Bereitschaftspolizisten haben heute in Leipzig das Szenario einer konfliktreichen Fußballpartie trainiert. Im Prozess gegen Lina E. und drei Mitangeklagte brach das Oberlandesgericht Dresden die Schlussvorträge der Verteidigung überraschend ab und stieg noch einmal in die Beweisaufnahme ein. Und: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kam zu einem Überraschungsbesuch nach Kiew. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 20. April 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Großübung der Bereitschaftspolizei in Leipzig

Verwirrung und Befürchtungen am Donnerstagmorgen im Leipziger Zentrum: Was ist wohl schon wieder passiert? Doch das sichtbare Polizeiaufgebot im Bereich des Leipziger Hauptbahnhofs sowie des Rosentals und des Zentralstadions hatte diesmal nur Übungscharakter: Simuliert wurde das Szenario einer heiklen Fußballbegegnung im Leipziger Zentralstadion, wo auch mit einem Aufkommen gewaltbereiter Fans zu rechnen war. Ein Teil der Einsatzkräfte durfte für die Übung in die Rolle von Fußballanhängern schlüpfen.

Entsprechend wurde die Begleitung der geordneten An- und Abreise zur Partie simuliert, ebenso eine aufgeheizte Stimmung, Provokationen, verbale und körperliche Auseinandersetzungen. Dabei sollten die Beamtinnen und Beamten in der schnellen Koordination und Umsetzung geeigneter Maßnahmen bis hin zur Festnahme von Gewalttätern geschult werden.

Das Training wurde am Mittag planmäßig beendet. Rund 320 Kräfte der Bereitschaftspolizei des Bundes bzw. Sachsens sowie der Polizeifachschule waren im Einsatz.

Zweifel am Kronzeugen: Urteilsspruch im Fall Lina E. wieder verschoben

Manche Strafprozesse sind wendungsreich und immer wieder für eine Überraschung gut, selbst auf der Zielgeraden vor dem Urteilsspruch. Das dürfte derzeit vor allem auf den sogenannten Lina-Prozess am Oberlandesgericht Dresden zutreffen. Verantworten muss sich die 28-jährige Studentin Lina E. aus Leipzig gemeinsam mit drei weiteren Männern. Die mutmaßlich Linksextremen sollen laut Bundesanwaltschaft eine Bande gebildet haben, die es sich unter Führungsrolle Lina E.s zum Ziel gemacht habe, Neonazis zu attackieren.

Die Ermittler gehen von einer Gruppe aus, die zwischen 2018 und 2020 eine Reihe von Überfällen in Sachsen und Thüringen begangen bzw. geplant habe, 13 Personen wurden teils schwer verletzt, darunter nachweislich rechtsextreme Kader.

Nachdem mehr als anderthalb Jahre nach Prozessbeginn die Plädoyers der Verteidigung im Gange waren und ein Urteil am 10. Mai absehbar schien, nun wieder ein Wendepunkt: Wie unter anderem der Prozessbeobachter Konrad Litschko auf Twitter berichtet, stieg der Senat erneut in die Beweisaufnahme ein.

Hintergrund sind Ungereimtheiten um die Glaubwürdigkeit von Johannes D., jenes Kronzeugen der linken Szene, der den Ermittlungen entscheidenden Schub gab, indem er die Hauptangeklagte Lina E. belastete. Doch als er selbst auf der Anklagebank des Landgerichts Meiningen saß, habe er andere Angaben als auf dem Zeugenstuhl im Lina-Prozess gemacht: Während der junge Mann in Dresden noch davon sprach, dass in Leipzig ein gezieltes Training für Angriffe auf Neonazis stattgefunden habe, soll er als Angeklagter behauptet haben, es sei nur um sportliche Aktivität und Kontakte gegangen.

Jetzt sind die Plädoyers der Verteidigung vorerst ausgesetzt, am 10. Mai sollen der Oberstaatsanwalt und der Richter aus Meiningen in den Zeugenstand gerufen werden, um diese zentrale Frage zu klären. Ein Ende der Verhandlung ist damit erst einmal weiterhin nicht absehbar.

NATO-Generalsekretär sichert Ukraine weiteren Beistand zu

Noch ein Blick auf das internationale Parkett: Einen Besuch von kaum zu überschätzender Symbolik lieferte heute NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, indem er zu einem Besuch in Kiew eintraf. Es war die erste Visite des 64-Jährigen vor Ort, seit Russlands Präsident Wladimir Putin (70) die Ukraine am 24. Februar 2022 durch seine Streitmacht überfallen ließ. Stoltenberg traf vor Ort auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (45) und sicherte ihm weitere Unterstützung zu.

Auch ehrte der Generalsekretär gefallene Soldaten und besichtigte Butscha – jenen Kiewer Vorort, der mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen Russlands in Verbindung gebracht wird.

Obendrein kündigte Stoltenberg an, der Ukraine auch künftig beistehen zu wollen. Perspektivisch solle diese auch der NATO beitreten können, wofür es aber weiterhin keinen konkreten Zeitplan gibt. Dass es während des Kriegs geschieht, gilt als faktisch ausgeschlossen, weil das westliche Militärbündnis dann sofort zur Kriegspartei würde. 2008 war ein Vorstoß zum NATO-Beitritt der Ukraine in Bukarest ins Leere gelaufen – besonders Deutschland und Frankreich hatten sich damals gesperrt.

Doch die Symbolkraft des Besuchs von Stoltenberg ist gewaltig, da der ehemalige Premierminister Norwegens deutlich zeigt, wo der die Zukunft der Ukraine sieht. Er gilt als vehementer Unterstützer des Landes, der immer wieder für Waffenlieferungen einzelner Länder wirbt, ohne die Linie hin zu einer direkten Kriegsbeteiligung zu überschreiten. Russland hatte als einen Grund seines Kriegs (offiziell: „militärische Spezialoperation“) gegen den Nachbarn immer wieder das Narrativ einer angeblichen Bedrohung durch die NATO angeführt.

Worüber die LZ heute berichtet hat:

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Was sonst noch wichtig war:

Bereits gestern kam es, wie die Polizei heute bekannt gab, zu einem Kabelbrand auf dem Gelände des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain.

Ein in Italien inhaftierter Anarchist hat einen Hungerstreik abgebrochen. Sein Fall war auch schon in Leipzig Anlass zu Protesten.

Ein Lichtphänomen über Kiew sorgt für Diskussionsstoff – mutmaßlich hatte es aber nichts mit dem Krieg zu tun, sondern war wohl eine natürliche Erscheinung.

Was morgen wichtig wird:

Es wird gestreikt, wieder einmal. Bahn- und Flugreisende müssen sich für den Freitag auf Einschränkungen gefasst machen.

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