„Kunst ist ein Reflexionspunkt und Ort sozialer Begegnung. Wir als Gesellschaft brauchen Kunst und Künstler/-innen.“ Elisa Ueberschär ist Leipziger Schauspielerin und bangt wie viele andere freischaffende Künstler/-innen in der Pandemie um ihre Zukunft. Von Oktober bis Dezember war sie eine der 50 Stipendiat/-innen, deren künstlerisches Schaffen über ein Programm der Stadt finanziert wurde.

Leipzig förderte außerdem digitale Kleinprojekte, und das Hilfsprogramm für Soloselbstständige sprach im vergangenen Sommer vor allem die Kulturszene an: Fast die Hälfte der bereitgestellten fünf Millionen Euro wurde an Anträge aus den Bereichen Musik und Kunst ausgezahlt. Nun richten sich die besorgten Blicke der von der Pandemie besonders betroffenen Kunstschaffenden auf ein neues Thema: der Haushaltsplan der Stadt Leipzig für die Jahre 2021 und 2022.

Schon im November 2019 begann der langwierige Planungsprozess. Von den verschiedenen Ämtern – so auch dem Dezernat Kultur – wurden die finanziellen Bedarfe angemeldet, bevor die Coronakrise im März 2020 auch diesen Prozess zum Erliegen brachte. So verschob sich das Verfahren drei Monate nach hinten; im Juli wurden dann erneut Gespräche begonnen und die Pandemie rückte zunehmend in den Fokus der Haushaltsplanung. 90 Prozent der Themen für den jetzigen Doppelhaushalt wurden ausgeschlossen und die restlichen in den Stadtrat eingebracht.

Im Dezember wurde der Entwurf dann öffentlich ausgelegt und Bürger/-inneneinwände konnten eingebracht werden. Im Januar konnten die Fraktionen ihre Statements abgeben. Tobias Kobe, persönlicher Referent der Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke), berichtet schon jetzt, dass der Bereich Kultur bei den Anträgen stark im Fokus steht.

„Stand heute liegen allein über 60 Haushaltsanträge der Fraktionen sowie Bürger/-inneneinwände vor, die finanzielle Veränderungen direkt und indirekt auch im Bereich der Kultur zur Folge haben könnten.“ Inwieweit die Einwände tatsächlich in die finale Beschlussfassung Ende März eingehen, sei noch unklar. Dies würde erst in den kommenden Wochen ausdiskutiert und entschieden werden.

Eines steht jedoch schon fest: Die Auswirkungen und Folgen der Pandemie werden auch im Haushaltsplan verankert sein. Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) hatte in seiner Stadtratsrede betont, dass es für den Doppelhaushalt 2021/22 keine Kürzungen gebe und auch der Bereich Kultur müsse um keine fehlenden Gelder bangen.

„Der Münchner Stadtrat beschloss bereits im Mai 2020 ein umfangreiches Haushaltssicherungspaket, das ein Einsparvolumen von insgesamt 216 Millionen Euro beinhaltete, um die Coronakrise abzufedern“, erklärt Kobe. „Die Stadt Bamberg hat ihren Kulturetat empfindlich gekürzt. Mit Blick auf dieses kommunale Umfeld ist es höchst anerkennenswert, dass der Ansatz für die Kulturaufwendungen fortgeschrieben wird. Das belegt den enormen Stellenwert, den die Kultur in unserer Stadt einnimmt.“

Doch auch wenn das Kulturamt finanziell keine Abstriche machen muss, wirkt sich die Krise auf die Verteilung von Geldern und die Priorisierung von Projekten aus.

Eigentlich hat die Stadt Leipzig für ihre Haushaltsplanung einige Anhaltspunkte, die die Zukunftsstrategien festlegen. 2018 wurde das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) Leipzig 2030 beschlossen, in dessen Mittelpunkt „Leipzig wächst nachhaltig“ steht. Die Stadt soll in allen elf Fachkonzepten – eines davon ist das Fachkonzept Kultur – auf Lebensqualität, soziale Stabilität, Internationalität und Wettbewerbsfähigkeit setzen.

Das Titelblatt der LZ Nr. 87, Ausgabe Januar 2021. Screen LZ
Das Titelblatt der LZ Nr. 87, Ausgabe Januar 2021. Screen LZ

Vor allem die Entwicklung der festgelegten Schlüsselprodukte 60 Leipziger Institutionen soll hierbei im Fokus stehen. Im Bereich Kultur umfassen diese die Städtischen Bibliotheken, die Volkshochschule, das Gewandhaus, die Oper, das Schauspiel und das Museum der bildenden Künste.

Doch die Coronakrise verschiebt die Prioritäten enorm: So müssen beispielsweise Punkte der Museumskonzeption 2030 dem finanziellen Überleben der Einrichtungen weichen. Tobias Kobe erläutert: „Ursprünglich sollte mit dem kommenden Doppelhaushalt die Entgeltfreiheit für die Dauerausstellungen in den städtischen Museen eingeführt werden. Coronabedingt wird dies zunächst nicht erfolgen, sofern der Stadtrat dieser Verschiebung zustimmt.“

Auch die angestrebte Provenienzforschung – also die Untersuchung der Herkunft von Werken, die möglicherweise unrechtmäßig im Besitz der Museen sind – wird vorerst vertagt. „Der Stellenplan für das Museum der bildenden Künste sieht für den kommenden Doppelhaushalt dafür keine zusätzlichen Stellen vor“, so Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke.

Die Stadt Leipzig sah außerdem den Ausbau der Personalausstattung als prioritär an, um im Bereich der Freien Kunst und Kultur wirksamer und schneller Förderverfahren bearbeiten zu können. Gab es 2015 noch 354 Anträge zu bearbeiten, waren es 2020 579 Anträge, zu denen noch 70 Kleinprojekte und 50 Anträge auf Arbeitsstipendien, wie das von Schauspielerin Elisa Ueberschär, dazukamen.

Bei der Bewältigung des neuen Arbeitspensums sollte die Digitalisierung der Förderung eine Rolle spielen. Die rund 352 Mio. Euro fließen nun aber vor allem in die kulturellen Einrichtungen. Das Bacharchiv, die Oper, das Theater der Jungen Welt sowie die städtischen Museen und weitere Einrichtungen erhalten Zuschüsse, um sich über Wasser halten zu können; zudem werden Baumaßnahmen beispielsweise am Kulturzentrum Nato finanziert.

Die größten Projekte sind der Umbau der Bibliothek Südvorstadt (1,5 Millionen Euro) und die baulichen Maßnahmen am Alten Rathaus (2,5 Millionen Euro). Die Hilfspakete von Bund und Land zielen primär auf private Kultureinrichtungen und freischaffende Künstler/-innen ab. Konkrete finanzielle Zuschüsse für den Kulturetat der Stadt Leipzig gibt es nicht, weshalb alle finanziellen Anstrengungen nun darauf abzielen.

Am 31. März wird im Stadtrat die endgültige Fassung des Doppelhaushaltes beschlossen, inklusive der Einwände von Bürger/-innen und Fraktionen. Diese Fassung muss anschließend von der Landesdirektion genehmigt werden; Torsten Bonew rechnet im Juli mit dem Inkrafttreten der Haushaltssatzung.

In Bezug auf die entworfenen Strategien des Kulturdezernates, das Zurückstellen der Zukunftsziele für 2030, das Priorisieren eines stabilen Gesamthaushaltes und das Investieren in den Erhalt der öffentlichen Einrichtungen, erklärt Tobias Kobe abschließend: „Mit diesen Maßnahmen wollen wir die vielfältige Kulturlandschaft Leipzigs erhalten, die unter der Pandemie so sehr leidet.“

Zukunftsvisionen weichen Problemen der Gegenwart“ erschien erstmals am 29. Januar 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Unsere Nummer 87 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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