Über vier Kilometer lang ist die Hallesche Straße in Lützschena-Stahmeln. Doch an der ganzen Straße gibt es keinen Nahversorger. Die Bewohner des Ortsteils müssen sich ins Auto schwingen und außerhalb ihre Einkäufe erledigen. Weshalb nicht nur der Ortschaftsrat Lützschena-Stahmeln davon träumt, dass es auf der Mitte der Straße bald einen eigenen Nahversorger gibt. Das Grundstück Hallesche Straße 116 gehört der Stadt.
Den zu finden, war die Stadt schon vor drei Jahren vom Grundstücksverkehrsausschuss aufgefordert worden. Nur: Das hat leider nicht geklappt. Am 17. Dezember kam das Thema also wieder in den Stadtrat.
Diesmal unter veränderten Vorzeichen. Denn inzwischen ist auch der Bebauungsplan Nr. 445 („Zur Alten Brauerei“) in Kraft getreten. Nördlich des Grundstückes entstehen über 500 zusätzliche Wohnungen auf dem Gelände der einstigen Sternburg-Brauerei. Rund 1.500 Menschen werden hier in den nächsten Jahren zusätzlich ein Zuhause finden. Damit steigt der Bedarf an wohnortnahen Einkaufsmöglichkeiten.
Warum hat sich dann aber in den letzten drei Jahren kein Investor gefunden, die direkt hier ein modernes Nahversorgungszentrum baut? Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke erläuterte das am 17. Dezember in der Ratsversammlung recht ausführlich. Denn die Investoren zeigten durchaus Interesse.
Zwei hatten sogar recht anspruchsvolle Entwürfe vorgelegt. Nur an einem scheiterte dann eine wirkliche Umsetzung: Der Grundstücksverkehrsauschuss hatte – den Selbstbindungen des Stadtrats entsprechend – die Verwaltung beauftragt, das Grundstück nur in Erbbaupacht zu vergeben. Was auch Schülke nicht verkehrt fand.
Nur die Banken tun sich damit schwer, stellt die Vorlage aus dem Wirtschaftsdezernat fest: „Dennoch hat der Erstplatzierte letztlich abgesagt, verbunden mit folgender Begründung: Das Erbbaurecht erschwert die Finanzierung. Banken akzeptieren in der Regel ein Erbbaurecht nicht als ausreichende Sicherheit, da dieses Recht kaum fungibel ist, ein Kauf wird für die Projektfinanzierung und -realisierung bevorzugt.“
Was nun so eine Art Gordischen Knoten ergab: Die Stadt würde das Grundstück gern in Erbbaupacht halten, aber die Investoren bekommen dann das Ganze nicht von der Bank finanziert. Also legte Clemens Schülke am 17. Dezember eine Vorlage vor, die jetzt den Verkauf des Grundstücks an einen möglichen Investor vorsieht. Denn anders, so sieht es aus, kommt die Stadt hier nicht zu einem Nahversorger.
Wobei es ja nicht nur ein Supermarkt werden soll, sondern auch ein Gemeindezentrum, das Lützschena-Stahmeln so bis heute auch nicht hat. Hier würden Vereine und Bücherei ihren Platz finden und ein Raum müsste geschaffen werden, der groß genug wäre, auch die Ortschaftsratssitzungen aufzunehmen, zu denen in der Regel bis zu 80 Gäste kommen.

Weshalb sich Ortsvorsteherin Eva-Maria Schule am 17. Dezember glücklich zeigte, dass sich die Stadt nun doch umentschieden hat und nicht mehr krampfhaft an der Erbbaupacht festhält, die gerade an dieser Stelle ganz offensichtlich nicht funktioniert. Vielleicht ist es ja wirklich der konkrete Platz, so Schülke, der die Erbbaupacht nicht sinnvoll macht.
Zwar warb Dr. Tobias Peter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, noch einmal für die Erbbaupacht.
Aber tatsächlich tickt in Lützschena-Stahmeln die Uhr. Das Wohnensemble an der Alten Brauerei füllt sich. Der Bedarf an einem Nahversorger wächst zusehends. Und so hatte das Wirtschaftsdezernat eben vorgeschlagen: „Für das Grundstück Hallesche Straße 116 ist ein Konzeptverfahren zum Verkauf durchzuführen, verbunden mit dem Ziel, einen Nahversorger anzusiedeln sowie eine Mietoption zugunsten der Stadt Leipzig (insbesondere für den Ortschaftsrat, Vereine) zu vereinbaren. Das Mindestgebot beträgt 1 Mio. EUR.“
Ein bisschen spät, fand SPD-Stadtrat Andreas Geisler. Hier hätte schon früher reagiert werden können, nachdem die potenziellen Investoren ihre Bauchschmerzen geäußert haben. Die Stadtratsmehrheit folgte am 17. Dezember dem Vorschlag der Verwaltung und stimmte mit 36:21 Stimmen der Vorlage zu. Die Ausschreibung kann also gestartet werden.
Und wenn sich einer der schon interessierten Investoren tatsächlich bereit erklärt, ein Angebot abzugeben, könnte – so die Vorlage – noch vor dem Sommer der Kaufvertrag unterschrieben werden, sodass in Lützschena-Stahmeln tatsächlich zeitnah ein Nahversorger gebaut werden kann.
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Keine Kommentare bisher
Interessant, lieber Autor, damit es Banken, denen das Wohl von Lützschena-Stahmeln im Grunde Wurst sein wird, in der Papierform schöner haben, muß öffenlticher Grund veräußert werden, auch wenn es eben nicht nur um einen Einkaufsladen, sondern um Räume für die Öffentlichkeit geht? Das ist doch ein Offenbarungseid hinsichtlich des Stellenwerts kommunaler Interessen! Hoch lebe die https://de.wikipedia.org/wiki/Fungibilität – ein Terminus, von dem ich bis eben nichts wußte. Die Kommune wird zur Veräußerung gezwungen, weil irgendwelche Banken, bei denen werweißwelche Einzelhandelsunternehmen vorstellig werden, sich mit Erbbaurecht schwertun? Ich verstehe Dr. Peters Gegenhalten vollkommen. Woher kamen eigentlich anderen Ablehnungsstimmen?