oeken und Martha Schwindling (v.l.). Foto: Lucas Böhme

Trotzdem: „Wir mussten uns fragen, ob diese heiße Kartoffel die richtige Temperatur hat“, räumt auch Gesine Oltmanns ein. Dennoch habe man den Auftrag für den Anlauf Nummer zwei sehr gern angenommen. „Ich glaube, dass wir mit dem Thema Freiheits- und Einheitsdenkmal eine große Chance haben. Es ist eine ganz große Chance, heute nochmal über Zeitgeschichte konkret nachzudenken und vor allem darüber: Was wollen wir den nächsten Generationen mitgeben? Dafür ist, glaube ich, auch ein Denkmal die richtige Form und wir wünschen uns einen tollen künstlerischen Entwurf.“

Grundsteinlegung für Oktober 2025 geplant, Kosten noch offen

Wie dieser aussieht, ist aktuell völlig offen, betont auch Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke. Fest steht lediglich der zeitliche Fahrplan: Im März 2024 soll der Wettbewerb mit 36 teilnehmenden Einzelkünstlerinnen und -künstlern sowie Kollektiven ausgelobt werden. Pünktlich zum 35. Jubiläum der Leipziger Montagsdemos vom Oktober 1989, die entscheidend zum Kollaps des DDR-Regimes beitrugen, wird dem Plan nach der Sieger feststehen.

Ein Jahr später ist die Grundsteinlegung des Denkmals auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz angesetzt. „Wir brauchen dieses Denkmal als ein Denkmal in Leipzig“, zeigt sich Jennicke überzeugt und verweist zugleich auf die Herausforderung, die Umgestaltung des Platzes mit dem Projekt in Einklang zu bringen.

Eine genaue Endsumme für das Denkmal sei noch nicht abschätzbar. Bisher haben der Bund zwei Millionen Euro und das Land Sachsen 1,5 Millionen Euro in Aussicht gestellt, weitere 75.000 Euro kommen von der Stadt Leipzig.

Ausstellung mit Blick über den Tellerrand

Die Wanderausstellung „Das Denkmal ist …“ wird ab Mittwoch, dem 6. September, in der Raumerweiterungshalle auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz alle Interessierten zum Denkmalprojekt informieren und die Thematik Denkmal aus vielen Perspektiven betrachten. Bis zum 9. Oktober können hier unter anderem heimlich gedrehte Filmaufnahmen von der Leipziger Montagsdemo am 9. Oktober 1989 besichtigt werden, als geschätzt 70.000 Menschen gegen das SED-Regime und Missstände in der DDR auf die Straße gingen. Auch Beispiele wie das Völkerschlachtdenkmal und Denkmalstürze in der Ukraine werden thematisiert.

Die Schau soll täglich von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet sein, sonntags von 12:00 Uhr bis 13:00 Uhr sind jeweils Führungen geplant. Anschließend will sie im kommenden Jahr durch westdeutsche Städte touren, unter anderem sind die Städte Frankfurt, Hannover, Hamburg, Dortmund und Ulm eine Möglichkeit. Gespräche dazu könnten zeitnah beginnen, heißt es.

Generell, so wird betont, sei ein internationaler Bezug auf ähnliche Vorgänge auch international wichtig. Das zentrale Motto der Ausstellung und des Entstehungsprozesses lautet „Das Denkmal ist in der Welt, in Europa, in Deutschland, in Leipzig auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz.“

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