Was genau bezwecken die Grünen mit der Umbenennung eines Platzes in „Platz des Euromaidan“? Ist es Symbolpolitik? Sieht so Solidarität aus? In der Stadtratsdiskussion um den Antrag der Fraktion wurde viel ausgeteilt und eingesteckt. Die Entscheidung schließlich war knapp: 24 Ja-Stimmen und 23 Nein-Stimmen, 10 Enthaltungen. Jetzt soll sich die Verwaltung bis Ende des Jahres überlegen, welcher Platz in Leipzig würdig genug ist, diesen Namen zu tragen.

Ihre Stimmen erhielten die Grünen vor allem von ihrer eigenen Fraktion und der SPD. Die CDU enthielt sich größtenteils, während AfD, Freibeuter und Linke gegen den Antrag stimmten. Allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Ab dem 21. November jährt sich der „Euromaidan“ in der Ukraine zum 10. Mal. Der „Euromaidan“ war eine Serie von Protesten auf dem Maidan-Platz in Kiew in Reaktion auf die Weigerung des damaligen ukrainischen Präsidenten Janukowytsch, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Die Proteste führten zu Janukowytschs Rücktritt. Die Annexion der Krim durch Russland und der Krieg im Donbas waren Reaktionen auf diese Bewegungen in der Ukraine. Geschichtlich und politisch ist das Ereignis umstritten.

Grünen wollen Solidarität und ernten Spott

„Der völkerrechtswidrige Angriff (Russlands) auf die Ukraine ist Folge genau dieser EU-Perspektive der Ukrainer*innen und der Beitritt ist umso drängender geworden“, so Katharina Krefft (Grüne). „Wir wollen mit einem ‚Euromaidan‘-Platz genau dieses Bekenntnis zur Zugehörigkeit der Ukraine in die EU würdigen.“

Außerdem betonte Krefft die Verbindung der Partnerstädte: „Leipzig ist die Stadt der Friedlichen Revolution, Kiew die Stadt des Euromaidans und der Orangenen Revolution. Wir möchten diese Parallelen stärker in unserer Stadtgeschichte betonen. (…) Wir erlitten gemeinsam Jahrzehnte der Sowjetdiktatur und den Aufbruch zu Freiheit und Selbstbestimmung.“

Verwirrend war, dass Krefft in ihrer Rede den „Euromaidan“ mit der „Orangenen Revolution“ gleichsetzte. Thomas Kumbernuß nahm dies als Steilvorlage für seinen Änderungsantrag: „Die Orangene Revolution war 2004, die hatte also mit dem, was wir ‚Euromaidan‘ nennen von 2013/14 überhaupt nichts zu tun. (…) Der ‚Euromaidan‘ war ein Ereignis und kein Platz und auch das wird in der Begründung zum Antrag nicht deutlich.“

Inhaltlich umstrittenes Thema

Der Antrag sei vielleicht gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Der Alternativvorschlag von Kumbernuß lautete, einen Platz nach „Iron Maiden“ zu benennen, die „im übrigen sehr gute Musik“ machen. Dafür konnte Kumbernuß allerdings keine Mehrheit im Stadtrat finden.

Auch von Seiten der Freibeuter ernteten die Grünen Kritik. Allerdings meinten sie es etwas ernster. Nach Ute-Elisabeth Gabelmann (Freibeuter) sei der Antrag zum aktuellen Zeitpunkt bloße „Symbolpolitik“, denn die möglichen Namen für Straßen stapelten sich. Straßen, die benannt werden könnten, seien nicht da. „Ein Ereignis zur Selbstermächtigung (der ‚Euromaidan‘) ist zu wichtig, um ihn irgendwo in den Namensvorrat zu verschieben.“ Es sei bereits genug ideelle Unterstützung vorhanden.

Die Linken wiesen darauf hin, dass der „Euromaidan“ ein sehr ambivalentes Ereignis gewesen sei, das die Ukraine zerrissen habe. Geschichtswissenschaftlich werde da noch debattiert, eine Überhöhung des Ereignisses sei fehl am Platz. Die Argumentation von Gabelmann, dass auch die Linke die „Euromaidan“-Diskussion nur als Bühne für „Nazidiskussionen“ in der Ukraine nutzte, wies Nagel von sich.

Bisher konnte die Verwaltung noch keinen geeigneten Platz ausmachen. Die laut Krefft neu entstehenden Plätze rund um das Bauvorhaben „mit europaweiter Ausstrahlung“ am Matthäikirchhof seien jedoch prädestiniert für diesen Namen. Dort soll das „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ (Arbeitstitel) entstehen, eine Initiative, die die Grünen stark vorantreiben.

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Also wenn die “EU-Perspektive der Ukrainer*innen und der Beitritt … umso drängender geworden” und im EU-UA Abkommen (welches geschichtlich und politisch nicht sonderlich umstritten sondern klar formuliert ist, und lt. Wiki “[die] politische Krise in der Ukraine mitverursacht[e]) bestand und gipfelte, und den “völkerrechtswidrige[n] Angriff (Russlands) auf die Ukraine” zur Folge hatte: Warum sollte man diese krisenverursachende Perspektive weiter bekennen und dessen chaotische und brutale Folgen weiter schüren und ein solche Zäsur gar mit einem Platz würdigen? Den einen oder anderen hätte der vermeintliche Connewitzer Magistrat Kumbernuß vielleicht aufgeweckt und ins Wanken gebracht, wäre der Platz besser nach „Iron Maiden & The Iron Maidens“ benannt, inklusive basisdemokratischer Einweihung bei Freigetränken, sehr guter Musik und guter Laune statt schräg konstruierter Stadtvergleiche im Hof.

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