Eins der Themen, die erst in den letzten Jahren heiß diskutiert wurden, war ja die lange kaum sichtbare Tatsache, dass immer mehr Leipziger Familien mit Kindern ins Leipziger Umland abwandern. Für die Bürgermeister in den Umlandgemeinden ist das ein Segen, denn es stabilisiert die Bevölkerungszahl. Aber Leipzig verliert damit Kinder und es bremst sogar das Leipziger Wachstum. Obwohl: Die jungen Familien sind daran bestimmt nicht schuld.

Denn die Bürgerumfrage macht sehr deutlich, dass viele der Umzüge schlicht deshalb passieren, weil die jungen Familien in der Stadt nicht mehr die passenden Wohnungsgrößen finden. Das wird in der Frage nach den Gründen für Umzüge sehr deutlich:

„Während bei jungen Erwachsenen die präferierte Wohnungsgröße der neuen Wohnung im Vergleich zur aktuellen zunimmt (+12 Quadratmeter), sinkt sie bei den über 50-Jährigen. Familien mit Kind(ern) im Haushalt benötigen mit 100 Quadratmetern Wohnfläche (Median) eine deutlich größere Wohnung, als Personen ohne Kind im Haushalt (Median: 70 Quadratmeter). Je höher das persönliche Nettoeinkommen der Befragten ist, desto größer soll auch die zukünftige Wohnung sein.“

Und so bestätigt der Bericht zur Bürgerumfrage 2021 auch erstmals deutlich, dass die Abwanderung ins Umland seit 2014 deutlich zugenommen hat.

Die Umzugsabsichten der Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2021
Die Umzugsabsichten der Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2021

„Wie bereits gezeigt, geben zunächst zunehmend mehr Befragte an, einen Umzug in das Leipziger Umland zu planen“, kann man im Bericht lesen.

„Dieser Fortzugswunsch hat sich mit kurzem Zeitverzug in den realisierten Umzügen niedergeschlagen, denn die Dynamik der Fortzüge in die beiden sächsischen Umlandkreise nahm seit 2017 in der Tat nochmals deutlich zu. Die etwas geringere Anzahl realisierter Fortzüge in 2020 sind eine Folge der Pandemie, die in der 2019 erfragten Umzugsabsicht noch nicht absehbar war.“

Und dass das etwas mit Familiengründung oder -erweiterung zu tun hat, macht die Analyse sichtbar:

„Die Struktur der Haushalte, die in den nächsten zwei Jahren (möglicherweise) ins Leipziger Umland ziehen möchten, unterscheidet sich deutlich von den anderen Zielgebieten. Die Hälfte der Haushalte sind Paare mit und ohne Kind(er). Damit liegt der Anteil der Paarhaushalte ungefähr doppelt so hoch wie bei innerstädtischen Wanderungen oder bei Fernwanderungen. Zusammen mit den alleinerziehenden Haushalten stellen somit Paar- und Familienhaushalte die Mehrheit. Circa 40 Prozent der Haushalte mit Wanderungsziel ‚Stadtumland‘ sind Singles.“

Auch den Umzug ins Umland muss man sich leisten können

Aber es sind eben nicht die einkommenschwächeren Familien, die abwandern. Denn der Umzug bedeutet ja in mehrfacher Hinsicht auch wieder eine finanzielle Belastung – sei es beim Erwerb eines Eigenheims, sei es die dann notwendige tägliche Fahrt zur Arbeit in Leipzig. Denn den Arbeitsplatz Leipzig behalten ja die Umzugswilligen in der Regel.

Und so ist es dann auch eine bestimmte Gruppe, die da ins Umland umzieht:

„Betrachtet man die Gruppe der potenziellen Suburbanisier/-innen hinsichtlich ihrer Einkommenssituation, zeigt sich, dass aktuell eher einkommensstarke Familien aus der Stadt Leipzig ins Umland ziehen möchten. Circa zwei Drittel der Haushalte, die (möglicherweise) einen Umzug ins Leipziger Umland planen, gehören der oberen Mittelschicht oder der einkommensreichen Bevölkerung an. Im Mittel liegt das Nettoäquivalenzeinkommen der potenziellen Suburbanisierer/-innen bei ca. 2.070 Euro im Monat und somit deutlich über den angegebenen Vergleichswerten von Haushalten mit anderen Umzugszielen und auch deutlich über dem gesamtstädtischen Vergleichswert (ca. 1.730 Euro).“

Leipzig reagiert darauf ja bekanntlich mit dem Versuch, neue Eigenheimstandorte im Stadtgebiet auszuweisen, um die steuerkräftigen Paare in der Stadt zu halten.

Aber möglicherweise erzählt die verstärkte Abwanderung eben von einem völlig anderen Mangel, nämlich dem Fehlen familiengerechter Wohnungen in der Stadt – groß genug zur Umsetzung von Kinderwünschen und auch für junge Familien bezahlbar. Dass – neben bezahlbaren Wohnungen für Singles – gerade Wohnungen für Familien mit Kindern fehlen, ist der Stadtverwaltung seit Jahren bekannt.

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