Die Antwort war dann kurz und knapp von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal: Es gibt in der Stadtverwaltung kein extra Personal, das im Stadtgebiet nach schützenswerten Bäumen sucht. Nachgefragt hatte Linke-Stadtrat Michael Neuhaus. Denn was die Verwaltung auf eine Einwohneranfrage von Kirsten Craß vom NABU Leipzig geantwortet hatte, war eher das Eingeständnis, dass Baumschutz in Leipzig ein kleiner Spagat ist.

Zuvor gab es schon reihenweise Enttäuschungen beim NABU Leipzig, der sich seit Jahren intensiv darum bemüht, in Leipzig Bäume unter Schutz gestellt zu bekommen. Doch die Liste der geschützten Bäume wird immer kürzer statt länger.

„In der Stadt Leipzig sind laut offizieller Internetseite 148 Baum-Naturdenkmale (davon 133 Einzelbäume, 8 Baumgruppen, 3 Alleen und 4 Weinstöcke) unter Schutz gestellt. Die ursprüngliche Liste enthielt einmal 177 Einzelbäume. Es würde der nachhaltig und klimaschützenden Stadt Leipzig gut anstehen, wenn diese Verluste von 29 Bäumen wieder durch neue Unterschutzstellungen ausgeglichen und gemehrt werden“, hatte Kirsten Craß aufgelistet.

Und natürlich kann die Stadt Leipzig per Verordnung die Verluste wieder auffüllen.

Die Antwort der Stadt auf die Anfrage des NABU Leipzig.

Aber damit tut sich Leipzigs Umweltverwaltung schwer, wie Kirsten Craß feststellte: „Im Januar 2022 hat der NABU Regionalverband Leipzig 10 Bäume im Stadtgebiet an das Amt für Umweltschutz zur Prüfung gemeldet, im Juli 2022 weitere 14 Bäume, in Summe 24 Bäume. Bis Januar 2023 wurden 6 Bäume geprüft und als nicht schutzwürdig eingeschätzt. Darunter zum Beispiel ein 140 Jahre alter Silberahorn, welcher nicht unter Schutz gestellt werden könne, da bereits Schnittmaßnahmen durchgeführt wurden und wahrscheinlich Eingriffe in den Wurzelraum geplant sind.“

Das könnte der Silberahorn am ehemaligen Bowlingtrreff sein, den die Stadt zur Fällung vorgesehen hat. Denn westlich der Markthallenstraße am Wilhelm-Leuschner-Platz dürfte kein einziger Baum stehen bleiben, wie die Verwaltung im Februar miteilte.

Die Dürre setzt den geschützten Bäumen zu

Dass es nicht immer Baupläne sind, die alte Bäume im Stadtgebiet zum Sturz bringen, machte dann das Amt für Umweltschutz in seiner Antwort deutlich: „In den letzten 5 Jahren konnten keine Naturdenkmale neu ausgewiesen werden. Insbesondere durch die zwei aufeinanderfolgenden extremen Trockenjahre 2018/2019 erlitten viele Baum-Naturdenkmale (Trocken-)Schäden, weshalb der Fokus auf die Gewährleistung von Verkehrssicherheit gelegt werden musste. So waren im Jahr 2021 an 121 Baum-Naturdenkmalen mit 604 Einzelbäumen insgesamt 344 Verkehrssicherungs- bzw. Pflegemaßnahmen umzusetzen; im Jahr 2022 an 118 Baum-Naturdenkmalen mit 595 Einzelbäumen immerhin noch 70 Verkehrssicherungs- bzw. Pflegemaßnahmen.“

Was ja im Klartext heißt: Die zunehmenden Dürrejahre machen ausgerechnet den wertvollen Altbäumen in Leipzig zu schaffen.

„Weiterhin gab die Behörde bekannt, dass die Vorschläge das NABU als Antrag mit Kosten verbunden werden“, hatte Kirsten Craß festgestellt. Muss also der NABU, der die meisten potenziellen Naturdenkmale bei der Stadt anzeigt, also auch noch dafür zahlen, dass die Unterschutzstellung geprüft wird?

Aber da hat man es dann wieder einmal mit der deutschen Bürokratie zu tun.

Das erklärt das Amt für Umweltschutz dann auch: „Fachliche Anregungen von Dritten wie dem NABU werden durch die untere Naturschutzbehörde im Rahmen der personellen Kapazitäten geprüft. Derartige Anregungen sind selbstverständlich nicht kostenpflichtig. Dem NABU Leipzig wurde – nachdem bei der unteren Naturschutzbehörde explizit ‚Anträge‘ auf Ausweisung von Naturdenkmalen gestellt wurden – mitgeteilt, dass die ‚Anträge‘ als ‚Anregung‘ gewertet werden. Es wurde um Hinweis gebeten für den Fall, dass der gestellte ‚Antrag‘ tatsächlich als förmlicher, rechtsmittelfähiger Antrag gemeint war. Nur für den Fall wurde seitens der unteren Naturschutzbehörde eine kostenpflichtige Ablehnung in Aussicht gestellt (aus rein formellen Gründen mangels eines subjektiv öffentlichen Antragsrechts des NABU).“

Was einmal mehr bestätigt, wie wenige Rechte Naturschutzverbände in Deutschland tatsächlich genießen. Eine „Anregung“ ist natürlich überhaupt kein rechtlich verbindlicher Vorgang. Es liegt im Ermessen der Behörde, ob sie dem nachgeht. Was das Amt für Naturschutz augenscheinlich tut.

Kein Extra-Personal

Aber tatsächlich hat es kein extra Personal, um solche Prüfungen vorzunehmen. Und das vorhandene Personal ist derzeit in zwei anderen Verfahren gebunden, teilt das Amt für Umweltschutz mit: „Aktuell erfolgt eine Fokussierung auf die Neuausweisung eines neuen Naturschutzgebietes (NSG ‚Bläulingswiesen und Vorholz bei Holzhausen‘) sowie die Erweiterung und Rechtsanpassung eines bereits bestehenden Schutzgebietes (LSG ‚Nördliche Rietzschke‘) im Rahmen des behördlichen Ermessensspielraumes. Für die Neuausweisung weiterer Naturdenkmale müssten diese zeitintensiven Verfahren hinten angestellt werden.“

Immerhin erfährt man so beiläufig, dass Leipzig in Holzhausen ein neues Naturschutzgebiet bekommen soll. Und dass das Landschaftsschutzgebiet „Nördliche Rietzschke“ erweitert werden soll. Was im Zusammenhang mit dem neuen Baugebiet östlich der Bremer Straße in Gohlis ein Thema ist, das in der Februar-Ratsversammlung für eine kleine Debatte gesorgt hatte.

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Natürlich hätte man den Silberahorn auf dem Leuschnerplatz mit wenig Verwaltungsaufwand einstweilig als Baum-ND sicherstellen können. Aber das war nicht gewollt, vom (grün geführten) Baudezernat sowieso nicht, auch vom Amt für Umweltschutz nicht, sicherlich auch nicht von der Leitung der unteren Naturschutzbehörde. Warum: Weil Unterschutzstellungen nicht sein dürfen, v.a. nicht dann, wenn sie Investorenträumen entgegen stehen können. Und wenn Bäume durch Investorenträume nicht akut gefährdet sind, sagt man, dass man sie nicht unter Schutz stellt, weil sie nicht schutzbedürftig sind und durch die Baumschutzsatzung geschützt seien (was natürlich so nicht stimmt, denn die Baumschutzsatzung kann Fällungen zumeist nicht wirksam verhindern, zumindest die Verwaltungspraxis sieht so aus). So einfach kann das Leben sein.
Lustig finde ich hier auch, dass Michael Neuhaus sich hier als Baumschützer aufspielt. Er weiß ja nicht mal, durch welche Paragraphen des BNAtSchG Bäume generell geschützt sind. Dies hat er ja eindrucksvoll bei der Stadtratssitzung am 9. Februar (Einwohneranfragen) unter Beweis gestellt, wie auch seine Baum-Ab-Mentalität (kein Schutz für Bäume auf dem Leuschnerplatz).

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