Frank Bsirske hatte am 13. April anlässlich des zur Stilllegung der LVB geratenen Warnstreiks in Leipzig den Eindruck gemacht: Hier sei viel möglich. Vor allem sechs Prozent, gut vielleicht fünf oder 4,5 mehr Lohn binnen der nächsten 12 Monate, angesichts der streikbereiten Leipziger Erzieher, Stadtangestellten, LVB-Mitarbeiter ein Eindruck, den viele auf der Abschlusskundgebung auf dem Wagner-Platz durchaus teilten. Herausgekommen ist ein Ergebnis, welches seit gestern Abend die Kommentarspalten der Zeitungen mit reichlich Verärgerung füllt.

Denn die Erwartungen waren angesichts der deutschlandweit rund 150.000 Warnstreikenden in der gleichen Woche durchaus hoch gewesen. Slogans wie “Wer nicht kämpft, hat schon verloren” und vom starken Arm, der die Räder stillstehen lassen kann, machten die Runde. Vor allem in Leipzig war eine ungewöhnlich hohe Mobilisierung zu sehen gewesen, am Streiktag ruhte der Bahn- und Busverkehr von 3 bis 14 Uhr praktisch ausnahmslos. Hinzu kamen die hohen Erwartungen angesichts der Steuereinnahmen der letzten beiden Jahre und die immer deutlicher werdende Personalnot in den betroffenen Branchen und Verwaltungen.

Kurz und präzise bringt nun die Arbeitgeberseite, also die Kommunalen Arbeitgeber, das Erreichte aus ihrer Sicht auf den Punkt: „Das Ergebnis sieht für die mehr als zwei Millionen kommunalen Beschäftigten Gehaltserhöhungen in drei Stufen vor. Ab März 2018 steigen die Einkommen im Durchschnitt um 3,19 Prozent, ab April 2019 nochmals um 3,09 Prozent und ab März 2020 um weitere 1,06 Prozent. Das bedeutet in Gänze ein Kostenvolumen von rund 7,4 Milliarden Euro. Die Laufzeit beträgt 30 Monate.“

Aus sechs Prozent Lohnforderung binnen 12 Monaten sind somit 7,34 Prozent (inkl. Sonderzahlungen 7,5 Prozent) in 30 Monaten, also 2,5 Jahren geworden. Legt man die Kostenvolumenberechnung der Arbeitgeber zugrunde, heißt der Unterschied schon im ersten Jahr immerhin statt der erzielten 3,16 Milliarden zu knapp 6 Milliarden (5,91 Milliarden) bei sechs Prozent pro Jahr bereits 2,75 Milliarden Unterschied. Langsam aufgeholt wird dies dann im Jahr zwei und drei der Vereinbarung, allerdings unter der Fragestellung, was in dieser Zeit Mieten, Verbraucherpreise und die Gesamt-Inflation von dieser Steigerung wieder nehmen wird.

Gerade die zeitliche Streckung könnte vielen Angestellten die Steigerungen auf dem Lohnzettel so wieder zumindest teilweise reduzieren und der nächste Arbeitskampf ist erst ab frühestens September 2020 wieder möglich. Wichtig für die Arbeitgeberseite war demnach auch die langfristige Planbarkeit, angesichts der wachsenden Streiklust der öffentlich Angestellten kein Wunder. Weiter heißt es nämlich: „Damit besteht für die Arbeitgeber hohe Planungssicherheit.“ Mit dem Abschluss ist nun erst einmal Ruhe an der Streikfront, während die IG Metall 4 Prozent Lohnzuwachs sofort vereinbaren konnte, geht Ver.di damit auf eine längere Distanz.

Frank Bsirske hingegen sah es in einem ersten Videostatement am gestrigen Dienstagabend so, dass damit „6,3 Prozent mehr Lohn nach 13 Monaten“ realisiert seien, ein gutes Ergebnis, so der Ver.di-Chef am 17. April.

Geringe Löhne – noch immer ein ostdeutsches Phänomen

Auch aus der besonderen Fokussierung auf die unteren Lohngruppen mit der Forderung, mindestens 200 Euro mehr im Monat – nicht ganz unwichtig gerade für die ostdeutschen Arbeitnehmer in den städtischen Verwaltungen, Kitas, Horten, in Krankenhäusern, bei den Berufsfeuerwehren und im Nahverkehr – ist eher weniger, denn mehr geworden. „Die Verhandlungspartner haben in den unteren Einkommen eine Mindesterhöhung vereinbart. Mit Wirkung vom März 2018 gibt es eine Einmalzahlung von 250 Euro.“

Dafür hat man eine noch nicht näher beschriebene „mehrstufige Angleichung der Jahressonderzahlung Ost an das Westniveau“ vereinbart, so die Arbeitgeber. Ob dies alles bereits genügt, um dem vor dem Abschluss immer wieder betonten Fachkräftemangel beim öffentlichen Dienst Herr zu werden, ist wohl offen. Durch die prozentualen Zuwächse steigen jedoch zumindest die oberen Tarifgruppen deutlich, während am unteren Ende eher zwischen 20 bis 50 Euro monatlich zu Buche stehen werden.

Für den Nachwuchs gibt es dafür etwas mehr: „Das Ausbildungsentgelt erhöht sich in den Jahren 2018 und 2019 um jeweils 50 Euro. Der Urlaubsanspruch der Auszubildenden steigt auf 30 Arbeitstage. Die beschlossene prozentuale Entgeltsteigerung wird auf die ebenfalls von den Verhandlungen betroffenen Tarifverträge für Versorgungsbetriebe (TV-V) und Nahverkehrsbetriebe (TV-N) übertragen.“

Damit ist also auch klar, dass die Tarifvereinbarungen auch für die Mitarbeiter der LVB und bei Leo Bus in Leipzig gelten werden.

Die Pressemitteilung des Arbeitgeberverbandes der kommunalen Arbeitgeber vom 17. April 2018.

Nachtrag der Redaktion: Der Abschluss für den öffentlichen Dienst (ÖD) wird nicht direkt, aber in weiten (Grund)Teilen und der Richtung nach auch für die Tarifverhandlungen der Nahverkehrsbetriebe gelten. Diese werden im Detail noch weitere Regelungen vorsehen, welche noch zu verhandeln sind. Ver.di wurde dazu bereits gestern früh angefragt, um die Details abzuklären.

Eine durchschlagende Warnung: Ver.di legt die LVB in Leipzig lahm + Video Rede Frank Bsirske

Eine durchschlagende Warnung: Ver.di legt die LVB in Leipzig lahm + Video Rede Frank Bsirske (Ver.di)

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Keine Kommentare bisher

Ganz schön viel Aufregung für einen Inflationsausgleich – wesentlich mehr ist es ja nicht geworden.

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