Skadi Jennicke (Linke) wurde heute in der Leipziger Ratsversammlung mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit als Kulturbürgermeisterin gewählt. Im Stadtgebiet und dem Umland ging die Polizei mit Razzien gegen 30 Personen vor – Hintergrund sind Ermittlungen wegen des Verdachts auf Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern*. Und: Im Prozess gegen Lina E. und drei weitere Personen in Dresden hat die Verteidigung in mehreren Punkten Freispruch für die Hauptangeklagte gefordert. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 19. April 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Große Mehrheit wählt Skadi Jennicke für weitere sieben Jahre ins Amt

Was ihre Kollegen Torsten Bonew (Finanzen) und Heiko Rosenthal (Ordnung) schon erfolgreich absolviert haben, dem musste sich nun auch Linken-Politikerin Skadi Jennicke stellen: Einer Abstimmung in der Ratsversammlung über eine weitere Amtszeit als Kulturbürgermeisterin der Stadt.

Das am Ende nicht überraschende Ergebnis: Jennicke, seit Juni 2016 auf ihrem Posten, wurde heute für eine weitere Zeit von sieben Jahren im Amt bestätigt.

Von 58 Stimmen konnte sie 41 für sich gewinnen. Erstaunlicher als dieses Resultat war wohl der Umstand, dass Stadtrat Thomas Kumbernuß (DIE PARTEI, bis vor kurzem Teil der Linksfraktion, inzwischen fraktionslos) mit seinem Parteifreund Christoph Meißner kurzerhand einen eher unbekannten Herausforderer gegen Jennicke in die Spur geschickt hatte. Übrigens der Grund, warum dessen Bruder, Stadtrat Martin Meißner (Grüne), sich selbst für befangen erklärte und an der Wahl nicht teilnahm. Am Ende bekam der Gegenkandidat drei Stimmen.

Das vorab durch die LZ eingeholte Stimmungsbild über Skadi Jennicke bescheinigt der gebürtigen Leipzigerin übrigens einen großen Rückhalt, viel Lob und Vorschläge für Verbesserungen. Rigorose Ablehnung gab es lediglich seitens der AfD-Fraktion, wo man wohl auch die jeweils sieben Gegenstimmen bzw. Enthaltungen großteils verorten dürfte.

Auf Jennicke dürften jetzt viele neue Herausforderungen warten. Doch erstmal darf man sich auch freuen. Die Reihe der Gratulanten war so lang, dass OBM Burkhard Jung bat, wegen des straffen Tagesprogramms die Glückwünsche außerhalb des Ratssaals fortzusetzen.

Leipzig und Umland: Kripo jagt mutmaßliche Besitzer von Missbrauchsabbildung minderjähriger

In Leipzig und Umgebung war die Polizei heute mit einem großen Aufgebot von 120 Beamtinnen und Beamten im Einsatz. Hintergrund sind Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Erwerb, Besitz und Verbreitung von Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern*, wie die Polizeidirektion mitteilt.

Insgesamt 25 Wohnungen bzw. Räumlichkeiten und Fahrzeuge in Leipzig selbst sowie den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen waren Ziel der Fahnder. Die Kripo wurde durch Kräfte der Bereitschaftspolizei unterstützt. 30 Beschuldigte zwischen 15 und 74 Jahren stehen im Fokus.

Demnach konnten am Ende über 390 Beweismittel in Form von Mobiltelefonen, Computern und Speichermedien konfisziert werden, deren Auswertung aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Den Razzien lagen Durchsuchungsbeschlüsse des Leipziger Amtsgerichts zugrunde.

Scharfe Kritik: Verteidigung von Lina E. attackiert Gericht und Bundesanwaltschaft

Diesmal gingen die Maßnahmen der Polizei nicht gegen linke Strukturen – beunruhigt ist die Szene dennoch. Denn vor dem Oberlandesgericht in Dresden neigt sich der im September 2021 gestartete Mammut-Prozess gegen Lina E. und drei mitangeklagte Männer dem Ende entgegen.

Wie vielfach berichtet, muss sich die mittlerweile 28-jährige Studentin aus Leipzig verantworten, weil ihr die Bundesanwaltschaft vorwirft, als Teil einer linksextremen Bande zwischen Oktober 2018 und Juli 2020 eine Reihe von Überfällen auf politische Gegner des rechten bis rechtsextremen Spektrums begangen bzw. geplant zu haben. Tatorte lagen in Sachsen und Thüringen.

Insgesamt 13 Personen wurden zum Teil schwer verletzt, darunter ein langjähriger Jugendkader der NPD, ein Ex-NPD-Stadtrat aus Leipzig und ein rechtsextremer Kneipenwirt aus Eisenach, der aktuell selbst in Haft ist.

In seinem Plädoyer vor dem Dresdner OLG teilte Ulrich von Klinggräff, einer der Anwälte von Lina E., heftig gegen den Strafsenat unter dem Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats und die Bundesanwaltschaft aus, denen er unter anderem vorwarf, einseitig auf die schwache Beweislage zu schauen und entlastende Indizien zu ignorieren. Auch von politischer Justiz war die Rede. Lediglich das, was der eigenen Sicht förderlich sei, habe sich die Anklage herausgepickt.

Linke Szene kündigt Protest an

Diese Anklage hatte für Lina E. eine Haftstrafe von acht Jahren gefordert, für die Mitangeklagten zwei Jahre und neun Monate, drei Jahre und drei Monate bzw. drei Jahre und neun Monate Gefängnis. Die Verteidigung Lina E.s dagegen sieht die meisten Vorwürfe der Anklage nicht als bestätigt. Nur für den Überfall auf ein rechtsextremes Szenelokal in Eisenach käme eine Bewährungsstrafe für Lina E. infrage, die als einzige des angeklagten Quartetts in Untersuchungshaft sitzt, dies bereits seit November 2020.

Die Schlussvorträge der Verteidigerinnen und Verteidiger werden fortgesetzt. Als Termin einer möglichen Urteilsverkündung in Dresden gilt derzeit der 10. Mai. Die linke Szene hat bereits massiven Protest nach dem Richterspruch angekündigt, entsprechend alarmiert sind die Sicherheitsbehörden.

Worüber die LZ heute berichtet hat:

Der Stadtrat tagt: Tempo 30 auf der Wolfgang-Heinze-Straße könnte schneller kommen

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Der Stadtrat tagt: Eutritzscher Markt wird vorerst nicht zum „Kulturmarkt“ weiterentwickelt

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Was sonst noch wichtig war:

Klimaaktivisten haben an mehreren Orten Berlins ihren angekündigten Protest umgesetzt.

Nach einer Gewalttat in einem Duisburger Fitnessstudio schwebt noch immer eines der Opfer in Lebensgefahr. Die Polizei fahndet nach dem Angreifer und gab eine Täterbeschreibung heraus.

Die Bundesregierung will den Einbau klimafreundlicher Heizungen finanziell fördern.

Zum 80. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto bat der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (67, SPD) bei einem Besuch vor Ort um Vergebung.

Nochmal Leipzig: Während bereits ein für Freitag bundesweit angekündigter Eisenbahner-Streik seine Schatten vorauswirft, demonstrierten in der Messestadt hunderte Beschäftigte des Kfz-Handwerks vor dem Völkerschlachtdenkmal – siehe Video und die Fotogalerie. Angekündigt worden war die Protestveranstaltung bereits vorab.

* In einer vorherigen Version dieses Artikels sowie in der zugehörigen Pressemitteilung der Polizeidirektion Leipzig war die Rede von sog. „Kinderpornografie“. Dieser Begriff ist nicht zutreffend und steht in der Kritik, da es sich bei dem entsprechenden Bild- und Videomaterial um die Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen handelt.
Unter dem Begriff „Pornografie“ sind im allgemeinen Videos und Fotos verstanden, die einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zeigen. Die Aufnahmen dazu entstehen normalerweise freiwillig, die Herstellung ist erlaubt und der Kauf auch. Bei der unerlaubten sog. „Kinderpornografie“ trifft nichts davon zu, der Begriff wird allgemein als verharmlosend angesehen, weswegen wir ihn im Artikel ersetzt haben. Weiterführende Informationen.

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