Die Arbeitsagentur hat die Mittel für Arbeitsgelegenheiten massiv gekürzt. 2024 werden sie weiter sinken. Und damit werden weitere Leipziger Angebote zur Arbeitsmarktförderung verschwinden. Das hatte nun auch den Leipziger Kleingartenbeirat alarmiert, denn betroffen davon ist auch das Tafelgartenprojekt des Vereins WABE. „Jährlich wurden in den letzten Jahren (außer 2023) durchschnittlich 140 AGH-Stellen für das Tafelgartenprojekt bewilligt und dadurch ca. 35 t Obst und Gemüse geerntet, die an die Leipziger TAFEL gespendet wurden“, merkte der Kleingartenbeirat in seinem Antrag an, gerade diese Stellen zu erhalten.

Denn das hat auch Folgen für die Versorgung der Hilfsbedürftigen in der Stadt: „Damit wird das Angebot der TAFEL mit frischen und gesunden Produkten bereichert. Die TAFEL Leipzig bzw. der Leipziger Tafel e. V. sammelt gespendete Lebensmittel und verteilt diese an im Sinne der Sozialgesetzgebung Bedürftige. Die Nachfrage bei der TAFEL steigt stetig, derzeit gibt es in Leipzig monatlich ca. 18.500 Tafelkunden. Der Beitrag wird somit immer wichtiger.“

Schon 2023 erfolgte eine drastische Reduzierung der Stellen, mit denen der WABE e.V. beim Projekt Tafelgärten planen konnte, von 140 Stellen 2022 auf 76 Stellen 2023. Für die dauerhafte Sicherung des Tafelgartenprojektes seien aber mindestens 100 AGH-Stellen pro Jahr erforderlich, betonte der Kleingartenbeirat. Und beantragte: „Die Stadt Leipzig setzt sich für den Erhalt des Projektes ‘Leipziger Tafelgärten in Kleingartenanlagen’ durch die Priorisierung des Projektes bei der Vergabe von AGH-Stellen ein.“

Die Tafelgärten

Das Projekt „Leipziger Tafelgärten in Kleingartenanlagen“ wurde gemeinsam von den Leipziger Kleingartenverbänden, der Leipziger Tafel, der Stadt Leipzig, dem Jobcenter Leipzig und dem damaligen Maßnahmenträger initiiert und startete im April 2007. Bei diesem Projekt stellen Kleingartenvereine (KGV) ungenutzte Kleingartenparzellen zur Verfügung. Auf diesen Flächen wird über AGH-Stellen (Arbeitsgelegenheiten) Obst- und Gemüse angebaut. Dieses wird dann zur Abgabe an die Leipziger Tafel geliefert.

„Mit der Bereitstellung von Kleingartenparzellen wurden 2007 unter anderem Leerstandsprobleme in den Kleingartenanlagen kompensiert“, betonte der Kleingartenbeirat in seinem Antrag. Ein Problem, das es so in Leipzig freilich nicht mehr gibt. Spätestens seit den ersten Corona-Jahren sind Kleingartenparzellen stark nachgefragt und die Vereine können gar nicht genug freie Gärten zur Verfügung stellen.

Die Situation hat sich hier seit 2007 deutlich geändert.

„Beim Projektstart bewarben sich 35 Kleingartenvereine. Aus dem Bewerberkreis wurden 18 Kleingartenvereine ausgewählt, die insgesamt über 16.000 m² brachliegende Flächen in 79 Parzellen zur Verfügung stellten“, listet der Kleingartenbeirat auf.

„2023 sind sechs Kleingartenanlagen am Projekt beteiligt und stellen insgesamt ca. 14.000 m² in 61 Parzellen zur Verfügung. Von Anfang an dabei ist der KGV ‚Kultur‘ e. V. mit derzeit 24 Parzellen. Die Kleingartenvereine stellen die Flächen für das Projekt kostenfrei zur Verfügung und übernehmen bestimmte Betriebskosten. Sie tragen unter anderem die Kosten für den Pachtzins bzw. verteilen diese auf ihre Mitglieder. Ebenso tragen die KGV den Anteil für die Grundsteuer und Umlage der Straßenreinigungsgebühren. Zudem wurden oft verfallene Gartenlauben auf eigene Kosten abgebrochen und die Zäune entfernt, um die Flächen zusammenhängend bewirtschaften zu können.“

Wohl keine Priorität

Aber auch der Kleingartenbeirat bilanziert: „Heute spielt der Leerstand in den meisten Kleingartenanlagen kaum noch eine Rolle. Trotzdem ist das Interesse an einer Projektbeteiligung unter den Kleingartenvereinen groß, nicht zuletzt, weil die Kleingartenvereine damit einen Beitrag für das Gemeinwohl leisten möchten. In einigen Vereinen hat sich das Projekt als fester Bestandteil verstetigt.“

Doch die Verwaltung machte in ihrer Stellungnahme nicht viel Hoffnung, dass die Projektstellen für die Tafelgärten erhalten werden können. „Die Stadt Leipzig hat sich mit dem Beschluss VII-A-07986 im April 2023 zu einem öffentlich geförderten zweiten Arbeitsmarkt bekannt und sich gegenüber der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass die Jobcenter auskömmlich finanziert werden. Dem Jobcenter wurden dennoch bereits deutliche Kürzungen bekannt gegeben: -6,5 Mio. EUR im Eingliederungshaushalt und weitere -3,5 Mio. EUR im Verwaltungshaushalt des Jobcenters“, schrieb das Referat für Beschäftigungspolitik.

Und es läge nicht einmal in Händen der Stadt zu entscheiden, welche Projektträger überhaupt noch aus dem deutlich verkleinerten Fördertopf Geld bekämen. Der WABE e. V. ist da also auf den guten Willen des Jobcenters angewiesen.

Was 2024 noch gefördert werden soll, wird gerade beraten: „Nach Auswahl der AGH-Maßnahmen für das Jahr 2024 werden diese dem Beirat Jobcenter im November 2023 vorgestellt. Der Beirat berät das Jobcenter bei der Auswahl und Gestaltung der Eingliederungsinstrumente und -maßnahmen. Die Stellungnahmen des Beirats, insbesondere diejenigen der Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, hat das Jobcenter zu berücksichtigen (siehe § 18 d SGB II).“

Qualifikation hat Vorrang

Die Stadtverwaltung übernahm die Haltung des Kleingartenbeirats nicht, sondern legte einen deutlich abgeschwächten Beschlussvorschlag vor, den CDU-Stadtrat Konrad Riedel im Namen des Kleingartenbeirats auch zur Abstimmung stellte: „Die Stadt Leipzig befürwortet und unterstützt die Fortführung der AGH-Maßnahme ‘Leipziger Tafelgärten in Kleingartenanlagen“.

Das spricht nicht gerade dafür, dass das Projekt damit große Chancen hätte, erst recht, wenn die Stadt die veränderte Einstellung in der Arbeitsagentur umreißt: „Hinzu kommt, dass der erste Arbeitsmarkt gegenwärtig über eine hohe Aufnahmefähigkeit verfügt und die Kundinnen und Kunden des Jobcenters höhere Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Dabei werden sie im Prozess der Arbeitsaufnahme mit gezielt eingesetzten Instrumenten begleitet. Der Fokus des Jobcenters in 2023 als auch 2024 liegt auf der Vermittlung in Arbeit und Weiterbildung.“

Und in dem Sinn argumentierte dann auch FDP-Stadtrat Sven Morlok. Wenn überall in der Leipziger Wirtschaft jetzt händeringend nach Arbeitskräften gesucht werde, sei eine Kürzung der Arbeitsmarktförderung geradezu an der Zeit.

Kritische Worte zur Politik des Jobcenters gab es von Linke-Stadtrat Volker Külow.

Aber Konrad Riedel hatte den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung gestellt. Und der wurde dann von der Ratsversammlung auch einstimmig angenommen.

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