In der Ratsversammlung am 27. August wurde auch mehrfach über die Frage debattiert, wer denn nun eigentlich die Verantwortung dafür trägt, dass der Haushalt immer mehr aus dem Ruder läuft und am Ende kaum noch genehmigungsfähig zu sein scheint. Hat die Verwaltung zu üppig Geld ausgegeben? Waren die Gestaltungswünsche der Fraktionen zu groß, stimmen gar die Vorwürfe von CDU und AfD, dass es vor allem die Gestaltungswünsche von Grünen, Linken und SPD waren, die den Haushalt ausufern ließen?
Was ja eine schöne billige Erklärung dafür wäre, wer am Ende Schuld am Dilemma ist. Aber die Grünen wehren sich jetzt deutlich gegen diesen Vorwurf.
Denn wie auch eine aktuelle Nachfrage der Linksfraktion schon bei den ersten Antworten aus der Stadtverwaltung zeigte, ist das Dilemma der Kommunen (bei dem Leipzig ganz und gar nicht allein im Regen steht) auf den gesetzgeberischen höheren Instanzen Bund und Land zusammengebraut worden.
„Die angespannte Haushaltslage ist Ergebnis einer strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen und mangelnder strategischer Priorisierungen der Stadtspitze“, formuliert die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ihre Einschätzung der Lage: „Wer wie AfD, CDU und FDP-Stadtrat Morlok das Haushaltsdefizit auf rot-rot-grüne Ratsentscheidungen zurückführt, unterschlägt, dass diese Fraktionen mit ihren Entscheidungen millionenschwere Belastungen und Risiken mitgetragen haben, die nicht zuletzt unsere Fraktion kritisch gesehen oder abgelehnt hat.“
Wenn ein Stadtrat keine Gestaltungsräume mehr hat
Der Leipziger Doppelhaushalt 2025/26 umfasst rund 2,8 Milliarden Euro pro Jahr. Mehr als 90 Prozent der Ausgaben sind Pflichtleistungen, rechtlich oder vertraglich gebunden, etwa für Sozialleistungen nach Bundes- und Landesrecht, Personal, Kitas und Schulen, den öffentlichen Nahverkehr oder Zinslasten. Diese Pflichtaufgaben lassen der Kommunalpolitik nur sehr geringen Gestaltungsspielraum.
Das freiwillige Haushaltsstrukturkonzept in Höhe von 27,5 Millionen Euro für 2025/26 entspricht weniger als 1 Prozent des Jahreshaushalts und zeigt die engen Grenzen der in Leipzig politisch unmittelbar steuerbaren Mittel.
So betragen die Personalausgaben bis 2026 rund 650 Millionen Euro jährlich. Die Sozialausgaben betrugen zuletzt rund 500 Millionen Euro pro Jahr, Tendenz steigend. Das Gesamtvolumen der Haushaltsanträge des Doppelhaushalts 2025/2026 betrug hingegen nur 7 Millionen Euro im Saldo (Mehrausgaben: 61 Millionen Euro, Minderausgaben: 54 Millionen Euro, u.a. durch geringere Zuflüsse an die LVV). Die von der Verwaltung angeschobene Freiwillige Konsolidierung für 2025/20 26 beträgt 27,5 Millionen Euro, also unter 1 Prozent des Jahresvolumens.
Eine krude Diskussion
Kritisch sieht der Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter die in der Ratsversammlung am Mittwoch, 27. August, teilweise krude Diskussion um die Infragestellung der Haushaltsbeeinflussung durch die Stadtratsfraktionen durch die Fraktionen von AfD, CDU und FDP-Stadtrat Morlok: „Die Aufgabe des Leipziger Stadtrates ist die demokratische Kontrolle des Oberbürgermeisters und seiner Verwaltung.
Der Stadtrat besitzt das oberste Haushaltsrecht und damit die Richtlinienkompetenz für die Kommunalverwaltung. Anträge und insbesondere Haushaltsanträge sind zentrale Instrumente zur aktiven Mitgestaltung und strategischen Steuerung der Verwaltung. Sie entstehen oft im Dialog mit der Stadtgesellschaft und sind keine Belastung für den Haushalt, sondern häufig Voraussetzung dafür, dass Probleme sichtbar werden und Lösungen erarbeitet werden können.
Sie helfen, Ressourcen effizienter einzusetzen, unnötige Bürokratie zu reduzieren und spätere Folgekosten zu vermeiden, zum Beispiel durch kluge Investitionen in Prävention, Bildung oder Digitalisierung. Das antizyklische Agieren während der letzten Doppelhaushalte hat dazu beigetragen, die Folgen von Corona und Ukraine-Krieg zu bewältigen, Wirtschaft und Gesellschaft zu stabilisieren und damit auch Einnahmen zu sichern.“
Eine nachhaltige Haushaltspolitik habe für die Bündnisgrünen einen hohen Wert, so Peter. „Unsere Fraktion hat frühzeitig eine strategische Priorisierung von Investitionen angemahnt. Regelmäßig haben wir uns gegen überteuerte Projekte gewendet und finanziellen Schaden von der Stadt abgewendet. Erinnert sei an die knappe Ablehnung des Investorenmodells der Stadtbau-AG für die Grundschule an der Kurt-Eisner-Schule in 2021, die zu zig Millionen Mehrkosten geführt hätte und der AfD, CDU und Herr Morlok zugestimmt hatten.“
Wenn Kürzungen ans Eingemachte gehen
Und auch die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sylvia Herbst-Weckel, sieht die Positionen von CDU und AfD im Stadtrat kritisch. Denn die hätten zwar gern mit der Kettensäge gespart – aber genau da, wo es die Schwächeren in der Stadt getroffen hätte.
„Es ist richtig, dass sich in den vergangenen Haushaltsbeschlüssen die zusätzlich vom Stadtrat vorgenommenen Ausgaben und Einnahmen nicht die Waage gehalten haben. Dennoch muss man sagen, dass unsere Fraktion, wie andere auch, Deckungsvorschläge zu ihren jeweiligen Haushaltsanträgen unterbreitet haben“, erklärt Sylvia Herbst-Weckel.
„Nur waren diese im überwiegenden Fall nicht mehrheitsfähig, da sie entweder zu tiefen Einschnitten in Kultur, Klimaschutz oder Sozialem geführt hätten, wie etwa von CDU und AfD vorgeschlagen, oder eben da sie schon seitens der Verwaltung, aus uns bis heute unverständlichen Gründen, abgelehnt wurden, wie etwa die Einführung einer Verpackungssteuer oder die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung und des Bewohnerparkens. Hier braucht es endlich mehr Mut und Entschlossenheit, Einnahmeverbesserungen mit Lenkungspotenzial voranzubringen.“
Gemeinsam formulieren sie ihren Anspruch so: „Wer Haushaltsanträge infrage stellt und als Ursache einer Haushaltsschieflage benennt, setzt demokratische Prinzipien aufs Spiel und trägt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft bei. Wir können nur warnen vor Erzählungen, die demokratische Prozesse oder zivilgesellschaftliches Engagement delegitimieren und rufen alle zur Vernunft auf.
Alle an den Debatten und Verfahren Beteiligten sollten zur Sachlichkeit zurückkehren und die tatsächlichen Probleme mit demokratischen Prinzipien lösen. Wir hoffen, dass die gemeinschaftlich und mit Blick in die Zukunft gerichteten Beschlüsse zum Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung nicht permanent infrage gestellt werden, sondern als zwingende Notwendigkeit der Zukunftsfähigkeit unserer Stadt anerkannt werden.
Gerade in einer Haushaltskrise kommt es darauf an, zielgerichtet, differenziert und innovativ zu handeln, statt pauschal zu kürzen oder populistische Verkürzungen zu bedienen. Demokratie heißt, innerhalb begrenzter Mittel kluge Prioritäten zu setzen, damit Leipzig handlungsfähig bleibt und nicht an Zukunftsthemen spart. Politisches Engagement ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.”
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