Aus eigener Kraft kann Leipzig den Matthäikirchhof nicht entwickeln. 2024 gab es zwar den Gestaltungswettbewerb für das Filetgrundstück, mit dem ein Teil des alten Stasigebäudes erhalten wird. Aber der ganze Riegel an der Großen Fleischergasse, den einst die Polizei nutzte, muss abgerissen werden. Und genau für diesen Teil sucht die Stadt jetzt einen Investor, der sich am Standort langfristig binden will und hier auch ein neues Solitärgebäude entwickelt und baut. Die Vorlage dazu kam in der Ratsversammlung am 17. Dezember auf den Tisch.

Und eigentlich waren sich die Fraktionen in der Ratsversammlung relativ einig, dass es hier endlich losgehen muss. Denn seit 2017 diskutiert der Stadtrat über die Zukunft des Matthäikirchhofs. Weshalb die Vorlage der Stadt gleich sieben dicke Punkte umfasste.

Gestritten wurde am 17. Dezember aber eigentlich nur um einen Punkt wirklich, Punkt 4: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzeptverfahren (Verkauf/Erbbaurecht) zur Vergabe des Solitärbaugrundstücks (Flurstücke 503, 504, 505, 515/2, 516/2, 517 und 518 der Gemarkung Leipzig bzw. Teilflächen davon) von ca. 1.200 m² mit qualitativen Anforderungen vorzubereiten und vor der finalen Umsetzung dem Stadtrat zu Beschlussfassung vorzulegen.“

Das ist genau das Grundstück mit dem alten Polizeigebäude an der Großen Fleischergasse. Drinnen wütet der Schimmel, das Gebäude ist längst abrissreif. Aber es bietet auch eine Chance: Denn wenn die Stadt hier einen Investor findet, der den alten Bau abreißt und ein attraktives Solitärgebäude hinbaut, ist ein erster wichtiger Aufschlag für die Entwicklung des Matthäikirchhofs erfolgt. Dann steht ein erstes Gebäude und der geplante Freiplatz auf dem Gelände ist geschaffen.

Schweres Thema Erbbaupacht

Gestritten aber wurde am 17. Dezember über die Frage, ob die Stadt das Grundstück nun besser in Erbbaupacht für 99 Jahre vergibt oder verkauft. Ursprünglich war das nicht sortiert. Insbesondere auf Betreiben von Linken, Grünen und SPD wurde jetzt im ersten Schritt eine Konzeptvergabe in Erbbaupacht vorgesehen. Das Grundstück bleibt in städtischer Hand, die Stadt erhält Pacht, der Investor kann aber eigenständig planen.

Herr Marius Wittwer (SPD) im Leipziger Stadtrat am 17.12.2025. Foto: Jan Kaefer
Marius Wittwer (SPD) im Leipziger Stadtrat am 17.12.2025. Foto: Jan Kaefer

Dass er die Sache mit der Erbbaupacht nicht so wirklich begriffen hatte, demonstrierte dann CDU-Stadtrat Falk Dossin, malte gar finstere Szenarien an die Wand, was dann nach 99 Jahren auf die Stadt zukäme. Die Grünen-Stadträtin Dr. Gesine Märtens schaute dann einfach online ins Gesetz – und siehe da: Keins der Horrorszenarien trifft zu. Manchmal darf man regelrecht erschüttert sein, mit welcher Überzeugung einige CDU-Stadträte Unfug am Mikro verbreiten.

Dass man von der AfD-Fraktion nichts anderes erwarten kann, bestätigte dann AfD-Stadtrat Roland Ulbrich in seiner Rede zum AfD-Antrag, der einfach völlig ignorierte, was in der Vorlage der Stadt stand, dafür von Vorhaben sprach, die gar nicht drin standen. SPD-Stadtrat Marius Wittwer fand dafür nur noch die Beschreibung „Irreführung der Öffentlichkeit“.

Wobei ein möglicher Verkauf der Fläche nicht vom Tisch ist, wie Baubürgermeister Thomas Dienberg betonte. Aber im ersten Schritt wolle die Stadt nach einem Investor suchen, der das Grundstück in Erbbaupacht nimmt und ein neues Gebäude darauf entwickelt. Erst wenn das nicht gelingt, will die Stadt einen Verkauf des Grundstücks prüfen.

Frau Sabine Heymann (CDU) im Leipziger Stadtrat am 17.12.2025. Foto: Jan Kaefer
Sabine Heymann (CDU) im Leipziger Stadtrat am 17.12.2025. Foto: Jan Kaefer

Ein Antrag der CDU-Fraktion, für den insbesondere Stadträtin Sabine Heymann redete, ging dann noch etwas ins Detail und wurde auch von Thomas Dienberg in Teilen übernommen. Hier ging es zum Beispiel um die notwendige Konkretisierung zum geplanten Kultur- und Begegnungszentrum.

Auch die Linksfraktion hatte noch zwei Änderungswünsche, bekam aber nur einen in der Abstimmung durch: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die geplanten Wohnbauflächen planerisch vorzubereiten und vor der Umsetzung dem Stadtrat zu Beschlussfassung vorzulegen. Dabei ist unabhängig von der Eigentümerstruktur ein Anteil an sozial gebundenem Wohnraum von mindestens 30 % sicherzustellen.“

Da geht es freilich schon um den Nordteil des Areals, wo sich heute der Parkplatz befindet und der vor allem als Wohnbereich entwickelt werden soll.

Den völlig verpeilten AfD-Antrag, der alle bisherigen Absprachen über den Haufen geworfen hätte, lehnte die Ratsversammlung mit 11:52 Stimmen ab.

Die Vorlage der Stadt bekam dann mit 41:17 Stimmen bei sieben Enthaltungen die notwendige Mehrheit. Neben den diversen Einzelaufträgen an den OBM, die Pläne zum Matthäikirchhof weiter zu konkretisieren, war eben vor allem der Punkt zentral, jetzt auf die Suche nach einem Investor zu gehen, der die Kraft hat, das Grundstück an der Großen Fleischergasse zu entwickeln und sich – wie Dienberg betonte – langfristig an den Standort zu binden.

Der freilich auch den Abriss der alten Polizeigebäude stemmen kann und möglichst auch bereit ist, das Ganze in Erbbaupacht zu bewerkstelligen. Mit dem Aufschlag hofft dann auch OBM Burghard Jung, dass die Entwicklung der anderen Teile des Geländes in Angriff genommen werden kann.

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