Großstadt und ländliche Räume entwickeln sich auch in Mitteldeutschland immer weiter auseinander. Junge Menschen ziehen zu Ausbildung, Berufseinstieg und Familiengründung in die Großstadt, während sich die ländlichen Räume immer mehr entleeren. Und auch die Zuwanderung aus dem Ausland scheint den Bevölkerungsverlust in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht aufhalten zu können. Das macht den Wohnungsunternehmen aus der Region immer größere Sorgen.

Denn Pläne zur Stabilisierung der ländlichen Räume gibt es nicht. Mit der Folge, dass die Wohnungunternehmen – trotz Zuzugs aus dem Ausland – mit einem dauerhaften Basisleerstand arbeiten müssen und für die Zukunft damit rechnen, dass weitere Wohnungsbestände nicht mehr gehalten werden können.

Weshalb die sozial orientierten Unternehmen der organisierten Wohnungswirtschaft in Mitteldeutschland am Mittwoch in Leipzig zum Pressetermin einluden. Bei der Gelegenheit kritisierten die mitteldeutschen Wohnungsverbände die einseitige Ausrichtung der Bundespolitik auf den Neubau von 400.000 Wohnungen in Ballungsräumen mit angespannten Wohnungsmärkten auf das Schärfste.

Ihr Appell richtet sich an die Bundesregierung, die Realität in Mitteldeutschland mit rund 1,2 Millionen Wohnungen und einem Leerstand von durchschnittlich 8 Prozent nicht zu verfehlen.

Grafik zuBevölkerungsprognosen für die drei mitteldeutschen Länder. Grafik: Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften
Die Bevölkerungsprognosen für die drei mitteldeutschen Länder. Grafik: Verband der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt e. V.

Und auch wenn es aus Sicht der wachsenden Großstadt Leipzig nicht so aussieht, stehen die mitteldeutschen Wohnungsunternehmen aktuell vor den größten Herausforderungen der letzten 30 Jahre: Die demografische Entwicklung führt, gepaart mit einer Abwanderung, zu einer schrumpfenden Bevölkerung und damit auch zu vermehrt leerstehenden Wohnungen und fehlendem Eigenkapital für Vermieter. Somit fehlt letztendlich wiederum Geld für zukünftige Investitionen.

Erschwerend komme hinzu, dass die Investitionen in den Bestand aufgrund stark steigender Baukosten und einem Mangel an Fachhandwerkern nur schwer zu stemmen sind. Dieses Szenario wird nun begleitet von einer – aus Sicht der Wohnungsunternehmen – fehlgeleiteten und weltfremden Fördermittelpolitik des Bundes, welche in dieser Form angesichts der gewaltigen Herausforderungen für die mitteldeutsche Wohnungswirtschaft nahezu unbrauchbar sei.

Mit großer Sorge sehen die fünf mitteldeutschen Verbände auch auf die beschlossene Energiewende mit dem Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Immerhin werden die meisten Wohnungsbestände – 74,3 Prozent – mit Gas und Heizöl beheizt, nur 14,1 Prozent mit Fernwärme und erst 2,8 Prozent mit Wärmepumpen. Da wartet ein riesiges Umrüstungspaket, dem aber die nötigen Gelder für die Investitionen fehlen.

Denn am Ende muss die Umrüstung ja auch für die Mieter bezahlbar bleiben. Ob und wie die notwendigen Investitionen der Energiewende in Wärmepumpen und Fotovoltaik finanziert werden sollen, ist aktuell völlig offen.

Wie die Wohnungen bei den mitteldeutschen Wohnungsgenossenschaften beheizt werden. Grafik: Verband der sächsischen Wohnungsgenossenschaften
Die grafische Darstellung zeigt auf, wie die Wohnungen bei den mitteldeutschen Wohnungsgenossenschaften beheizt werden. Grafik: Verband der sächsischen Wohnungsgenossenschaften

Dazu erklärte am Mittwoch Rainer Seifert, Verbandsdirektor des vdw Sachsen: „Die Energiewende – allem voran die Wärmewende – ist das größte Investitionsprogramm seit der Wende. Wenn sie gelingen soll, braucht die Wohnungswirtschaft jetzt schnell Planungssicherheit, denn sonst kann sie keine Zukunftsinvestitionen in den notwendigen Dimensionen auf den Weg bringen.

Nur mit einem klaren Bekenntnis der Politik zu Technologieoffenheit werden wir die Klimaschutzziele erreichen. Mieter und Vermieter müssen gemeinsam ein positives Transformationsklima entwickeln und dürfen politisch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es werden bei dieser Transformation alle Partner benötigt.“

Bevölkerungsprognosen für Mitteldeutschland sehen alarmierend aus

Die aktuelle Statistik in allen drei mitteldeutschen Bundesländern zeigt, dass ein Rückgang der Bevölkerung bis 2035 von bis zu 17 Prozent insbesondere in den strukturschwachen Regionen und damit vorwiegend im ländlichen Raum zu erwarten ist. Dies führt neben dem aktuell schon hohen Leerstand in den Beständen zu einem weiteren Anstieg leerstehender Wohnungen, dem nur durch Rückbau einerseits und kluge Investitionen in zukunftsfähige Bestände andererseits begegnet werden kann, stellen die Wohnungsunternehmen fest.

Dies bedürfe jedoch einer deutlichen Änderung der Fördermittelpolitik auf Bundes- und Landesebene.

Die bisherigen Ankündigungen des Bundes zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse und einer Stärkung des ländlichen Raumes seien bis dato allesamt ohne Ergebnis geblieben. Eine finanzielle Unterstützung der angekündigten Maßnahmen durch staatliche Zuschüsse fand und findet nicht statt.

Jens Zillmann, Verbandsdirektor des VdW Sachsen-Anhalt fordert deshalb: „Die von der Bauministerkonferenz im April 2022 beschlossene Aufstockung der Städtebauförderung auf 1,5 Milliarden Euro ist vom Bund endlich auch umzusetzen und muss von den Ländern kofinanziert werden, um den Tatsachen gerecht zu werden.“

Riesige Unterstützung bei der Unterbringung Geflüchteter

Bereits 2015 waren die mitteldeutschen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften maßgeblich an der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus Syrien und anderen Krisenregionen der Welt beteiligt. Der humanitären und gesellschaftlichen Verantwortung seien sie auch bei der Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen nachgekommen. So sind in Mitteldeutschland rund 21.000 ausgestattete Wohnungen zur Verfügung gestellt worden, um rund 41.600 ukrainische Kriegsflüchtlingen ein möbliertes, sicheres Zuhause zu geben.

Ronald Meißner, Verbandsdirektor des VdWg Sachsen-Anhalt, erklärt dazu: „In Wahrnehmung unserer sozialen Verantwortung haben die mitteldeutschen Wohnungsunternehmen unbürokratisch und sozial gehandelt. Da die eigenen Ressourcen, vor allem hinsichtlich der Ausstattung der Wohnungen, nun aber erschöpft sind, ist der Bund in der Verpflichtung, finanzielle Mittel für eine weitere dezentrale Flüchtlingsunterbringung bereitzustellen und die Kommunen bei der notwendigen Integrationsarbeit zu unterstützen.“

Inflation schafft neue Probleme

Die Frage nach der Bezahlbarkeit des Wohnens steht in Zeiten explodierender Energiekosten und einer anhaltend hohen Inflation nicht nur bei den mitteldeutschen Wohnungsunternehmen an oberster Stelle. So zeigen zwar die statistischen Werte, dass das Wohnen reell günstiger geworden ist. Dies bedeutet aber nur, dass die Mieten der sozial orientierten Wohnungsunternehmen weniger schnell als die allgemeinen Lebenshaltungskosten steigen.

„Wir stehen für bezahlbares Wohnen und sind gerade in Mitteldeutschland ein Anker für Verlässlichkeit und Stabilität in unsicheren Zeiten. Die organisierte Wohnungswirtschaft kann diesbezüglich als Garant aber nur so gut sein, wenn auch die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Hier sehen wir eindeutig ein großes Optimierungspotenzial auf Bundesebene.

Denn Neubau um jeden Preis bringt nichts. Bezahlbares Wohnen bedeutet auch, dem Vermieter Luft zum Atmen lassen. Denn der Erhalt des bezahlbaren, attraktiven Wohnens kann nur funktionieren, wenn Geld für Investitionen in Instandhaltung und Modernisierung bleibt“, betont Mirjam Philipp, Vorstand des VSWG.

Vor allem auch in Hinblick auf die zweite Sanierungswelle, die der mitteldeutschen Wohnungswirtschaft nach über 30 Jahren nun wieder bevorsteht, sei dieser finanzielle Spielraum wichtig.

Und da das Wachstum sich auch und gerade in Mitteldeutschland auf einige wenige große Städte wie Leipzig konzentriert, wären gleiche Rezepte für alle nicht zielführend. Für die überwiegende Zahl der Städte in Mitteldeutschland sei auch der von der Bundesregierung geförderte Neubau von jährlich 100.000 neuen Sozialwohnungen nicht zielführend und notwendig, da es genügend leerstehende Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten in Mitteldeutschland gebe. Die energetische Sanierung und altersgerechte Modernisierung der vorhandenen Wohnungsbestände müssten daher im Mittelpunkt stehen.

Was es für die Zukunft braucht

„Unser vorhandener Wohnungsbestand ist ein Garant für Sicherheit und Bezahlbarkeit. Für uns ist es damit gleichzeitig die größte Herausforderung, diesen – eine stabile Finanzierung vorgesetzt – an den Bedürfnissen der Mieter umzubauen und energetisch zu sanieren. Denn die Wärmewende wird im Bestand gewonnen“, so Frank Emrich, Verbandsdirektor des vtw Thüringen.

Grundlagen hierfür sind verlässliche, planbare sowie auskömmliche Förderinstrumente mit Zuschüssen und langfristigen Zinsbindungen für Darlehen sowie eine Stabilisierung der Baukosten, um das bezahlbare Wohnen für die Mieter in Mitteldeutschland zu erhalten.

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