Zur Stunde sitzt der Aufsichtsrat der Stadtwerke Leipzig beieinander und berät, 18 Uhr soll der Tagesordnungspunkt Fernwärmevertrag mit dem Kraftwerk Lippendorf und die Möglichkeiten der Stadtwerke Leipzig anstehen. Wenige Stunden vor dem Zusammenkommen war es hektisch geworden und nun warten alle gespannt auf die Ergebnisse der Beratungen. Denn der Ausstieg Leipzigs aus der Braunkohle-Energie steht wieder zur Debatte, obwohl es noch Ende 2018 ganz sicher schien, 2023 das Ende für die fast 600.000-Einwohnerstadt zu erreichen. Zuvor gab es also eine eilige Demonstration vor dem SWL-Gebäude an der Eutritzscher und jede Menge Gerüchte.

Die Ausgangslage zumindest hatte sich vor der Aufsichtsratssitzung unter Beteiligung von Stadträten aus allen Fraktionen zumindest noch einmal deutlich geschärft. Für den Kraftwerksbetreiber LEAG geht es letztlich darum, die „Systemrelevanz“ seines Kraftwerkes in Lippendorf zu erhalten. Dabei wäre es eben doch nicht so unwichtig, wie das Unternehmen gern durchblicken ließ, dass der Abwärmekunde Leipzig und damit ein relevanter Partner erhalten bliebe. Anderenfalls sinkt einfach die Wichtigkeit des Standortes vor Leipzig, die Schließung im Rahmen des Braunkohleausstieges rückt so schneller näher.

Auf der anderen Seite – und dazu sollte man wohl die Ergebnisse der heutigen Sitzung abwarten – scheinen die LVV und die Stadtwerke ein Problem mit der Errichtung und rechtzeitigen Inbetriebnahme des neuen Gaskraftwerkes bis vor dem überlegten Ausstiegstermin zu haben. So jedenfalls wäre am ehesten erklärbar, warum es auf einmal gerüchtehalber doch wieder zu Verhandlungen mit der LEAG für einen weiteren Versorgungsvertrag bis 2030 kommen soll.

Mindestens aber bekäme mit diesen (noch nicht gesicherten) eigenen finanziellen oder technischen Problemen der SWL und der LVV der Braunkohlepartner LEAG gute Karten in die Hand, eine Versorgungslücke zu prognostizieren und bedeutend bessere Konditionen in den anstehenden Verhandlungen zu erzielen. Besser jedenfalls, als bei einem simplen Aus- und Umstieg Leipzigs 2023, denn dann würde Lippendorf für die Fernwärme nicht mehr gebraucht.

Mit der so möglichen Drohung, es 2023 mal in Leipzig für nicht wenige Bürger „kalt werden zu lassen“ als Sicherheitsgarantie für sich bis 2030 auszuhandeln, aber nur bis beispielsweise 2024 oder 2025 real gebraucht zu werden, da dann die Wärme- und Energieerzeugung aus dem Gaskraftwerk der SWL gesichert wäre.

Es ist in jedem Falle eine Art Tauziehen im Gange, bei dem es auch für die LEAG erwartungsgemäß um einiges geht. Denn im Weiteren lauern neue Schadstoffrichtlinien, die die zwingen dürfte, in zirka zwei Jahren Lippendorf teuer nachrüsten zu müssen. Oder, steigen zudem noch die CO2-Preise weiter an, auch wegen fehlender Rentabilität vom Markt zu nehmen. Da käme die „Systemrelevanz“ durchaus recht, um sich im Zweifel auch bei der Nachrüstung noch einmal vom Steuerzahler unter die Arme greifen zu lassen.

Wie der Fach-Aufsichtsrat heute entscheidet, wollte und konnte keiner der am Tor angetroffenen Stadträte und auch LVV-Geschäftsführer Karsten Rogall sagen. Die Grünen wollen um den im Stadtrat beschlossenen Ausstieg kämpfen, wissen aber auch noch nicht so richtig, welche Informationen die LVV nun nach ihrer Prüfung des Stadtratsauftrages dazu vorlegen wird. Martin Hilbrecht vom BUND Leipzig jedenfalls gab schon einmal mit auf den Weg, dass man nach dem Beschluss entscheiden würde, ob man die Kampagne verstärken oder aussetzen wird.

In dieser geht es unter anderem darum, seine Energieverträge bei der SWL zu kündigen, um Druck zum Umstieg aufzubauen. Die zirka 40 bis 50 kurzfristig zur Demonstration erschienenen Demonstranten hatten jedenfalls heute wenig Lust auf weitere Jahre Kohle-Energie für Leipzig.

Ganz gleich, wie also die Beschlusslage, welcher üblicherweise auch der gesamt-LVV-Aufsichtsrat später folgt, heute Abend oder Nacht sein wird, die LVV wird sie gut erklären müssen.

Das Zusammentreffen von BUND-Geschäftsführer Martin Hilbrecht mit Karsten Rogall am Tor des SWL-Betriebsgeländes, eine eigene Einordnung der Vorgänge seitens des BUND, ein Gespräch mit Gesine Märtens (Stadträtin, Die Grünen) und Impressionen von der Demonstration finden sich im Videobeitrag.

Video: L-IZ.de

Leipzigs Kohleausstieg ist so oder so eine Niederlage für die sächsische CDU

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Es gibt 3 Kommentare

Nein, nicht wirklich eine Klärung. Schin gar keine Erklärung.
Es ist nicht nur unwahrscheinlich, daß die GF diese Szenarien nicht durchgespielt hat. Wenn das Klärschlammgeschäft eine vergleichbare Größenordnung ist, auf jeden Fall. Im anderen Fall natürlich auch.

Nein, als Jung vorgeprescht ist, gab es die Kohlemilliarden noch nicht. Nun ist guter Rat teuer, der Draht zum SPD-Chef und Wirtschaftsminister aber kurz. Hier haben beide eine Deal eingefädelt. Die GF der LVV muß sich ganz schön deppert vorkommen.

“Auf der anderen Seite – und dazu sollte man wohl die Ergebnisse der heutigen Sitzung abwarten – scheinen die LVV und die Stadtwerke ein Problem mit der Errichtung und rechtzeitigen Inbetriebnahme des neuen Gaskraftwerkes bis vor dem überlegten Ausstiegstermin zu haben. So jedenfalls wäre am ehesten erklärbar, warum es auf einmal gerüchtehalber doch wieder zu Verhandlungen mit der LEAG für einen weiteren Versorgungsvertrag bis 2030 kommen soll.”
Problem mit Errichtung und Inbetriebnahme? Sind da Laien am Werk gewesen und mit den Planungen unabgesprochen vorgeprescht? Eher nicht.
Am ehesten?
Für mich wäre ein Deal im Zusammenhang mit den Kohleausstiegsmilliarden am wahrscheinlichsten. Eine” Belohnung” für Leipzig für eine längere Vertragslaufzeit.
wenn

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