Das dürfte eine ziemlich folgenschwere Entscheidung sein – ausgerechnet jetzt, da die Stadt intensiv über die Ausbaupläne des Flughafens Leipzig/Halle diskutiert und der OBM sich öffentlich zum Ausbau bekennt, lehnt Leipzigs Verwaltung den Grünen-Antrag zu fünf Lärmmessstellen auf Leipziger Gebiet ab. Und das ausgerechnet mit dem Verweis auf die Lärmmessungen des Flughafens selbst.

Gerade die (zeitweilige) Messstelle in Lützschena-Stahmeln hat in letzter Zeit zu einigen Diskussionen geführt, weil selbst die Fluglärmkommission zugestehen musste, dass man die im Windmühlenweg (in der Nähe des Bismarckturms) gemessenen Lärmereignisse nicht wirtlich einordnen konnte in das Bild, das der Flughafen mit seinen Meldungen zu den Ergebnissen der Lärmmessstellen gezeichnet hat.Fünf stadteigene Messstellen zu je 20.000 Euro hatten die Grünen beantragt. Die sollten ab 2022 in jenen nördlichen Leipziger Ortsteilen aufgestellt werden, die massiv von Fluglärm betroffen sind, die aber – anders als Hohenheida – über keine einzige dauerhafte Lärmmessstelle verfügen. So ist auch mit amtlichen Messungen nicht belegbar, was teilweise über 50 Prozent der Einwohner als starke bis sehr starke Beeinträchtigung durch Fluglärm wahrnehmen.

„Der Änderungsantrag wird abgelehnt, da die Daten von eigenen Fluglärmmessstationen der Stadt Leipzig nur informativen Charakter hätten und eine amtliche Messung nicht ersetzen können“, meint nun die Stadtverwaltung in ihrer Ablehnung des Antrags.

„Zudem fehlt es an qualifiziertem Personal zur Installation und Wartung der Messstation sowie zur Auswertung der gemessenen Daten. Die Flughafen Leipzig/Halle GmbH betreibt eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Fluglärmmessanlage mit zehn stationären Messstationen. Die Auswertung der Aufzeichnungen der Fluglärmmessstationen des Flughafens Leipzig/Halle werden regelmäßig durch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Referat Luftverkehr unter Einbeziehung eines unabhängigen Ingenieurbüros kontrolliert. Auch die Fluglärmkommission wird in ihren Sitzungen stets über die Messergebnisse informiert.“

„Im Leipziger Ortsteil Seehausen ist eine feste Fluglärmmessstation des Flughafens in der Ortschaft Hohenheida installiert. Deren Messdaten, die monatlich im Internet veröffentlicht werden, ergaben bisher keinen Handlungsbedarf. Neben den stationären Messstellen verfügt die Flughafen Leipzig/Halle GmbH auch über mobile Fluglärmmesstechnik, die auf Antrag in der Fluglärmkommission zur Überprüfung der Lärmbelastung im Umfeld des Flughafens eingesetzt werden. Die Stadt Leipzig hat diese Möglichkeit in den vergangenen Jahren mehrfach genutzt, um die Fluglärmbelastungen in den Ortsteilen Lützschena-Stahmeln (2014), Lindenthal (2016), Ortsteil Böhlitz-Ehrenberg (2018), Wiederitzsch (2019/2020) überprüfen zu lassen“, führt die Stadtverwaltung weiter aus.

Und dann nimmt sich die Verwaltung völlig aus der Verantwortung und überlässt es doch wieder dem Flughafen zu entscheiden, ob die Messwerte in irgendeiner Weise relevant sind.

„Die Messergebnisse haben keinen Anlass geliefert, weiterführende Lärmschutzmaßnahmen festzulegen. Zurzeit steht eine Fluglärmmessstelle im Ortsteil Rückmarsdorf. Im Ortsteil Gundorf ist eine Messung in Planung“, heißt es in der Ablehnung.

Und dann gibt es doch ein kurzes Stutzen: „Die Überprüfungsmessungen im Windmühlenweg im Ortsteil Lützschena-Stahmeln seit dem Jahr 2016 hingegen haben eine Überschreitung des Kriteriums zur Auslösung von Schallschutzmaßnahmen für den Nachtzeitraum ergeben. Dem Eigentümer des Messortes wurde daraufhin die Herstellung von baulichem Schallschutz nach Maßgabe der Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses seitens des Flughafens angeboten. In Abstimmung mit der Fluglärmkommission, dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sowie der Stadt Leipzig laufen die weitergehenden Untersuchungen zur Klärung des Messphänomens und der räumlichen Abgrenzung.“

Das Problem ist nun einmal, dass diese Messungen immer nur punktuell sind. Die Lärmbelastung für das Umfeld wird dann modelliert. Was umso unsicherer ist, je weniger Messpunkte es gibt.

Wenn es aber keine unabhängigen Messungen gibt, ist eine Stadt wie Leipzig auf die Meldungen des Flughafens angewiesen, die aber immer nur geglättete Messergebnisse beinhalten.

„Gemäß Beschlussempfehlung der Fluglärmkommission hat sich die Flughafen Leipzig/Halle GmbH im letzten Jahr eine weitere zusätzliche mobile Messstation angeschafft, um dauerhaft drei mobile Messstellen einsetzen zu können und damit dem Messbedarf gerecht zu werden, sodass keine allzu langen Wartezeiten entstehen“, meint die Verwaltung noch.

„Zusammengefasst verfügt die Flughafen Leipzig/Halle GmbH über entsprechende Messtechnik, um regelkonforme und amtliche Fluglärmmessungen durchführen zu können. Bei entsprechenden Messergebnissen erfordern diese Messungen auch direkt ein Agieren des Flughafens Leipzig/Halle. Eigene Fluglärmmessungen der Stadt Leipzig hingegen können dies nicht bewirken. Sofern die Fraktionen, Stadtbezirksbeiräte oder Ortschaftsräte weitere Bedarfe an Überprüfungsmessungen an einem bestimmten Standort in der Stadt Leipzig mit einer mobilen Messstation des Flughafens sehen, können sie dies gern dem Mitglied der Stadt Leipzig in der Fluglärmkommission bzw. seinem Stellvertreter mitteilen.“

Seit 2014 kämpft der Stadtrat nun darum, dass Leipzig eigene Fluglärmmessstellen einrichtet, um endlich unabhängige Messergebnisse zur nächtlichen Fluglärmbelastung zu bekommen. Denn dass immer mehr Menschen im Leipziger Norden den nächtlichen Fluglärm als Belastung empfinden, zeigt jede neue Bürgerumfrage. Auf Dauer kann sich keine Stadt leisten, diese Rückmeldungen der direkt betroffenen Einwohner zu ignorieren.

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Keine Kommentare bisher

Wenn es die Stadt ernst meint mit dem Klimaschutz, ihre Bürger schützen möchte und die Argumente zur Flughafenerweiterung kein Täuschungsmanöver des OBM gewesen sind, dann MUSS Leipzig mindestens ein oder zwei Messstellen selbst finanzieren (Das gälte im Übrigen auch ohne FH-Erweiterung).

Das sollten mobile Messstellen werden, welche so akkreditiert sein müssen, dass sie nicht angezweifelt werden können.
So könnte Leipzig mit eigenen belastbaren Daten argumentieren und den Flughafen entweder entlasten oder weiter in die Enge treiben, auch wenn es keine offiziellen Messsorte sind.

Darauf zu verzichten wäre ein Offenbarungseid der Stadt. Es muss dringend gehandelt werden.

Mittlerweile dürfte jeder erkannt haben, welche Rolle Leipzig als Hauptlasttragender in diesem politischen Gefüge spielen darf, keine nämlich. Leipzig muss sich wehren.

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