An sein damals letztes Spiel als Zweitliga-Trainer beim FFV Leipzig erinnert sich Dr. Hendrik Rudolph auch nach sieben Jahren noch sehr gern zurück. In einer dramatischen Partie beim punktgleichen Tabellennachbarn SV Blau-Weiß Hohen Neuendorf, erkämpften sich die Leipzigerinnen ein 1:1-Unentschieden. Noch in der Nachspielzeit hatte Ersatzkeeperin Sandra Schumann einen Elfmeter der Gastgeberinnen pariert und dem FFV damit in allerletzter Sekunde den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga Nord gesichert.

„Dieses Spiel war ein Erlebnishöhepunkt in meiner Trainerlaufbahn“, schwärmt Rudolph auch heute noch. Sein Traineramt hatte er nach diesem furiosen Saisonfinale dennoch zur Verfügung gestellt – „aus persönlichen sowie beruflichen Gründen“, wie es hieß.„Für die Mannschaft kam mein Rücktritt überraschend“, weiß Rudolph. Im Nachhinein sei das Team sogar noch einmal auf ihn zugekommen und hatte ein selbstproduziertes Video überreicht – verbunden mit der Hoffnung, den Trainer zur Rückkehr bewegen zu können.

„Es war ja eine tolle Zeit, und ich hatte wirklich darüber nachgedacht“, gestand er im LZ-Interview, „aber der Verein hatte inzwischen bereits einen neuen Trainer verpflichtet, denn sie mussten ja reagieren. Damit hatte sich das Thema dann auch erledigt.“ Sein beruflicher Fokus lag nun wieder ausschließlich auf seiner „Sauna im See“ – am Cospudener See – und dem Studio „Fitness exclusiv“, das der 60-Jährige bis heute im Leipziger Süden betreibt.

Sieben Jahre ohne Fußball

Attraktive Angebote in Sachen Fußball ergaben sich in den folgenden Jahren für ihn nicht. Bei Rasenballsport Leipzig hatte er sich ein paar Jahre später in der Hoffnung getragen, die 1. Frauen-Mannschaft übernehmen zu können. „Da stand aber eine andere Mannschaft als die Erste zur Debatte, ich wollte aber eben nur diese Erste“, sagt er und gibt zu: „Vielleicht war es im Nachhinein ein Fehler. Allerdings hat sich die Wertigkeit des Frauenfußballs bei RB auch erst sukzessive herausgebildet, mit dem Ziel, in die 1. Bundesliga zu kommen und entsprechend zu investieren“.

Im Februar 2017 gründete sich wiederum mit dem FC Phoenix Leipzig ein ganz neuer Frauen- und Mädchenfußballverein in der Stadt. Maßgeblichen Anteil daran hatten mehrere ehemalige FFV-Spielerinnen, die auch schon von Hendrik Rudolph trainiert worden waren und nun wieder bei ihm anklopften. „Sie hatten mich angesprochen, aber das war damals kein Thema für mich. Denn es war ein neu gegründeter Verein und mir war unklar, was und wie viel wirklich dahinter steckt, auch leistungsmäßig. Das war mir einfach zu vage.“

Neustart in der Regionalliga

Also blieb es vorerst bei Sauna und Fitness-Studio. Bis zu dem Tag, an dem er zufällig im Social-Media-Status einer seiner ehemaligen FFV-Spielerinnen las, dass bei deren aktuellem Team – dem SV Eintracht Leipzig-Süd (ELS) – ein neuer Trainer für die Regionalliga gesucht wird. „Da dachte ich mir, 3. Liga kann man noch mal machen, habe Kontakt aufgenommen und dann war das auch schnell geklärt“. In Sachen Frauenfußball hat der Verein von der Südkampfbahn schon lange Jahre vorbildliche Arbeit geleistet.

Die Leipziger Zeitung, Ausgabe 94. Seit 3. September 2021 im Handel. Foto: LZ

Im Jahr 2014 hatten die ELS-Frauen sogar die Regionalliga Nordost gewonnen, verzichteten dann allerdings aus wirtschaftlichen Gründen auf den Aufstieg in die 2. Bundesliga. „Mit ELS hat man einen sehr engagierten Verein, für den die Frauenabteilung einen hohen Stellenwert besitzt und der viel für den Nachwuchs tut. Seitens des Vereins spüre ich die Unterstützung und den Willen, sich hier etwas entwickeln zu lassen. Das passt gut und ist auch vom Leistungsniveau her eine reizvolle Aufgabe“, hatte Rudolph von Anfang an ein gutes Gefühl – und unterschrieb bei ELS einen Vertrag für diese Saison.

Die Saison 2021/2022 wird in der Regionalliga Nordost in einer 17er-Staffel ausgespielt, allerdings nur in einer einfachen Runde, also ohne Rückrunde. Das Hauptziel für Rudolph und sein neues Team lautet zunächst erst mal, den Klassenerhalt zu sichern. Zum Saisonauftakt am vergangenen Sonntag legte die Eintracht dafür schon mal einen guten Grundstein. Gegen den Rostocker FC gewann sie klar mit 4:0 und zeigte dabei eine Leistung, bei der Coach Rudolph regelrecht ins Schwärmen geriet:

„Wir haben die erste Viertelstunde begonnen wie ein Feuerwerk und auch gleich drei Tore gemacht, damit war das Ding eigentlich schon geklärt. Ausnahmslos alle Spielerinnen haben wirklich alles gegeben. Es war eine unglaubliche Leistungs- und Willensbereitschaft vorhanden, an die eigenen Grenzen zu gehen. Alle waren richtig geil auf dieses Spiel und diesen Sieg und haben dafür alles reingehauen. Die Atmosphäre im Team war grandios, alle haben sich gegenseitig getragen. Das war echt beeindruckend, das habe ich in dieser Hundertprozentigkeit noch nie erlebt“.

Harte Brocken warten

Dieses Erfolgserlebnis könnte eine wichtige Referenz und Energiespender für die unmittelbar anstehenden harten Brocken werden. Denn nun geht es gegen Rasenballsport II (A/05.09./Endstand 1:1), den FC Carl Zeiss Jena II (H/12.09./Endstand 1:9) und Viktoria Berlin (A/18.09.), bevor dann am 10. Oktober das Derby gegen den FC Phoenix Leipzig steigt. Wie schon die Auftaktbegegnung gegen Rostock, kann aller Voraussicht nach auch das Heimspiel gegen Jena noch nicht auf der Südkampfbahn ausgetragen werden, da dort im Duschwasser Legionellen festgestellt wurden, die erst vollständig beseitigt werden müssen. Ein Ausweich-Spielort wird daher aktuell dringend gesucht.

Übrigens: Am drittletzten Spieltag (08.05.2022) muss ELS auswärts bei Blau-Weiß Hohen Neuendorf antreten. Für Dr. Hendrik Rudolph wird das eine Rückkehr an die Stätte seines denkwürdigen Erfolges werden. Und vielleicht schreiben die Leipzigerinnen dort auch diesmal ein spannendes Stück Fußballgeschichte …

„Alle waren geil auf diesen Sieg: Fußball-Lehrer Hendrik Rudolph nach sieben Jahren zurück im Trainer-Geschäft“ erschien erstmals am 3. September 2021 in der aktuellen Printausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Unsere Nummer 94 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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