Kaum haben Verwaltung und Stadtrat zum Kiesabbau bei Rückmarsdorf einen schwer errungenen Kompromiss gefunden, geht am anderen Ende der Stadt das nächste Drama um begehrte Rohstoffe los. Die Mitteldeutsche Baustoffe AG hat eine Änderung des planfestgestellten Kiessandtagebaus Zitzschen zwischen Knautnaundorf und Zitzschen beantragt, um dort Kiese und Kiessande im Nassschnitt zu gewinnen, die Abbaugenehmigung von 2030 auf 2052 zu verlängern sowie den anschließenden Verbleib von drei Landschaftsseen festzuschreiben.

Die Stadt Leipzig wurde im November vom Oberbergamt im Verfahren zur Stellungnahme aufgefordert, welche im März im Stadtrat zur Beschlussfassung steht. Denn beide Abbaufelder erstrecken sich im nördlichen Teil auch auf Leipziger Stadtgebiet.

Und das Dezernat Stadtentwicklung und Bau wird in der Stellungnahme der Stadt sehr deutlich, wenn es formuliert: „Alle beteiligten Ämter äußerten Bedenken gegen das Vorhaben. Diese können teilweise durch Nachbesserung der Planungsunterlagen behoben werden.

Es bleibt jedoch der Vorhalt gegen die gravierende Landschaftsveränderung durch die Herstellung von 3 Landschaftsseen und den Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche. Die Seen sollen in einem Gebiet entstehen, das als Folge des Braunkohleabbaus bereits über großflächige Wasserflächen verfügt. Dem Erhalt landwirtschaftlicher Flächen ist daher ein höheres Gewicht zu geben.“

Und auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnt das Ansinnen der Mitteldeutschen Baustoffe AG entschieden ab.

Ausweitungspläne schon 2015

„Bereits 2015 haben wir uns sehr deutlich gegen die Ausweitung des Vorhabens ausgesprochen, da wir über Jahre die Vernichtung sehr wertvoller landwirtschaftlicher Nutzflächen von 178 ha in Kauf hätten nehmen sollen, von denen nach Beurteilung der Landesdirektion lediglich 20 ha wiederhergestellt werden sollten“ geht Michael Schmidt, Stadtrat der Fraktion für den Leipziger Südwesten, auf das Problem dieses neuerlichen Großeingriffs in landwirtschaftlich genutzte Flächen ein.

„Nun beantragt die Mitteldeutsche Baustoffe AG die Abänderung vom Trocken- zu Nassschnitt und will in dem Zusammenhang auch drei Landschaftsseen festgeschrieben bekommen, die nach 2050 im Abbaugebiet zurückbleiben sollen. Für die Wiederherstellung von landwirtschaftlicher Fläche wären dann sogar nur noch 8,11 ha vorgesehen.“

Dies sei, so Schmidt, aus mehreren Gründen inakzeptabel: „Einerseits braucht es diese landwirtschaftlichen Nutzflächen dringend für die regionale Landwirtschaft. Der Landschaftsplan der Stadt Leipzig (2013) stellt auf dem Areal, der sich mit dem geplanten Abbau überschneidet, zudem einen Bereich mit Trockengebietsböden, die eine besondere Schutzwürdigkeit/Schutzbedürftigkeit aufweisen, fest, die sich aus den guten Versickerungseigenschaften des Bodens ergibt. Gerade im siedlungsnahen Bereich sind solche versickerungsfähigen Böden unter dem Aspekt der Klimafolgenanpassung (Starkregenvorsorge) besonders schutzwürdig.“

Außerdem brauche es zur Erfüllung der klimapolitischen Ziele raumverträgliche Potenzialflächen für Erneuerbare Energieanlagen im Bereich Wind und Sonne. Teile der zukünftigen Betriebsflächen stellen bereits heute mögliche Potenzialflächen zur Gewinnung Erneuerbarer Energien aus Sonne und Wind dar und müssten dafür zwingend wiederhergestellt werden, statt sie als Landschaftsseen zurückzulassen.

Weitere Jahrzehnte Raubbau an der Natur

Und besonders frustriert ist man im Leipziger Südwesten, dass statt des für 2030 absehbaren Endes des Kiesabbaus nun auf einmal bis 2052 weiter gebaggert werden soll.

„Der geplante Nassschnitt gefährdet die südwestlichste Leipziger Ortschaft maßgeblich. Laut vorliegendem Schallgutachten verursacht die Nassauskiesung höhere Emissionen als der bisher schalltechnisch untersuchte Trockenschnitt“, stellt Mario Stöbe vom Kulturverein Knautnaundorf e.V. fest, der auch im Ortschaftsrat Hartmannsdorf-Knautnaundorf mitwirkt, fest.

„Der geplante Abbau an der Nordgrenze des Baufeldes 1 würde zudem Überschreitungen der für Wohngebiete vorgegebenen Richtwerte nach sich ziehen.“

Abgesehen davon seien im Umfeld bereits mehrere Windkraftanlagen im Genehmigungsverfahren, deren Geräuschimmissionen vorab Berücksichtigung finden müssten, um nicht am Ende durch den geplanten veränderten Kiesabbau gefährdet zu werden.

„Im Gegensatz zum Kiesabbau, der ursprünglich in sechs Jahren enden und nun um weitere fast 30 Jahre verlängert werden soll und so über weitere Jahrzehnte einen Raubbau an der Natur darstellt, würden erneuerbare Energieanlagen der Ortschaft über das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) nämlich sogar Kompensationszahlungen bringen, die im Dorf mit Sicherheit gute und gemeinwesenorientierte Verwendung finden würden“, sagt Stöbe.

Profit auf Kosten von Mensch und Natur

Gemeinsam formulieren Michael Schmidt und Mario Stöbe ihre ablehnende Haltung zu dieser Ausweitung des Kiesabbaus bei Zitzschen: „Es kommt, wie von Beginn an befürchtet. Der Kiesbetreiber beantragt scheibchenweise einen immer weitergehenden Kiesabbau und rückt dabei immer stärker von Wiederherstellungs- und Renaturierungszusagen ab.

Am Ende eines solchen Prozesses, den nach 50 Jahren Kiesabbau viele gar nicht mehr miterleben werden, bleiben Tagebaurestlöcher, die die Verdunstungsflächen im Leipziger Süden und Südwesten weiter mehren. Der Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche, an Biodiversität und auch an Potenzialflächen für die Energiewende wird so unaufhaltbar weitergehen und zementiert. Es bliebe einzig der Profit für die Baubranche auf Kosten von Mensch und Natur.

Dem muss zwingend Einhalt geboten werden. Man kann im Sinne der Menschen in Knautnaundorf und Zitzschen nur hoffen, dass das für Genehmigungsverfahren zuständige Oberbergamt und die Landesdirektion Vernunft walten lassen und diesem Ansinnen endlich einen Riegel vorschieben.“

Mario Stöbe und Michael Schmidt haben eine Online-Petition gestartet, um den erweiterten Kiesabbau Zitzschen zu verhindern und rufen alle Bürgerinnen und Bürger zur Mitzeichnung auf. Hier kommt man direkt zur Petition.

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