Das ärgerte dann den AfD-Landtagsabgeordneten Dr. Rolf Weigand doch gewaltig, dass da am 21. Juli in Freiberg der Leipziger Autor Michael Kraske aus seinem Buch „Tatworte. Denn AfD & Co. meinen, was sie sagen“ lesen durfte. Und das auch noch mit Unterstützung von Demokratiefördermitteln von Bund und Land. Durften die das da überhaupt? So öffentlich auch noch gegen eine im Landtag vertretene Partei?

Aber Demokratie heißt ja nicht, dass man die eine in den Landtag gewählte Partei irgendwie toll finden muss oder gar harmlos. Denn das ist sie nicht. Genau darum geht es ja in Michael Kraskes Buch, in dem er zeigt, wie AfD-Politiker ganz bewusst Vokabular verwenden, das den Raum des Gesagten immer weiter nach rechtsaußen verschiebt.Er beschäftigt sich mit Worten wie „Vogelschiss“, „Kopftuchmädchen“, „Ausmisten“ und „Jagen“ und welche Bedeutung sie in sich tragen und was das eigentlich für die politische Kultur bedeutet. So unschuldig, wie die AfD gern tut, ist sie nun einmal nicht.

Und wie Nicolai Boudaghi und Alexander Leschik in ihrer jüngst erschienenen Rückschau auf ihr eigenes Wirken in der AfD feststellen, hatte der grenzüberschreitende Sprachgebrauch auch immer den Zweck, die hellblaue Partei für rechtsradikale Wähler und Mitglieder zu öffnen. Was im Effekt einen massiven Rechtsrutsch der Partei bedeutet.

Ist nur die Frage: Darf sich die Demokratie dagegen eigentlich auch wehren, indem man solche Lesungen wie am 21. Juli in Freiberg – getragen von der Kirchengemeinde Petri-Nikolai, dem Taschenbuchladen Freiberg und dem Netzwerk „Freiberg für Alle“ – auch noch im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und aus Steuermitteln des sächsischen Haushaltes fördert?

„Wird die oben genannte Veranstaltung finanziell durch den Freistaat Sachsen gefördert?“, wollte Weigand wissen und gleichermaßen, „welche Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung, um eine Bewerbung mit direktem Bezug auf den Sächsischen Landtag schnellstmöglich zu unterbinden?“

Man merkt schon in der Frage: Am liebsten würde die AfD solche Veranstaltungen, die sich mit dem hellblauen Irrlicht beschäftigen, gleich komplett verboten wissen.

Aber Demokratie bedeutet nun einmal Vielfalt. Auch in der Entscheidungsebene, wie Staatssekretär Thomas Popp in der Antwort des Demokratieministeriums erläutert:

„Der Freistaat Sachsen (Geschäftsstelle Landespräventionsrat) hat für das Projekt keine Landeszuwendungen bewilligt. Der Landkreis Mittelsachsen erhält vielmehr im Rahmen des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘ Fördermittel des Bundes und Kofinanzierungsmittel des Freistaates Sachsen für die Arbeit der sogenannten ‚Lokalen Partnerschaft für Demokratie‘ (PfD).

Die Weitergabe von Fördermitteln an die Letztempfänger im ‚Handlungsbereich Kommune‘ wird im Rahmen des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘ den Fördergrundsätzen entsprechend durch einen lokalen Begleitausschuss entschieden und in kommunaler Selbstverwaltung umgesetzt. Wegen der Nebenbestimmungen zum Zuwendungsbescheid haben die Kommunen sicherzustellen, dass bei Förderungen von Projekten im Rahmen der PfD sowohl auf den Bund als auch auf den Freistaat Sachsen unter Verwendung der vorgegebenen Fördersignets hingewiesen wird. Diese Verpflichtung gilt gleichermaßen für die Letztempfänger im Falle der Weiterleitung einer PfD-Zuwendung.“

Und in diesem Rahmen hat der Landkreis Mittelsachsen 30.000 Euro für das Haushaltsjahr 2021 bekommen. Nicht gerade viel. Aber ein paar Lesungen mit Autoren, die sich mit den Gefährdungen der Demokratie beschäftigen, sind da schon drin.

Aber die AfD-Fraktion im Landtag ist ja mittlerweile geübt darin, auch noch den kleinsten Fördergeldempfänger abzufragen, wenn es Demokratieförderung betrifft. Was eigentlich schon alles sagt über das Demokratieverständnis der AfD. „Die Kirchengemeinde Petri-Nikolai, der Taschenbuchladen Freiberg und das Netzwerk ‚Freiberg für Alle‘ erhalten derzeit keine Fördermittel des Freistaates Sachsen“, antwortet Popp trocken.

Denn natürlich arbeiten die meisten Demokratieinitiativen in Sachsen meistens ohne Förderung. Was sie über Jahre in ländlichen Räumen auch fatal geschwächt hat. Das hat sich erst in den letzten Jahren etwas geändert und ist natürlich der AfD ein Dorn im Auge.

Aber dann lässt Weigand doch noch gucken, dass es eigentlich nur um die Opferrolle geht, die die AfD auch in Sachsen nur zu gern einnimmt: „Welche Projekte, die sich kritisch mit den im Sächsischen Landtag vertretenen Parteien auseinandersetzen, werden seitens des Freistaates Sachsen gefördert? (Bitte die jeweiligen Förderprogramme oder die Haushaltstitel sowie Projekttitel, Höhe der Förderung und den Zeitraum bzw. die Dauer der Förderung angeben.).“

Wie kommt ein AfD-Abgeordneter eigentlich zu dem Eindruck, mit Parteien im Landtag dürfte man sich nicht kritisch auseinandersetzen? Das mag in Diktaturen die Norm sein, aber ganz bestimmt nicht in der Demokratie. Wobei es in der Förderung natürlich ausdrücklich um demokratische Wertevermittlung geht.

Das ist auf den ersten Blick natürlich ein Spagat, wie Popp erläutert:

„Im Bereich der Demokratieförderung und Extremismusprävention widmen sich die geförderten Träger bzw. Projekte ausschließlich der Vermittlung und Bildung demokratischer Werte, unter anderem im Rahmen des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘ und des Landesprogramms ‚Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz‘. Der Freistaat Sachsen fördert keine Projekte, die sich das Ziel gesetzt haben, sich kritisch mit den im Sächsischen Landtag vertretenen Parteien auseinanderzusetzen. Dem stünde insbesondere das staatliche Neutralitätsgebot entgegen.

Dieses besagt, dass mit öffentlichen Mitteln keine Maßnahmen gefördert werden dürfen, die sich ausdrücklich gegen eine oder mehrere politische Parteien richten. Ebenso wenig dürfen Maßnahmen gefördert werden, die sich explizit für bestimmte politische Parteien einsetzen. Ausdrücklich förderfähig sind dagegen Maßnahmen, die darauf abzielen, die Werteordnung des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates Sachsen zu stärken.“

Und da wird es natürlich spannend, denn in Artikel 18 der Sächsischen Verfassung heißt es zum Beispiel: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (…) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Ein Artikel, gegen den die AfD verbal immer wieder verstößt. Keine andere Partei im Landtag betont so häufig die Ungleichheit von Menschen wie die AfD und fordert die Einschränkung von Gleichheitsrechten. Darf man sich damit in einem Demokratieprojekt beschäftigen? Man sollte sogar. Sonst lernt man nämlich das Elementarste nicht: Dass die Zerstörung der Demokratie damit beginnt, dass man Menschen ihre Rechte und ihre Würde entzieht und damit die Gleichheit vor dem Gesetz.

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