Nach tagelangen und teils sehr emotional geführten Debatten rings um die „Hotelentscheidung“ des Sächsischen Sozialministeriums vom Montag dieser Woche gab es am heutigen Donnerstag, 5. November 2020 eine gravierende Änderung. Wie BILD Leipzig zuerst berichtet, habe sich das Sächsische Ministerium für Soziales umentschieden und bewertet nun die Reisen aus „Demonstrationsgründen“ als touristischen und nicht dienstlichen Reisegrund.

So war auch nach L-IZ-Informationen in einer Kabinettsitzung der Staatsregierung Sachsens nach mehreren Verständnis- und Haftungsfragen auch für die Hotels erneut die Frage debattiert worden, ob nun Reisen zu Demonstrationen in der „Lockdown“-Zeit tatsächlich Geschäftsreisen gleichgestellt sind und somit für Beherbergungen in Hotels zugelassen werden sollen.

Dieses Mal fiel die Entscheidung zwei Tage vor dem 7. November 2020 quasi gegen „Querdenken“ aus.

So sind nunmehr also Demonstrationsreisen keine dringend nötigen Reisen wie beispielsweise Besuche bei erkrankten Verwandten oder eben eine Geschäftsreise. Einige Hotels wie die IBIS-Kette, welche bereits am Montag, 2. November, offen ansprach, dass durch die mangelhafte Trennung der Definitionen nicht klar sei, wie man das nun genau prüfen solle, dürften aufatmen, da nun deutlich mehr Rechtssicherheit eintritt. Die „Motel One“-Gruppe hatte bereits Anfang dieser Woche alle Buchungen ab 6. und 7. November 2020 wieder storniert, darunter etliche „Querdenker“-Buchungen.

Nunmehr müssen also alle Reisenden bis zum 30. November 2020 in sächsischen Hotels Nachweise vorlegen, aus denen hervorgeht, dass die Reise einer Gewinnerzielungsabsicht, also geschäftlichen Zwecken dient. Die Stadt Leipzig begrüßte diese Umentscheidung und ließ mitteilen, dass sich dieses Beherbergungsverbot für Demonstrationsreisende auch auf die Anfahrt mit privaten Reiseunternehmen (also nicht Deutsche Bahn) auswirken könnte.

Auch hiervon sind Teile der „Querdenken“-Bewegung betroffen. Sie organisieren derzeit ihre Anreisen nach Leipzig mit dem „Honk for Hope“-Veranstalter Kaden Reisen aus Plauen. Das Ticket kostet 30 Euro pro Person und kann im Netz erworben werden. Da der Reiseveranstalter wie eine Art „Lumpensammler“ im Zick-Zack verschiedene Städte anfährt, werden die Busse in Leipzig reichlich gefüllt eintreffen, wenn sie eventuell von Ordnungsamt und Polizei kontrolliert werden.

Bislang galt Kaden Reisen vor allem deshalb als beliebt, weil diese Demo-Fahrten „maskenlos“ sein sollen. Bereits am morgigen Freitag, 6. November 2020, sollen die ersten Busse in Leipzig eintreffen.

Parallel dazu war heute die Entscheidung bekannt geworden, dass „Querdenken“ aus Platzgründen und den Abstandgeboten zudem auf den Parkplätzen der Leipziger Messe und nicht auf dem Augustusplatz demonstrieren soll. Dagegen und sicher auch gegen weitere Auflagen möchten die Anwälte der Bewegung den Klageweg vor dem Verwaltungsgericht beschreiten.

Hilfe „von oben“

„Angesichts der angekündigten Demonstrationen am Samstag, 7. November 2020 in Leipzig setzen Leipziger Christinnen und Christen ein Zeichen für Verantwortung, Respekt, Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Pandemie.“ Dies teilten heute gleich drei wichtige Kirchgemeinden der Stadt gemeinsam mit.

Um 13, 15 und 17 Uhr finden am 07.11.2020 in der Propsteikirche, der Thomaskirche und der Nikolaikirche ökumenische Gottesdienste und Andachten mit Gebet für den Frieden in der Stadt und die von der Covid-19-Erkrankung betroffenen Menschen und ihre Angehörigen statt. Weitere Informationen finden sich hier auf L-IZ.de.

Querdenker raus aus der Stadt und vor Gericht

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„Querdenker“-Demo erhält Rückendeckung vom Freistaat und Motel One storniert

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Es gibt 6 Kommentare

J.
“Es gibt kein Menschenrecht auf Übernachtung”
Erklären Sie das mal einen Obdachlosen.

Es gibt kein Menschenrecht auf Übernachtungen.

Und demonstrieren können die Leute ja nach wie vor, sie müssen dann eben nur am selben Tag nach Hause fahren. Das ist durchaus möglich, so groß ist Deutschland ja nicht.

Natürlich wird es mir auch blümerant, wenn es offenbar schon mehrfach vorgekommen ist, dass Menschen trotz mehrfachen negativen Tests in Quarantäne mussten (kenne selber jemanden, dem das geschehen ist). Grenzen werden überschritten, wenn manch Politiker von Hausdurchsuchungen aufgrund von Denunziationen oder von Zwangseinweisungen auf den bloßen Verdacht, dass jemand Corona haben könnte, öffentlich träumt. Ich verstehe auch jeden Menschen mit Existenz- und Zukunftsangst und sehe vieles an der derzeitigen Politik kritisch, weil bspw. soziale und andersweitige medizinische Folgen permanent ausgeblendet werden.

Die Patienten trauen sich bspw. schlicht nicht zum Arzt, ist ja auch nachvollziehbar. Betrifft Krebskranke, Herzkranke usw.

https://www.rnd.de/gesundheit/angst-vor-infektion-krebs-patienten-kommen-in-corona-krise-erst-spater-in-klinik-5N472NKUH3M5EDYLPXFNJW2WMU.html

Suchtberatungen haben auch schon wieder Alarm geschlagen usw. Es gibt vieles, was man bedenklich finden kann derzeit.

Aber eine riesige, unüberschaubare Demonstrationssituation, bei der es von unterschiedlichsten Seiten Gewaltaufrufe gibt und zusätzlich noch jetzt, wo eine Krankheit kursiert? Klar muss die nicht für jüngere gefährlich sein, kann sie aber. Also wenn mich wer fragt: ” Hey, es gibt eine ansteckende Krankheit, geht gerade überall herum, bei vielen verläuft sie aber nicht schlimm, jaja, manche sterben dran, magst du mal ausprobieren?” Würde zumindestens ich mit “Nein Danke” antworten. Ich möchte auch keinen meiner Nachbarn, die teilweise älter sind, im Treppenhaus unbewusst anstecken, wenn ich symptomlos bin.

Etwas kritisch sehen und seine Meinung äußern, meinetwegen. Und meinetwegen auch demonstrieren, aber doch nicht so?

“Querdenken” ist doch sowieso nur ein unscharfes Sammelbecken für alle möglichen Gruppierungen mit allen möglichen Forderungen – einzelne Forderungen und Meinungen werden bei so einem riesigen Meinungsäußerungssalat von außen sowieso nicht mehr wahrgenommen, verschwimmen in der Masse – was bleiben wird, sind dann wieder die Bilder der Extreme, weil die sich gut machen im Mediendschungel. Wer also meint, seine Meinung würde durch die Teilnahme an so einer bizarren Großveranstaltung sichtbar werden, irrt – sei seine Meinung oder seine Kritik sonst auch irgendwo mehr oder weniger berechtigt oder nachvollziehbar.

Es wären besser andere Wege des Protests und der Meinungsäußerungen zu finden, und andere Zeiten, um zu demonstrieren.

Kann es sein, dass die “Querdenken”-Chefs alle ein Hotelzimmer bekommen werden? Wenn ich so lese, wie die Ordner/”Deeskalationsteam” geschult werden und explizite Teile sich um die “Spendenbüchsen” drehen, ahne ich, wie auch bei den ständigen “Schenkungsaufrufen” seitens der Anwälte für ihre Arbeit eine gewisse Verdienstabsicht. Also haben die das Problem schon mal nicht ….

Ok, ich beiße mal an: Wer soll denn da Druck ausgeübt haben? Klar gibt es Interesse u.a. der Stadt, vielleicht sogar der Polizei, aber wenn es nicht nur eine rhetorische Frage sein soll, dann gerne bitte etwas genauer!
Es gibt ein zugrundeliegendes Urteil, wenn ich mich recht erinnere aus Bremen, dass eine Geschäftsreise definiert und somit ist die Umsetzung nur konsequent. Ob sinnvoll/nachvollziehbar ist wieder ein anderes Thema und wer das anderweitig beurteilt, dem steht selbstverständlich der Rechtsweg offen.
Zudem brauche ich für eine Demo-Teilnahme nicht zwingend eine (Hotel-)Übernachtung, denn die Teilnahme wird durch das Verbot der tour. ÜN/F nicht verhindert. Wer meint für ca. 2h, länger wird wohl die zu erwartende Missachtung der Auflagen nach der PK heute von der Polizei nicht geduldet, ein paar Stunden anzureisen kann das natürlich machen und danach gleich wieder zurückfahren. Das schaffen jedes Jahr tausende Sportfans, Konzertbesucher und ja, auch Geschäftsreisende.
Was hat das jetzt mit Ökonomie > Menschenrechte zu tun? Welche Menschenrechte werden denn hierdurch eingeschränkt?

Sehr interessant diese Meinungswende des Ministeriums. Ob da wohl massiv Druck ausgeübt wurde?

Um im Hotel übernachten zu dürfen, braucht man also eine Gewinnerzielungsabsicht. Eine Demonstration zur Ausübung der Meinungsfreiheit reicht nicht aus.

So wird klar, wo die Schwerpunkte liegen. Ökonomie vor Menschenrechten. Die Coronathematik zeigt einiges einfach nur ganz deutlich. Übrigens, auch der Gesundheitssektor wird mittlerweile als Wirtschaftsfaktor betrachtet …

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