Ab Freitagmittag fanden in der Stadt zahlreiche Aktionen und Kundgebungen unter dem Motto „no more empty promises“ (dt.: keine leeren Versprechen mehr) im Rahmen des Globalen Klimastreiks statt. Zahlreiche Teilnehmer/-innen vor Ort beteiligten sich an den dezentral gestalteten Protesten. Aufgerufen zum Streik hatte das Bündnis „Leipzig fürs Klima“, ein Zusammenschluss aus über zwanzig Leipziger Gruppen, Institutionen und Vereinen, die sich für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit einsetzen.

Mit symbolischer Wirkung begann der Klimastreik bereits in den frühen Morgenstunden – nämlich, als auf einmal dicke weiße Flocken vom Himmel rieselten. Wie um zu beweisen, dass das Wetter in den nächsten Jahren immer unberechenbarer werden könnte, gaben sich Sonnenschein und Hagelschauer in den darauffolgenden Stunden die Klinke in die Hand.

Während die Streik-Aktionen auf dem Augustusplatz, dem Wilhelm-Leuschner-Platz und am Floßplatz ab 14 Uhr starteten, wurde an der Probsteikirche bereits am Mittag ein Klimagebet abgehalten. Auch am Neuen Rathaus machten Mitglieder/-innen von „Leipzig fürs Klima“ schon vor „offiziellem“ Streik-Beginn ihre Forderungen deutlich.

Preisverleihung für leere Versprechen

Dort wurde um 13.30 Uhr sozusagen der rote Teppich ausgerollt. Mit einer Preisverleihung für die leersten Versprechen der Leipziger Klimapolitik kritisierten Mitglieder von Extinction Rebellion Leipzig die bisher verhaltene Konsequenz der Stadt in puncto Klima.

„Die Stadt hinkt bei der Erfüllung der beschlossenen Ziele schon jetzt hinterher. Wenn der aktuelle Trend so fortgesetzt wird, ist unser CO2-Budget bereits in fünf Jahren, 2026, komplett aufgebraucht“, so die Aktivist/-innen. Kritik an der Verwaltung hagelte es unter anderem für den mangelhaften Ausbau von Radwegen, für die Zerstörung und Bebauung von Frei- und Naturflächen sowie für den Bau eines Gaskraftwerks im Süden von Leipzig.

Klimaquiz, Kundgebungen und Infostände

Richtig „Aufwind“ nahm der Streik am frühen Nachmittag. Ab 14 Uhr fanden jeweils auf dem Augustusplatz, dem Wilhelm-Leuschner-Platz und dem Floßplatz Kundgebungen und Informationsveranstaltungen statt. Immer wieder merkten Teilnehmer/-innen im Gespräch mit der LZ die Schwierigkeit des Kampfes für Klimagerechtigkeit vor dem Hintergrund Corona an. Die Pandemie habe der Klima-Bewegung großen Abbruch getan.

Das Erreichen der Klimaziele und die Reduzierung der CO2-Emission dürfe aber auch in Zeiten von Corona nicht auf den Nebenschauplatz wandern, so eine Sprecherin der Ortsgruppe von „Parents for Future“. Deren Mitglieder machten mit einem Banner auf dem Roßplatz Autofahrer/-innen auf ihre Forderungen aufmerksam.

Radfahrer/-innen freuten sich besonders über den Pop-Up-Radweg, der ab 14 Uhr von der Dufourstraße über die Harkortstraße zum Ring führte. Schon in der letzten Woche hatten Umweltverbände, wie der Ökolöwe, der ADFC, Greenpeace Leipzig und der BUND Leipzig mit einem Aktionstag vorübergehende Radwege auf die Straße gebracht. Diese Pop-Up-Bike-Lanes sollen vor allem an hochbefahrenen Straßen mehr Sicherheit für Radfahrende schaffen.

Auch das wechselhafte Wetter tat der Stimmung beim Klimastreik keinen Abbruch: Am späten Nachmittag verwandelte sich die Veranstaltung, an der unter anderem Mitglieder von Fridays for Future beteiligt waren, zum Spontan-Tanz im Schneegestöber.

Straßenblockade am Neuen Rathaus

Am späten Nachmittag wurden auch Autofahrer/-innen im Feierabendverkehr am Streik „beteiligt“. Gegen 16 Uhr besetzten Aktivist/-innen der Ortsgruppe von Extinction Rebellion eine Fahrspur auf der Kreuzung Roßplatz/Harkortstraße vor dem Neuen Rathaus. Einige der Beteiligten klebten sich mit Sekundenkleber die Hände auf der Straße fest, um eine Räumung der Blockade gegebenenfalls in die Länge zu ziehen.

„Man muss inzwischen über das Mittel der Demonstration hinausgehen. Es braucht Menschen, die sich den Gesetzen widersetzen, um etwas zu verändern. Irgendwann interessiert es niemanden mehr, dass die Menschen auf die Straße gehen“, erklärt XR-Mitglied Kristoph die Aktion.

Impressionen vom Klimastreik. Video: LZ, Sabine Eicker

Etwa 15 Minuten dauerte es, bis auch die Polizei auf den Plan gerufen war. Mehrere Transporter umstellten den Protest, blieben verhältnismäßig teilnahmslos. Zunächst wurden Mitarbeiter/-innen des Ordnungsamts gerufen, die Kundgebung wurde angemeldet. Die Aktivist/-innen forderten Oberbürgermeister Burkhard Jung zum Gespräch nach draußen.

Nach einiger Vermittlung durch Linke-Landtagsabgeordneten Marco Böhme einigte man sich auf ein Gespräch mit Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke).

Rosenthal stellte sich den Fragen der Aktivist/-innen, die zuvor angekündigt hatten, die Straße auch weiterhin zu besetzen, sollte keiner der Verantwortlichen zum Gespräch bereit sein. „Das Sofortmaßnahmenprogramm ist in der Umsetzung. Wir haben uns für 2021/2022 insgesamt 24 Maßnahmen vorgenommen, da sind wir dran“, so der Umweltbürgermeister im Gespräch. Über den aktuellen Umsetzungsstand des Sofortprogramms sollen die Leipziger/-innen in den nächsten Wochen informiert werden. „Dann könne man weiter diskutieren.“

„Wenn Sie genug tun würden, hätten wir nicht in fünf Jahren unser CO2-Budget aufgebraucht“, konfrontierte Clara, XR-Sprecherin, Rosenthal direkt. „Das große Ziel ist die Klimaneutralität 2050“, so Rosenthal. „Wenn wir das Sofortmaßnahmenprogramm eins zu eins umsetzen können, dann tun wir auf dem Weg zur Klimaneutralität das, was wir leisten können.“

Video: LZ, Sabine Eicker

Auch aus Sicht anderer Umwelt- und Klimagruppen müsse die Stadt mehr machen, erklärte Leipzigs Umweltbürgermeister, der direkt aus einer Videokonferenz mit Mitgliedern von Fridays for Future kam. „Wir haben über die Beteiligungsformate gesprochen – wie gelingt es uns, die vielen Akteur/-innen mit ihren unterschiedlichen Ideen und Perspektiven einzubinden?“

Dazu solle in den nächsten Wochen ein neuer Vorschlag vonseiten der Stadt folgen.

Der Druck von außen wächst freundlich aber bestimmt. Die Omas for Future und die Parents bei der Übergabe der Klimawünsche an OB Jung 2020. Rechts Steffen Peschel, daneben Cordula Weimann (Omas for Future). Foto: LZ
Der Druck von außen wächst freundlich aber bestimmt. Die Omas for Future und die Parents bei der Übergabe der Klimawünsche an OB Jung 2020. Rechts Steffen Peschel, daneben Cordula Weimann (Omas for Future). Foto: LZ

Steffen Peschel, der für die Parents for Future Leipzig heute am intensiven Gespräch mit Leipzigs Umweltbürgermeister teilnahm, fasste im Nachgang seine Eindrücke zusammen: „Ich bin froh, dass jetzt endlich ein gemeinsames Gespräch mit Herrn Rosenthal und Herrn Wasem zustande kam. Das hätte ich gern schon viel früher gemacht, auch weil in diesem Gespräch sehr deutlich wurde, wie sinnvoll dieser Austausch für alle ist.“

Im Endeffekt bleibe aber Parents for Future „in Stellung“. Peschel weiter: „Herr Rosenthal hat zum Beispiel klar zugesagt, noch einmal konkreter die Beteiligung & Einbindung der Zivilgesellschaft beim Klimaschutz zu prüfen. Mehr Beteiligung ist eine unserer fünf Kernforderungen, das muss also auch sehr konkret werden und vor allen Dinge auch eine größere Anzahl an Akteuren der Bürgergesellschaft einbeziehen.“

Keine leeren Versprechen mehr

Seit Oktober 2019 gilt in Leipzig der Klimanotstand. Schon im Januar hatte „Leipzig fürs Klima“ einen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung veröffentlicht, in dem sie das Stadtoberhaupt und die Verwaltung aufforderten, mehr Tempo bei der Umsetzung von Ratsbeschlüssen und Maßnahmen zum Klimaschutz an den Tag zu legen.

„Machen Sie Klimaschutz endlich zur Chefsache!“, wendete sich das Bündnis direkt an den OBM und kritisierte, dass trotz beschlossenem Notstand die Bekämpfung der Klimakrise noch immer nicht die Priorität im Verwaltungshandeln hätte, die es benötige.

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