Beim Strommarkt ist eines sicher: Es wird in den nächsten Jahren mehr Strom benötigt für die Energiewende, den Umbau in der Industrie, die Elektromobilität, die Wärmeplanung, für neue Rechenzentren und Informationstechniken. Es muss möglichst viel Strom aus erneuerbaren Energien kommen, um weniger Kohlendioxid zu erzeugen und um unabhängiger von Energieimporten zu werden. Der Ausbau von Gaskraftwerken (GKW) kann dabei nur eine mögliche, aber wegen der Subventionen recht teure Zwischenlösung sein. Diese GKW-Turbinen müssen dann aber auch wasserstofftauglich sein. Deshalb ist die Konzentration auf das Wesentliche notwendig.
Mitte September 2025 hat die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche die Auswertungen des Monitoringberichtes zur Energiewende vorgelegt. Dabei plädiert Reiche für einen Kurswechsel zu mehr Versorgungssicherheit, Verlässlichkeit, Bezahlbarkeit und Kostentragfähigkeit. Am Ausbauziel der energetischen Transformation mit 80% Ökostromerzeugung bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045 will sie festhalten. Die Strom-Bedarfsprognose wird aber korrigiert, anstatt 750 Milliarden Kilowattstunden (kwh) im Jahr bis 2030 wird nur noch von einem Bedarf von 600-700 Milliarden kwh ausgegangen. Es werden die Kosten des energetischen Ausbaus stärker ins Visier genommen, um bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften. Soweit erst einmal nachvollziehbar und akzeptabel.
Dann kommt aber das „Wie“ zu einer bezahlbaren Energiewende, denn sie bremst eher den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) und etabliert die Stromerzeugung mit konventionellen Kraftwerken. Sie will die Kosten der Energiewende in den Griff bekommen,
– indem die Förderung privater Solar-Anlagen komplett wegfallen soll,
– der Zubau neuer Wind- und Solaranlagen ist stärker zu steuern als „netzfreundlicher“ Zubau,
– die fixe Einspeisevergütung für Neuanlagen soll gestrichen werden – dafür sollen Rückzahlungs-Mechanismen etabliert werden, die dann greifen wenn Ökostromproduzenten wegen günstiger Marktlage zu viel Geld verdienen,
– der Bau neuer Offshore-Anlagen und Übertragungsnetze soll an den reduzierten Bedarf angepasst werden.
Und sie will bis 2026 eine schnelle Ausschreibung für 12 Gigawatt (GW) Gaskraftwerksleistung vorlegen, um eine von der Bundesnetzagentur (BNetzA) ausgemachte Versorgungssicherheitslücke in der Zeitspanne von 2031 bis 2036 beim Strom zu schließen (lt. Info aus der Stadtwerketagung am 1.10.2025 in Mainz des Verbands kommunaler Unternehmen).
Statt Kohle nun teure Erdgaskraftwerke?
Nun wird es noch komplizierter: Diese neuen Erdgaskraftwerke (GKW) sollen anstelle ausscheidender Kohlekraftwerkskapazitäten die Stromversorgung sichern, denn in den Jahren 2031 bis 2036 werden wie vorgesehen Braunkohletagebaue und damit Kohlekraftwerke still gelegt. Diese GKW würden den Ausstoß des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) zwar reduzieren, wären trotzdem weiter klimawirksam und Treiber der Erderwärmung, denn der Strom wird durch fossiles Erdgas erzeugt. Und die GKW müssen hoch subventioniert werden, da sie nur zeitweise laufen.
Das Konzept der neuen Bundesregierung, einer CDU/CSU-SPD-Koalition, werde einen Kapazitätsmarkt erfordern, sagte Reiche. Ein Kapazitätsmarkt führt zu Vergütungen von Kraftwerken für deren bloßes Vorhalten von Leistungen, um im Falle von beispielsweise zu wenig Sonneneinstrahlung oder Windaufkommen und deshalb drohender oder eintretender Unterversorgung mit Grünstrom ergänzend Strom zu liefern. Solch ein künftiger Kapazitätsmarkt müsse auch grüne Biomasseverstromung, Batteriespeicher zur Einspeisung von überschüssigen Wind- und Sonnenstrom sowie die marktwirtschaftliche Anregung von stromangebotsorientierten Flexibilitäten der Verbraucher einbeziehen, erklärte Reiche sinngemäß.
Die Bundeswirtschaftsministerin erklärte allerdings nicht, ab wann diese grünen Nicht-Erdgas-Versorgungskapazitäten zur Verfügung stehen sollten. Sie sagte auch nicht, ob und um wie viel Leistung diese Nicht-Erdgas-Versorgungs-Kapazitäten die Zahl der benötigten Erdgaskraftwerke reduzieren sollten. Und sie sagte nichts zu den Vorhaltungskosten für diese Erdgas-Kraftwerks-Leistungen, also zum Subventionsbedarf für Gaskraftwerke, die nur in Flautezeiten mal kurzfristig hochgefahren werden. Sie sagte nichts zu den Bereitschaftskosten für diese Kraftwerke, nichts zu den Betriebskosten, nichts zu den Kosten für die Erdgasversorgung und für die Vorhaltung der Gasleitungen (wegen der Erhöhung von Gasnetz-entgelten), sie sagte nichts zur möglichen Wasserstofftauglichkeit der Gasturbinen. Das wären zusätzliche Subventionskosten in Milliardenhöhe.
Und sie sagte nichts zur Beihilfesystematik der EU: Wenn es um Versorgungssicherheit geht, müssen diese Kosten auf die Nutzer umgelegt werden. Insider rechnen damit, das es dabei um 2 Cent pro Kilowattstunde hin laufen könnte (mit Mehrwertsteuer 2,4 Cent/kwh – für eine Familie mit einem Verbrauch von 5.000 kwh/a wären das knapp 120 € Mehrkosten im Jahr). Aber eigentlich ist Frau Reiche angetreten, um die Kosten der Energiewende in den Griff zu bekommen.
Blinder Fleck: Stromspeicher
Ist das der Irrweg wieder zurück in die Abhängigkeit von Erdgaslieferungen aus Russland oder in die weitere Abhängigkeit von LNG Gaslieferungen? Ein Zurück zu konventionellen und fossilen Kraftwerksleistungen?
Dabei gibt es mit den heute bekannten Stromspeichersystemen schon technologieoffene Lösungen zur Überbrückung der sog. Dunkelflaute und für den Ersatz der Kohlekraftwerke, die 2031 bis 2036 vom Netz genommen werden.
Solche Speichermedien wären zum Beispiel:
– Batteriespeicher von Autos oder PV-Anlagen: diese wären mit entsprechender intelligenter Steuerung und dem erforderlichen Netzausbau dafür einsetzbar;
– der verstärkte Einbau intelligenter Stromzähler (Smartmeter) ist dringend erforderlich (ggf. mit einer Förderung) damit die Geräte mit hohem Strombedarf eingeschaltet werden, wenn viel Strom preiswert vorhanden ist,
– Pumpspeicherwerke sind weiter zu betreiben, – Speicherung von durch Erneuerbare Energien erzeugtes Warmwasser in Kavernen uÄ.
– mit dem überschüssigen Strom aus EE sollte verstärkt in Elektrolyseuren Wasserstoff hergestellt werden,
– benötigt werden insbesondere weitere Großspeicheranlagen zur Zwischenspeicherung von Strom im Umfang von mind. 100 GWh;
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) fordert schon längere Zeit, dass die Bundesregierung ein gesetzlich verbindliches Ziel für den Ausbau von Batteriespeichern bis 2030 festlegt. Dieses Ausbauziel sollte mindestens 100 Gigawattstunden Speicherkapazität betragen. Der BSW-Solar begründet die Forderung mit der Bedeutung von Speichern für das Gelingen der dezentralen Energiewende. Derzeit sind laut Hochrechnungen des BSW-Solar auf Basis der Daten der Bundesnetzagentur nur rund 2,2 Millionen stationäre Batteriespeicher mit einer Gesamtkapazität von etwa 23 Gigawattstunden (GWh) installiert.
Die Energiewende benötigt zudem die Flexibilität und die Möglichkeiten der Systemstabilität, die die Speicher bieten. „Die Vorteile von Batteriespeichern sind vielfältig: Sie reduzieren den Bedarf an Reservekraftwerken und den Umfang des Netzausbaus, verringern Abregelungen von Solar- und Windkraftanlagen und deren Förderbedarf, stabilisieren die Börsenstrompreise und leisten einen entscheidenden Beitrag zur Überbrückung von Dunkelflauten“, begründet Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, die Forderung. „Batteriespeicher tragen zu einer schnellen, sicheren und kostengünstigen Umsetzung der Energiewende bei, zum Nutzen von Wirtschaft und Verbrauchern gleichermaßen.“ Im Grundsatz hat dies auch die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag anerkannt.
Bestehende bürokratische Hemmnisse sollten dringend beseitigt werden
Um das volle Potenzial von Batteriespeichern zu erschließen, sei es entscheidend, bestehende Hemmnisse zeitnah zu überwinden und den regulatorischen Rahmen weiterzuentwickeln, fordern die Branchenvertreter. Das wären unter anderem die Beschleunigung und Vereinfachung von Netzanschlüssen. Auch die Verlängerung der Netzentgeltbefreiung beim Strombezug von Speichern wären wichtig für den Ausbau der Speicher. Die Unternehmen wünschen sich die klare Umsetzung von Multi-Use-Regeln für den flexiblen Einsatz von Speichern mit Solar- und Graustrom.
Sinnvoll wäre die Einführung unverbindlicher Netzanschlussauskünfte zur Feststellung, wo überhaupt noch freie Netzkapazitäten vorhanden sind in Verbindung mit der Transparenz zur Berücksichtigung des Projektfortschrittes. Wichtig wäre zudem die Digitalisierung von Netzanschluss-begehren und die Fristen im Netzanschlussprozess sollten dringend vereinheitlicht werden.
Im Stromnetz-Marktdesign gefährden kurzfristige Netzengpässe das Übertragungsnetz, ggf. durch die mögliche Unsicherheit der Stromprognosen für den Folgetag. Abhelfen würden marktlich abgeregelte EE und netzdienliche Batteriespeicher. Ein Lösungsansatz wäre eine Diskussion über die Erfordernis einer einheitlichen Strompreiszone für die gesamte Bundesrepublik.
Eine der Lösungen: Zwischenspeicherung von Überschussstrom
An manchen Tagen, wenn in vielen Gebieten Deutschlands die Sonne scheint und gleichzeitig der Wind weht, dann überlagert sich die Stromerzeugung der EE mit der Stromerzeugung durch konventionelle Kraftwerke, der sog. Grundlasterzeugung. Und es gibt insbesondere um die Mittagszeit einen Stromüberschuss, der durch die Verbraucher nicht in der angebotenen Menge abgenommen werden kann. Zur Abnahme vom Überschussstrom ist die flexible Steuerung der Stromnetze erforderlich und es werden dringend weitere Speichermedien benötigt. Mit der flexiblen Netzsteuerung und dem Ausbau der Stromspeicher sind nicht mehr so viele Gaskraftwerke erforderlich, wie von der Wirtschaftsministerin Reiche vorgesehen.
Frau Reiche hat einen Bedarf von 20 GW Kraftwerksleistung vorgesehen, was etwa dem Aufbau von 40 Gaskraftwerken entspricht und der damit verbundenen Bereitstellung von fossilem Erdgas als LNG-Gas. Die Kosten dafür sollen bei 435 Milliarden € liegen, nach Informationen der ZDF-Sendung Die Anstalt vom 07.10.2025. Damit wären wir wieder in Abhängigkeit von einigen wenigen Gas-Zulieferern. Und diese GKW würden das ganze Jahr über subventioniert werden müssen, da sie nur zu Zeiten laufen, wenn zu wenig EE angeboten werden. Die GKW müssen zudem für die Zeit des Nichtbetriebes über mit Belegschaft und Dienstleistungen vorgehalten werden. Das wäre ein Milliardengrab an Steuermitteln.
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