Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland hat am Samstag, 6. April, den Bio-Händler Dennree zum „Landgrabber des Jahres 2024“ gekürt. Die Preisverleihung fand flankiert von Traktoren vor einer Denns-Biomarkt-Filiale in der Dresdener Neustadt statt. Zu Beginn des Jahres hatte Dennree die Agrargenossenschaft Großzöbern im Vogtland gekauft und bewirtschaftet nun über 6.000 Hektar Land.

Zum Vergleich: Die durchschnittliche Größe landwirtschaftlicher Betriebe in Sachsen beträgt 138 Hektar. Und auch das ist – bedingt durch die Bildung der großen LPGs in DDR-Zeiten – deutlich überm deutschen Durchschnitt. Der beträgt aktuell 65 Hektar.

Die AbL Mitteldeutschland vergibt den Preis seit 2019. Sie macht damit auf die Bedrohung der bestehenden Landwirtschaftsbetriebe durch die Konkurrenz durch außerlandwirtschaftliche Großkonzerne aufmerksam. Denn die können Preise für Landwirtschaftsfläche zahlen, die Landwirte in der Regel nicht erwirtschaften können. Und gleichzeitig entwickeln sie damit eine Marktmacht, welche die klassischen Bauern immer mehr an den Rand drängt.

Boden als Investitionsobjekt

Die Preise für Boden sind so stark gestiegen, dass sie für Landwirtinnen und Landwirte in einem Arbeitsleben nicht mehr zu refinanzieren sind. Insbesondere in der Konkurrenz um Pachtland werden Landwirtschaftsbetriebe gegen Investorenbetriebe nicht bestehen können. Pachtland macht aber mehr als 60 % der bewirtschafteten Flächen aus. Landwirtschaftsbetriebe werden dadurch in ihrer Existenz gefährdet.

Eigentlich sichert in Deutschland das Grundstückverkehrsgesetz Landwirten gegenüber Nicht-Landwirten das Vorkaufsrecht auf landwirtschaftlichen Boden. Der Kauf ganzer Betriebe über Anteilskäufe (Share Deals) wird aber nicht reguliert, obwohl auch das Land mit erworben wird. Das bestehende Gesetz reguliert nur Direktkäufe von Land.

Außerlandwirtschaftliche Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Gruppe oder die Münchener Rück haben seit der Wende etliche landwirtschaftliche Großbetriebe aufgekauft und besitzen dadurch große Flächen in Ostdeutschland. Offizielle Zahlen existieren keine, das Thünen-Institut schätzte den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) in Ostdeutschland auf 34 % im Jahre 2017 – Tendenz steigend.

Bio-Konzern Dennree

„Der erneute Landkauf durch Dennree macht deutlich, dass Bäuerinnen und Bauern nicht mit außerlandwirtschaftlichen Investoren konkurrieren können“, stellt auch Anne Neuber, Geschäftsführerin der AbL Mitteldeutschland, fest. „Die Konzerne erwirtschaften ihr Geld nicht in der Landwirtschaft und können deshalb beliebig hohe Preise zahlen. Daher überreichen wir Dennree den Preis ‚Landgrabber des Jahres 2024‘.“

Dennree ist der größte Lebensmitteleinzelhändler im Biobereich. Bereits 2015 hat das Unternehmen die Agrofarm 2000 GmbH mit 4.900 ha erworben und führt sie nun als Hofgut Eichigt. Zu Beginn dieses Jahres fusionierte Eichigt mit der Agrargenossenschaft Großzöbern. Gemeinsam bewirtschaften sie 6.100 ha. Im Zusammenspiel mit dem Lebensmitteleinzelhandel konzentrieren sich hier Land, Produktion, Verarbeitung und Vertrieb in einer Hand. Das kann auch für den Biobereich zum Problem werden.

Denn wer so groß und vernetzt ist, wird langfristig die Preise auch in diesen Bereichen bestimmen.

„Kein Landwirtschaftsbetrieb, egal ob groß oder klein, kann langfristig gegen die Konkurrenz durch kapitalstarke Großkonzerne bestehen“, sagt dazu Clemens Risse, Bauer in Meißen und AbL-Landesgeschäftsführer in Sachsen. „Wir alle wirtschaften bis auf ganz wenige Ausnahmen zu 70 bis 80 Prozent auf Pachtland. Wenn ein Betrieb einen Investor im Hintergrund hat, wird er alle anderen Pachtgebote in der Region überbieten. Das gefährdet die Existenz der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe.“

Wenn Großagrarier Politik machen

Die sächsische Landesregierung hatte im Koalitionsvertrag versprochen, durch das Erlassen eines Agrarstrukturgesetzes zukünftig zu verhindern, dass nicht-landwirtschaftliche Konzerne unreguliert und unerfasst landwirtschaftliche Betriebe und deren Flächen aufkaufen können. Das Landwirtschaftsministerium hat in den vergangenen vier Jahren einen Entwurf dazu erarbeitet, der diesen erneuten Landkauf von Dennree verhindert hätte.

Dieser Regierungsentwurf wurde bereits ins Parlament eingebracht. Der Entwurf wird von einem Teil der Landwirtschaftsverbände wie dem Sächsischen Bauernverband (SLB) abgelehnt. Die CDU kündigte im März 2024 an, von ihrem Versprechen im Koalitionsvertrag abzuweichen und das Agrarstrukturgesetz nicht zu unterstützen. Auch mit der eigentümlichen Begründung, dadurch würden die Umweltverbände gestärkt.

„Der sächsische Bauernverband vertritt offenbar nur die Interessen der größten 30 der insgesamt 6.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen. Der SLB setzt die Existenz des Großteils der bestehenden Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen aufs Spiel und verhindert Existenzgründungen in der Landwirtschaft“, sagt Anne Neuber. „Wenn dem Bauernverband die Zukunft des Berufsstands am Herzen liegt, sollte er seine Haltung zum Agrarstrukturgesetz der Regierung dringend ändern.“

Bisherige Preisträger „Landgrabber des Jahres“

2019: Autohändler Hercher, Grund: Aufkauf von und Handel mit landwirtschaftlichen Betrieben in Thüringen und Sachsen-Anhalt

2020: Dr. Kliem (Ex-Präsident Thüringer Bauernverband), Grund: Verkauf des eigenen Betriebs an Aldi

2023: Quarterback Immobilien AG, Grund: Kauf des 2500 ha Betriebs Röderland GmbH in Elbe-Elster

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