Es ging ja hoch her, als bekannt wurde, dass der Bundesverfassungsschutz nicht nur den „Flügel“ der AfD zur Beobachtung prüft, sondern die ganze Partei. Die AfD zog ja auch gleich vors Verwaltungsgericht – freilich nicht, um den Verdacht aus der Welt zu schaffen, sondern weil die Sache mit der Beobachtung öffentlich geworden war. Ähnlich umtriebig war ja im Februar auch schon die sächsische AfD gewesen.

Hier war sie über Meldungen in der Dresdner Morgenpost und des MDR gestolpert. Der MDR hatte am 2. Februar berichtet: „In mehreren Bundesländern, darunter Thüringen und Sachsen-Anhalt, wird die AfD schon vom Verfassungsschutz überwacht. Auch in Sachsen wird die Partei jetzt wegen rechtsextremistischer Bestrebungen zum Verdachtsfall. Die AfD kündigte juristische Schritte an – auch weil die Informationen an die Öffentlichkeit gelangten.“Juristisch wird das der AfD wenig bringen, denn die berichtenden Medien werden höllisch aufpassen, nicht zu verraten, woher sie die Informationen haben und wer der Informant war. Wobei das Nichterwähnen der Beobachtung ja nur durch die entsprechende Formulierung im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz bedingt ist. Denn dass es diese Untersagung gibt, ist den AfD-Granden durchaus bewusst.

Sie fragten trotzdem noch mal nach und Innenminister Roland Wöller hat es auch noch einmal trocken erklärt: „Gemäß § 15 Satz 1 Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (SächsVSG) unterrichten das Staatsministerium des Innern und das Landesamt für Verfassungsschutz(LfV) Sachsen die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach§§ 2 Absatz1, 3 Absatz1 Sächs VSG. Insoweit beschränkt sich die Berichterstattung auf erwiesene extremistische Bestrebungen.“

Und während die AfD auch mit ihrer Klage vorm Verwaltungsgericht in Köln suggeriert, dass die Beobachtung durch den Verfassungsschutz quasi ungesetzlich sei, wenn der das auch noch in die Welt hinausposaunt, ist der entsprechende Passus auch im sächsischen Verfassungsschutzgesetz eigentlich anders motiviert.

Denn er soll im Grunde verhindern, dass der Verfassungsschutz zum Teil der öffentlichen Berichterstattung wird. Ob eine extremistische Bewegung zum Beobachtungsobjekt wird, prüft die Behörde intern und im Idealfall so, dass es niemand mitbekommt. Sie erklärt auch nicht öffentlich den Verdachtsfall. Dass jemand beobachtet wird, soll derjenige erst erfahren, wenn es im Verfassungsschutzbericht schwarz auf weiß steht.

„Die AfD hatte dem Verfassungsschutz vorgeworfen, eine Einstufung als Rechtsextremismus-Verdachtsfall und das Durchsickern der Information sei politisch motiviert. Nun fühlt sich die Parteispitze bestätigt“, schrieb der „Spiegel“ zum Entscheid des Verwaltungsgerichts Köln.

Was schon seltsam ist. Da zündeln die prominenten Politiker/-innen der AfD seit Jahren öffentlich mit rechtsextremen Aussagen, die sie eindeutig als Vertreter einer rechtsextremen Partei kennzeichnen. Aber wenn auch nur die Vermutung im Raum steht, diese Gesinnung könnte zum Beobachtungsfall für den Verfassungsschutz werden, laufen die ertappten Herren Sturm, spielen die Unschuld vom Lande und tun so, als würden hier im Superwahljahr die Wahlchancen einer doch eigentlich braven bürgerlichen Partei auf unzumutbare Weise gestört werden.

Als würde sich ausgerechnet der harte Kern der Wählerschaft davon abhalten lassen, diese Partei zu wählen, wenn die nun zum Beobachtungsfall für den Verfassungsschutz würde. Dabei wählt der harte Kern diese Partei, weil sie genauso extrem ist, wie sie sich auch gibt.

Und in Sachsen? Wer hat da geplaudert?

„Die Staatsregierung hat keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung“, erklärt Innenminister Roland Wöller auf die Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Roland Ulbrich zur MDR-Meldung hin.

Zur zeitgleichen Meldung der MoPo hatte der AfD-Abgeordnete Carsten Hütter gefragt. Der wollte auch gleich mal wissen, ob die Staatsregierung nun aufklärt, wer da was durchgestochen haben könnte. Doch die sieht überhaupt keinen Anlass, wie Roland Wöller betont:

„Die Staatsregierung erstattet Strafanzeige, wenn sie der Auffassung ist, dass strafrechtsrelevante Vorkommnisse vorliegen. Ob dies hier der Fall ist, kann im Hinblick auf die fehlende Rechtsgrundlage, über Verdachtsfälle zu unterrichten, nicht beantwortet werden. Hieraus könnten gegebenenfalls Schlussfolgerungen gezogen werden, die im Widerspruch zur Sperrwirkung des § 15 Satz1 Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (SächsVSG) stehen. Gemäߧ 15 Satz1 SächsVSG unterrichten das Staatsministerium des Innern und das Landesamt für Verfassungsschutz(LfV)Sachsen die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach §§ 2 Absatz1, 3 Absatz 1 Sächs VSG. Insoweit beschränkt sich die Berichterstattung auf erwiesene extremistische Bestrebungen. Es wird darauf hingewiesen, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission auf deren Verlangen weitergehende Auskünfte erteilt werden“ können.

Der zitierte Paragraph soll ja extremistische Gruppierungen nicht davor schützen, dass sie beobachtet werden, sondern eigentlich die Arbeit des Verfassungsschutzes sichern. Wenn der was Handfestes rausbekommt, steht es dann im nächsten Verfassungsschutzbericht.

Gut möglich, dass einige auf Schlagzeilen versessene Journalisten nur ihre guten Drähte in Behörden und Ministerien genutzt haben, um bestätigt zu bekommen, dass die AfD endlich beobachtet wird, weil doch nun die ganze Republik schon seit Jahren über den rechtsextremen Kurs der Partei diskutiert. Vielleicht hat irgendein genervter Sachbearbeiter nur immer wieder gesagt: „Dazu sage ich Ihnen nichts.“

Und wer die nervenden Reporter kennt, weiß, dass auch das manchmal schon genügt, um einen Verdacht zu bestätigen, den die Behörde nie im Leben öffentlich dementieren wird.

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