Immerhin: Der „Friedensplan“ für den Gaza, vom Präsidenten der USA Donald Trump entworfen, hat dazu geführt, dass dem maßlosen und völkerrechtswidrigen Töten und Zerstören im Gaza nach zwei Jahren Einhalt geboten werden konnten. Doch nach wie vor ist die Terrororganisation Hamas, verantwortlich für das Massaker an der israelischen Bevölkerung am 7. Oktober 2023, weder entwaffnet noch entmachtet. Auch finden im Gaza, im Libanon, in Syrien weiterhin ständig begrenzte militärische Auseinandersetzungen statt.

Die im „Friedensplan“ aufgeführten Schritte vom Waffenstillstand zu einer Zwei-Staaten-Lösung harren ihrer Realisierung. Wer sich näher mit dem Trumpschen „Friedensplan“ beschäftigt, stellt schnell fest, dass es in diesem weniger um eine langfristige Befriedung der Region, um einen Plan für ein versöhntes Miteinander zwischen dem Staat Israel und einem souveränen Palästina, um eine neue Friedensordnung für den Nahen Osten geht.

Vielmehr haben Donald Trump, seine Unterhändler, der Immobilien-Geschäftsfreund Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und auch der Netanjahu-Clan in Israel vor allem ihre persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Überlebensinteressen im Blick. Darum sucht sich Donald Trump unter den Konfliktparteien diejenigen zum Partner aus, mit denen er ins Geschäft kommen kann.

Dabei ist es ziemlich unerheblich, welche Rolle die Partner in dem Konflikt, den es zu befrieden gilt, spielen. Das sind im Nahen Osten vor allem die Führungseliten Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Katars und Ägyptens, die pikanterweise auch die militanten Gegner des Staates Israel militärisch ausrüsten. Mit diesen schließt Trump Geschäfte ab, lässt sich korrumpieren, um anschließend politische Deals auszuhandeln, an denen die eigentlichen Konfliktpartner/Kriegsgegner gar nicht beteiligt sind.

Diese Deals werden dann zum „Friedensplan“ erklärt. Schon jetzt ist erkennbar, dass dies nicht zu einem belastbaren Friedensabkommen, geschweige denn zu einem Versöhnungsprozess zwischen Israel und den Palästinensern führen kann. Stattdessen spielt sich Trump wie ein pubertierender Junge als „Peacemaker“ auf und lässt sich dafür von Regierungschefs aus aller Welt mit peinlichen Unterwerfungszeremonien feiern.

Tatsächlich sind es Szenen einer moralischen Verkommenheit, die die Basis einer werteorientierten Politik zerbröseln lässt.

Nun ist vor einigen Tagen bekannt geworden, dass Trump einen weiteren „Friedensplan“ vorgelegt hat – diesmal, um den seit fast vier Jahren währenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu beenden, zumindest um einen Waffenstillstand zu bewirken – an sich ein mehr als begrüßenswertes Unterfangen! Nur: Auch dieser Plan hat nicht im Blick:

  • Wer ist Täter, wer ist Opfer?
  • Wie kann eine Friedensordnung hergestellt werden, in der die Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte der Bürger/-innen der Ukraine gewahrt, die Souveränität der Ukraine und das Völkerrecht geachtet werden?
  • Welche Rolle sollen moralische, ethische Kriterien spielen?

Stattdessen geht es in dem „Friedensplan“ in erster Linie um wirtschaftliche Vorteile für die USA, vor allem aber für den Trump-Clan. Auf diesem Hintergrund ist es mehr als nachvollziehbar, dass der „Friedensplan“ mehr oder weniger die Interessen des Putin-Russland, des Aggressors, berücksichtigt. Darum ist es auch keine Fauxpas, dass weder die Ukraine noch die europäischen Staaten an der Erstellung des Plans beteiligt waren. Es ist auch nicht überraschend, dass sich die 28 Punkte des „Friedensplans“ wie ein im Kreml vorformulierter Text lesen.

Denn Trump will einen Deal mit dem Autokraten, der seinen eigenen absolutistisch-autoritär geprägten Fantasien über einen Staatenlenker entspricht: Wladimir Putin. Dieses eigentlich absurde Szenario hat noch einen weiteren Grund: Derzeit führt Trump eine militärisch angelegte Auseinandersetzung gegen mittel- und südamerikanische Staaten wie Venezuela und Kolumbien unter dem Vorwand, den Drogenschmuggel einzudämmen.

Tatsächlich geht es darum, in der unmittelbaren Nachbarschaft der USA politische Systeme zu installieren, die seinen diktatorisch-autokratischen Vorstellungen entsprechen und die keine Gefahr für seine „MAGA“-Ideologie darstellen. Trump hat auch seine Expansions- und Okkupationspläne im Blick auf Panama, Kanada und Grönland nicht aufgegeben.

Letztlich wendet Trump – noch nicht in der Aggressivität wie Russland – in der unmittelbaren Nachbarschaft der USA die gleichen Strategien an wie Putin. Darum kann und will Trump das Vorgehen Russlands gegen die Ukraine nicht verdammen. Darum ist für ihn ein Präsident Wolodymyr Selenskyj ein unangenehmer Störfaktor.

Was wir derzeit erleben, ist also alles andere als Friedenspolitik. Vielmehr versuchen Donald Trump und Wladimir Putin im Verein eine „Friedensordnung“ aufzubauen, in der die europäischen Staaten keine Rolle mehr spielen bzw. vor vollendete Tatsache gestellt werden.

Der Grund ist ein einfacher: Demokratie, Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit sollen in der internationalen Politik keine Rolle mehr spielen, weil Trump gegen sie im eigenen Land einen Zerstörungsfeldzug führt, den Putin in Russland schon längst gewonnen hat. Von daher gesehen ist es geradezu grotesk, was der derzeitige Generalsekretär der NATO, der Holländer Mark Rutte, in einem Interview geäußert hat (Leipziger Volkszeitung, 26.11.2025, S. 3):

Und Trump? Ich mag den Kerl. … Er tut genau das, was wir von ihm erwarten. … Er hat viel für die Ukraine getan, indem er Verhandlungen mit Putin aufgenommen hat. Er hat Fortschritte bei einer Friedenslösung im Gazastreifen erzielt, den Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen durchgeführt und sich um Lösungen von Konflikten zwischen Indien, Pakistan, Aserbeidschan, Armenien und anderen Ländern bemüht. Dafür verdient er volle Unterstützung … Wenn Trump als US-Präsident zum Telefon greift und Putin anruft, macht das wirklich einen Unterschied. Deshalb denke ich, wir können alle mit Trumps Präsidentschaft zufrieden sein.  … Wir sollen Trump dankbar sein.

Solange europäische Politiker/-innen meinen, Trump mit solch infantilem Geschwätz einhegen zu können, werden alle tatsächlichen Friedensbemühungen zerrieben zwischen Trump-Amerika und Putin-Russland. Europäische Politik muss aber offensiv und klar anknüpfen an die unaufgebbaren Grundwerte, die nach 1945 in Europa Gesellschaften darin gestärkt haben, ihre Konflikte ohne kriegerische Gewalt zu lösen: Menschenwürde, Demokratie, Freiheitsrechte, soziale Gerechtigkeit.

Es ist jedenfalls ein Spiel mit dem Feuer, wenn Politiker/-innen meinen, ohne jeden moralischen Kompass regieren zu können. Am Ende steht eine diktatorische Gewaltpolitik nach innen und außen, die sich selbst zur Religion bzw. vorhandene Religion zur Staatsideologie verbiegt.

Christian Wolff, geboren am 14. November 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er lebt in Leipzig und ist gesellschaftspolitisch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens engagiert. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/ 

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Einst war es Konsens in der evangelischen Kirche in der DDR: Schwerter zu Pflugscharen. Heute tut man sich schwer. Man heute ist grün, engstirnig und voller Haß, man haßt Putin, man verachtet Rußland, man folgt brav den üblen Kriegstreibern der US-Demokraten. – Ausgleich mit Rußland ist ist in unserem deutschen Interesse. Konrad ADENAUER erkannte das und ging auf seine legendäre Moskau-Reise. Die Ostpolitik von Friedensnobelpreisträger Willy BRANDT basiert auf dieser Erkenntnis. Margret THATCHER, wie Henry KISSINGER berichtet, folgte der Ostpolitik, sobald sie hier (mit dem jungen Gorbatschow) einen Partner erkennen konnte. – Folgen wir UNSEREM Interesse: sein wir stark UND auch PARTNER RUSSLANDS.

Schreiben Sie einen Kommentar