In der Ratsversammlung wurde auch der jüngste Finanzbericht von Finanzbürgermeister Torsten Bonew zur Kenntnis genommen. Er beinhaltet den Leipziger Kassenstand zum 30. September, also noch nicht die letzten drei Monate. Aber es zeichnet sich ab, dass Leipzig es 2022 wohl nicht schaffen wird, das mit Haushaltsbeschluss geplante Minus von 106 Millionen Euro vollkommen abzubauen, wie das noch im Vorjahr gelang. Der Grund ist eindeutig der Krieg in der Ukraine.

„Mit dem Haushaltsplan 2021/2022 wurde für das Haushaltsjahr 2022 ein Ergebnishaushalt mit einem Volumen von rd. 2,160 Mrd. EUR bei einem Fehlbetrag von rd. 106,2 Mio. EUR beschlossen“, fasst das Finanzdezernat kurz zusammen, wo Leipzig Ende September stand.

„Zum Stichtag 30.09.2022 wurden rund 16,6 Mio. EUR Aufwandsermächtigungen aus den Vorjahren übertragen, weshalb nunmehr ein aktueller Fehlbetrag von 122,8 Mio. EUR zu verzeichnen ist.“

Finanzbericht September 2022.

Beziehungsweise nicht mehr zu verzeichnen ist, denn die Leipziger Wirtschaft hat die Pandemiefolgen im Grunde hinter sich gelassen. Jetzt hat sie zwar gewaltig mit massiv gestiegenen Energiekosten und anderen Inflationsfolgen zu tun.

Aber schon 2021 stiegen die Gewerbesteuereinnahmen deutlich stärker, als noch Anfang 2021 prognostiziert. Und auch 2022 fangen sie einen Großteil der geplanten Mindereinnahmen auf.

„Nach der aktuellen Hochrechnung zum Stichtag 30.09.2022 wird eingeschätzt, dass sich der Fehlbetrag im Ergebnishaushalt im Vergleich zur aktuellen Planung auf rd. 67,0 Mio. EUR verringern wird“, teilt das Finanzdezernat mit. Es gibt also eine Verbesserung in Höhe von insgesamt 55,8 Millionen Euro.

Die Folgen des Ukraine-Krieges

Im Finanzbericht gibt es ein ganzes Kapitel zu den Folgen des Ukraine-Krieges. Auch mit dem Hinweis, dass sich nicht genau beziffern lässt, welche Kosten nun bei der Stadt Leipzig tatsächlich verbleiben werden und welche Bund und Land übernehmen werden.

Das heißt: Es ist durchaus möglich, dass der Fehlbetrag sich noch einmal verringert.

Der Blick in die einzelnen Dezernate zeigt, wo tatsächlich der Löwenanteil dieser 2022 zusätzlich entstandenen Kosten aufgelaufen ist, der natürlich 2021 in der Haushaltsplanung überhaupt noch nicht bedacht werden konnte. Niemand hätte damals einen rücksichtslosen Überfall Russlands auf die Ukraine einkalkulieren können.

Das hauptsächlich betroffene Dezernat ist das Dezernat Soziales, Gesundheit und Vielfalt, wo sich das ordentliche Ergebnis voraussichtlich um rund 58,8 Millionen Euro (ohne Berücksichtigung Personalaufwendungen) verschlechtern wird.

Darin stecken zum Beispiel 11,2 Millionen Euro „Grundversorgung und Hilfen nach SGB XII“, 19,5 Millionen Euro im Bereich der Hilfen für Asylbewerber oder 4,4 Millionen Euro im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Die Zahlen zeigen, dass ohne diese Zusatzaufwendungen auch 2022 ein ausgeglichener Jahresabschluss im Bereich des Möglichen gelegen hätte.

Deutlich höhere Steuereinnahmen

Wobei das noch längst nicht vom Tisch ist. Denn auch eine Endabrechnung für die Steuereinnahmen steht noch aus. Im September jedenfalls hatte Leipzig schon deutlich mehr Steuern eingenommen, als ursprünglich geplant.

Rechnete Torsten Bonew 2021 noch mit Steuereinnahmen von 652 Millionen Euro, so waren es im September schon 753 Millionen Euro. Was bis zum Jahresende noch dazu kommt, ist völlig offen. Das erfährt auch der Stadtrat allerfrühestens im Januar. Allein die Gewerbesteuereinnahmen stiegen von angenommenen 306 auf 390 Millionen Euro.

Das Finanzdezernat schreibt dazu: „Wider Erwarten hat bereits in 2021 das Steuerergebnis deutlich über den Erwartungen gelegen. Mit Vorlage ‚Sonderfinanzbericht 31.08.21 und aktuelle Prognose 2022‘ (VII-DS-06264) wurden für die Steuern die Prognosen deutlich erhöht, insbesondere für die Gewerbesteuer. Der bisherige Verlauf 2022 bestätigt diese Einschätzungen, er stellt sich äußerst positiv dar. Gleichwohl ist der weitere unterjährige Verlauf 2022 vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Aus- und Folgewirkungen sowie den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise so risikoreich wie noch nie.“

Schulden auf einem neuen Tiefststand

Und dazu kommt, dass Leipzig auch 2022 wieder deutlich weniger Geld ausgibt, als die Stadt mit ihrem riesigen Berg an beschlossenen Investitionen eigentlich ausgeben wollte. Der Berg an Haushaltsausgabenresten wächst also wieder. (Dazu kommen wir gleich in einem eigenen Artikel.)

Was dann dazu führt, dass Leipzig – bevor dann Anfang 2023 die wirkliche Endabrechnung kommt – zum Jahresende bei seinen Schulden einen neuen Jahrestiefststand erreicht. Nachdem schon 2021 mit 461 Millionen Euro ein deutlicher Rückgang der Schulden erreicht wurde, wird dieser Berg 2022 wohl um weitere 48 Millionen Euro abgebaut, sodass am Jahresende nur noch 413 Millionen Euro an Krediten laufen.

Was im Umkehrschluss wieder heißt, dass Leipzig noch mehr Spielraum für Investitionen hätte. Diesen aber nicht nutzen kann, weil nicht mal alle geplanten Bauvorhaben zeitnah am Markt platziert werden können.

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Es gibt 2 Kommentare

Ist der Satz “Niemand hätte damals einen rücksichtslosen Ãœberfall Russlands auf die Ukraine einkalkulieren können.” nun im Finanzbericht der Stadt autorisiert worden und wird hier einfach nur zitiert oder hat der Autor seine Sicht auf die Dinge formuliert?

Herr Julke, da Sie vom „rücksichtslosen Überfall Russlands“ schreiben – gibt es auch rücksichtsvolle Überfälle? Es ist auch nicht ersichtlich, ob die Unvorhersehbarkeit des Krieges aus dem Finanzbericht oder eher Ihre Feder entstammt. Journalistische Redlichkeit sollte schon berücksichtigen, dass das Öl dieses Krieges aus mehreren Quellen floss. Damit ist dann aber wieder die Überraschung über die schlimmstmögliche Wendung eines Konfliktes heuchlerisch.

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