Das Jahr 2023 hat begonnen und schon meldet sich Winfried Kretschmann zu Wort. Er meint, ein Tempolimit in Deutschland befürwortet er, aber klimapolitisch sei das unerheblich. Hat er da recht? Worüber wird beim Tempolimit überhaupt diskutiert? Es gibt zwei Themen, die Einführung einer Regel-Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in Ortschaften und die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen. Ich schaue mir das getrennt an.

Heute beschäftige ich mich mit:

Tempolimit auf der Autobahn

Es gibt mehrere Ansätze für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, so werden 100 km/h, 120 km/h oder 130 km/h diskutiert.

Subjektives Empfinden pro Tempolimit

Wer kennt es nicht? Ich fahre mit 160 km/h auf einer dreispurigen Autobahn und bin permanent am Beschleunigen und Bremsen. Bin ich auf der dritten Spur, kommt von hinten einer, der 180 km/h oder schneller fährt und ich muss zusehen, dass ich auf die Mittelspur komme, wo der Verkehr mit Tempo 130 läuft.

Bin ich dort angelangt, muss ich wieder raus, weil ein LKW mit 91 km/h auf die Mittelspur zieht, um einen anderen, der nur 89 km/h fährt, zu überholen. Es strengt nicht nur an, es ist auch gefährlich. Bei einem Tempolimit von 130 km/h wäre es ein entspannteres Fahren.

Das ist aber mein subjektives Empfinden und nicht Inhalt der Diskussion.

Rasen ist „Freiheit“?

Eine Lanze für die „Raser“. Für die meisten mir persönlich bekannten Gegner des Tempolimits ist das „rasen wollen“ nicht der Grund für (zu) schnelles Fahren. Abgesehen von Urlaubs- und Ausflugsfahrten, sitzen die meisten Autofahrenden gezwungenermaßen in ihren Autos und stehen unter Druck.

Ob es nun der Druck ist, den Arbeitsplatz rechtzeitig zu erreichen, zu einer familienfreundlichen Tageszeit wieder zu Hause zu sein oder der Druck, den nächsten Termin pünktlich wahrzunehmen – all das verleitet dazu, das Gaspedal, wenn es der Verkehr zulässt, bis zum Anschlag durchzutreten.

Die Verminderung des auf den Verkehrsteilnehmern lastenden Zeitdrucks ist eine Aufgabe, die mit einem Tempolimit nicht gelöst werden kann. Das Tempolimit kann aber durch die Verbesserung des Verkehrsflusses den Stress beim Autofahren vermindern.

Die Menschen, die, unter Druck stehend, schnell und riskant fahren, als „Raser“ zu diffamieren, ist leicht, aber kontraproduktiv für die momentan stattfindende Diskussion über ein Tempolimit.

Verkehrssicherheit durch Tempolimit

Es gibt Aspekte der Verkehrssicherheit, die für ein Tempolimit sprechen. Beispielhaft nehme ich die „dritte Spur“, auf der manche meinen, ihr Auto ausfahren zu müssen (siehe „subjektives Empfinden“). Das führt immer wieder zu gefährlichen Situationen, schließlich hat der Mensch mit seinem Auto das Recht, einen auf der Mittelspur mit 120 km/h fahrenden Pkw mit 140 km/h zu überholen.

Da muss der 200 km/h fahrende PKW-Lenker also bremsen, meist macht er vorher Lichthupe und fährt dicht auf, es entstehen gefährliche, teils kaum beherrschbare Situationen. Bei einem wie auch immer gestalteten Tempolimit würden sich diese reduzieren. Natürlich nur, wenn es weiträumig kontrolliert und Verstöße geahndet würden.

Aber es funktioniert, das zeigen unsere Nachbarländer.

Umweltaspekt

Der Umweltaspekt ist eindeutig, es gibt seriöse Berechnungen über Einsparungen von 2,7 % der CO₂-Emissionen bei einem Tempolimit von 120 km/h und sogar von etwa 6 % bei einem Tempolimit von 100 km/h.

Auch wenn Winfried Kretschmann meint, ein Tempolimit in Deutschland sei für das Weltklima unerheblich: Wo sollte man anfangen mit dem Klimaschutz, wenn nicht da, wo es möglich ist? Gesundheitspolitisch ist ja die Entscheidung eines einzelnen Rauchers, mit dem Rauchen aufzuhören, für das Gesundheitswesen auch irrelevant, er sollte es aber trotzdem tun.

Gegner des Tempolimits

Hinter den „Freiheitsrufen“ einiger Politiker versteckt sich wirtschaftliches Kalkül.

Als Gegner eines Tempolimits können die Automobilindustrie, die Kraftstoffproduzenten und alle mit ihnen verbundenen Gewerke und Interessengruppen bezeichnet werden. Denn wer würde schon ein Auto kaufen, welches über 200 km/h bei hohem Kraftstoffverbrauch und hohem Instandhaltungsaufwand fahren kann, wenn man damit nur 130 km/h fahren darf? Welche Bedeutung hätte ein Crashtest bei 180 km/h für die Sicherheit der Insassen bei einem Tempolimit?

Wenn also Deutschland, als letztes Land in Europa, ein Tempolimit auf Autobahnen einführen, kontrollieren und Verstöße sanktionieren würde, wozu dann noch Autos bauen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h und mehr?

Es würden sich viele Menschen überlegen, ob sie die Autos, deren Motorleistung sie nicht ausnutzen können, noch kaufen. Die Automobilindustrie, die jetzt schon wieder Elektroautos mit solchen Parametern baut, hätte endlich eine Motivation, nicht immer schnellere Autos, sondern effektivere Autos zu bauen. Das schont auch Ressourcen, ein Auto mit Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h ist schwerer als eins mit Höchstgeschwindigkeit 140 km/h.
Das wird selbstverständlich erst einige Jahre später Auswirkungen zeigen, die Einführung eines Tempolimits gäbe aber der Industrie schon Entwicklungsziele vor.

Aber auch viele Arbeitgeber, nicht nur im Transportgewerbe, sind gegen ein Tempolimit. Sie zwingen heute ihre Arbeitnehmer, durch Bereitstellung schneller Dienstfahrzeuge und Forderung nach immer kürzeren Reisezeiten, zum schnellen und riskanten Fahren. Wenn eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 135 km/h für eine Dienstfahrt (als Reisezeit) angesetzt wird, dann ist der Arbeitnehmer gezwungen, schnell und riskant zu fahren.

Es liegt in der Natur der Sache, dass sie den Arbeitnehmern, Kunden und Partnern ein Tempolimit als Verbot und Angriff auf die automobile Freiheit kommunizieren.

Fazit

Der mediale Dauerbeschuss nicht etwa mit pro und contra, sondern mit „Vernunft und Verbot“, mit „Freiheit gegen Umwelt“ und ähnlichen Auswüchsen steht einer Diskussion und der Lösungsfindung im Wege.

Ich bin der Meinung, es gibt genügend Gründe für ein Tempolimit auf Autobahnen. Ob es nun 100, 120 oder 130 km/h sein sollen, muss genau abgewogen werden.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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Es gibt 17 Kommentare

Hallo Sebastian,

20m vorher ist knapp, ja, aber kann passieren, wenn ein Auto vor Ihnen Unsinn anstellt oder ihm etwas problematisches passiert.
Nehmen Sie 40m, da fangen Sie gerade an zu reagieren und Ihr Auto fährt noch immer so wie vor dem plötzlichen Ereignis.
Nehmen Sie 60m, da fängt Ihr Auto evtl. an, irgendwo hinzusteuern, weil Sie versuchen, dem Ereignis entgegenzuwirken.
Und das alles mit 150km/h. Wenn Sie kein ausgedienter Autoakrobat eines Zirkus sind, wünsche ich Glück dabei.
Je geringer die Geschwindigkeit, desto besser die Chancen, ein Problem zu beherrschen.
Auch wenn Ihnen ein hinteres Rad wegfliegt, das wären dann ca. -3m Entfernung.

Mehr Vernunft und Ruhe, da bin ich bei Ihnen.
Leider hapert es damit, seit dem es Autos gibt und es wird nicht besser.
Und deswegen 320.000 Verletzte versorgen? Ja, irgendwann lässt es sich nicht mehr groß reduzieren, wie bei den Verkehrstoten (die durch höhere technische Standards auf dem Level verharren, weniger durch Vernunft).
Aber gefühlt – und Sie bringen schöne Vergleichszahlen – ist diese Zahl zu hoch.
Weil sie nicht nötig, aber getriggert sind.

Schauen Sie sich die Übersicht der Limits in Europa an. Nur Deutschland ragt hervor mit Keinem.
Was also tun ausländische Fahrer auf deutschen Autobahnen? Sie schrieben es.
Mag sein, dass sie unzufrieden sind, aber es funktioniert seit Jahrzehnten dort.
Im Übrigen sind deutsche Tempo-Bußgelder ein Witz im Gegensatz zu den ausländischen Strafen.
Die gehen ab dem 3fachen los. Vielleicht liegts daran?

#Ein Tempolimit macht in der Regel keine Ausnahmen bei der Frage, wie ein Fahrzeug betrieben oder geladen wird.#
Richtig. Also Tempolimit für alle, weil bei hoher Geschwindigkeit steigt der Luftwiderstand quadratisch.
Beim fossilen PKW hat man dafür noch erhöhte – vermeidbare – Treibhausgase als Produkt.

Naja, beschließen sie mal irgendeine politische Entscheidung, wo auch nur eine Putzfrau der Automobilindustrie beeinträchtigt sein könnte. Ein Aufschrei geht durch das Land.
Dafür gibt’s dann schöne Abwrackprämien oder Elektroautoprämien, um die Kfz-Industrie freundlich zu stimmen. Länder sind sogar Anteileigner der Kfz-Industrie.
Und dabei wird ein Großteil gar nicht mehr in Deutschland produziert. Aber das ist schon wieder ein ganz anderes Thema…
Und schauen Sie, was wir für Straßen und Autobahnen gebaut, und dafür die Bahn ausgetrocknet haben. Der Autolobby wegen.
Oder das Dienstwagenprivileg…

Und obwohl fast ganz Europa ein Tempolimit hat, traut sich das in Deutschland keiner.
Argumente dafür gibt’s ausreichend. Nur eben keine Schilder… So ein Pech.

Hallo Christian,
> Wenn 20m vor Ihnen etwas passiert, nützen Ihnen die 130m Bremsweg auch nichts mehr.
Wenn ich auf der Landstraße mit 90 km/h fahre und plötzlich 20 m vor mir ein Baum umfällt oder ein Felssturz stattfindet, dann kann ich (Reaktionszeit+Bremsweg) ebenfalls nur noch sehr wenig, bis gar nichts tun, um mein Ableben, oder mindestens schwere Verletzungen zu verhindern. Ich finde die Konstruktion eines Hindernisses, was auf einer Autobahn plötzlich 20 m vor mir entfernt auftaucht, ein bißchen weit her geholt. Sie hatten die Distanzen ja für 150 km/h ausgerechnet, da sind 20 m einfach nichts. Das ist ein Ereignis, an dem ich nach knapp einer halben Sekunde vorbeigefahren bin. Bei 110 km/h wären es 0,6 s. Kein Argument fürs Tempolimit. Wenn ich freie Sicht habe, sind 160 kein Problem, und wenn nicht, fahr ich nicht 160.

> wir hatten 2021 immer noch über 320.000 Verletzte im Straßenverkehr! Das sind definitiv zu viel.
Ab welcher Verletztenzahl pro Jahr wären Sie persönlich zufrieden, oder sagen wir konkreter: Würden keine Verschärfung von Regeln mehr fordern?
Die Zahl der Verletzten mag groß aussehen, aber vergessen Sie dabei nicht, dass laut Statista jedes Jahr rund 341.000 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen STERBEN, weiterhin rund 229.000 an Krebs. Tod durch Verletzung oder Vergiftung (ganz allgemein, nicht nur im Verkehr!) hat im Jahr 2021 einen Anteil von 4,2 % in Deutschland ausgemacht.
Es gibt sicher allein durch die schiere Existenz der Zahl, die Sie zitieren, Anlass für Bemühungen daran zu arbeiten und an dem Thema dran zu bleiben. Aber das Narrativ, dass das Tempolimit (am besten holländische 100 km/h) unserer Gesellschaft quasi die Glückseligkeit geben würde, nach der wir so lange suchen. Gesundheit, mehr Vernunft und Ruhe, smarte Ideen und Lastenrad.

> In den umliegenden Ländern funktioniert das ja auch. Und alle sind zufrieden damit.
Was für eine gewagte Behauptung. Wahnsinn, wie Sie sich hier hinstellen und so eine These aufstellen können. Ich sah auf meinen Fahrten sehr oft Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, konkret hier Niederlande oder Schweiz, die auf unseren Autobahnen 140-160 fahren. Das können Sie jetzt natürlich “anekdotische Evidenz” nennen, aber allein DAS reicht schon als Widerspruch. Es gibt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch Holländer und Dänen, die NICHT begeistert sind von Klagen so genannter Umwelthilfen und Stiftungen.

> Und natürlich die Klimabilanz bei hohen Geschwindigkeiten mit einem fossilen Fahrzeug.
Ein Tempolimit macht in der Regel keine Ausnahmen bei der Frage, wie ein Fahrzeug betrieben oder geladen wird.

> Problem ist auch, dass in Deutschland das Kfz seit Jahrzehnten hofiert und als ein zwingender Teil der kapitalistischen Wirtschaft vorgebetet wird […]
Besonders hier im Osten. Da war das richtig krass mit dem Vorbeten. Als man sich im Politbüro so richtig verhoben hat mit dem 1,1er und dem 1,3er Motor für Trabi und Wartburg, um endlich irgendwie (vermeintlichen) Fortschritt in die veralteten Produkte zu bekommen. Die hatten in Wahrheit sicherlich nur Kapitalismus im Kopf, als die Hochstraße in Halle gebaut wurde oder die Friedrich-Ebert-Straße bei uns.
Und der Böörger erst! Mehr als zehn, fünfzehn Jahre wartete er quasi betend vor dem IFA-Handelsaltar, bis er endlich beschenkt wurde vom Fahrzeugvertrieb. Schon manche Kinder bekamen zur Taufe einen heiligen Bestellschein für die Pappe. So fanatisch war man auf die Heilsversprechen, die die Industrie ihnen gab…
An den riesigen Vorteilen, die die Autos den Leuten gaben und geben (sicher auch hier und da am Status, mit nem Trabi aber eher schwierig), kann es unmöglich damals wie heute gelegen haben.

Ich nutze das @ lediglich als Zielangabe, der Übersichtlichkeit wegen.

Bei guten Verhältnissen kann ich sicher z.B. 170m weit schauen, aber es ist eine Strecke, auf der ich dann nur noch bedingt Einfluss habe, auf das, was passieren wird.
Auch sind unvorhergesehene Ereignisse im Straßenverkehr nicht immer 170m entfernt, sondern finden weit vorher statt – es sind ja ungeplante plötzliche Ereignisse!
Es ist schon schlimm genug, dasss man erst mal 40m weiterfährt, um zu checken, was passiert.
Wenn 20m vor Ihnen etwas passiert, nützen Ihnen die 130m Bremsweg auch nichts mehr.

Je länger die Strecke, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auf dieser Wegstrecke bei hoher Geschwindigkeit viel Schlechtes passiert.

Unfalltote sind zurückgegangen, Verletzte auch.
Letztere bewegten sich seit 2010 auf gleichem Niveau (knapp 400.000), ging ab Corona dann zurück.
Aber: wir hatten 2021 immer noch über 320.000 Verletzte im Straßenverkehr! Das sind definitiv zu viel.

Zu hohe Geschwindigkeiten sind ein Teil des “Problems” des MIV.
Da die Vernunft offensichtlich seit der Erfindung des Autos nicht eingekehrt ist, muss man regulieren.
Und kontrollieren. In den umliegenden Ländern funktioniert das ja auch.
Und alle sind zufrieden damit.

Rücksicht, Unbeherrschtheit, Toleranz, Statusdenken sind weitere Größen in der Gemengelage.
Und natürlich die Klimabilanz bei hohen Geschwindigkeiten mit einem fossilen Fahrzeug.
(Gewerbliche Fahrzeuge werden dahingehend durch die Vergemeinschaftung der Umweltkosten sogar noch unterstützt).

Problem ist auch, dass in Deutschland das Kfz seit Jahrzehnten hofiert und als ein zwingender Teil der kapitalistischen Wirtschaft vorgebetet wird, welche uns ständig Wohlstand und Arbeitsplätze verspricht – das Totschlagargument. Politiker und Entscheider hüpfen ständig über diese Stöckchen.

Hallo Christian,
ist das “@” hier bei der L-IZ sowas wie eine Anleihe von Twitter, oder funktioniert es so wie ein Link bei Ihnen im Browser?
“Raserei und Fahren wie ein Henker” betrifft tatsächlich nur einen Teil der Autofahrer. Im Menschen drin ist generell ein gewisser Hang zur Unvernunft, deswegen wurden die Regeln für alle Verkehrsteilnehmer erfunden. Und Sie sagen es ja selbst: Es betrifft bei weitem nicht die Mehrheit.
Für diesen benannten Teil gibts die Verkehrsüberwachung. Ampelblitzer, Geschwindigkeitsmessanlagen, Abstandsmessungen, Polizeipatrouillen.

170 m sind auf einer deutschen Autobahn eine ziemlich gut einsehbare Distanz. Es ist völlig klar, dass eine höhere Geschwindigkeit wie Ihre genannten 150 km/h (ich hätte jetzt 160 gesagt, ist aber egal) eine hohe Aufmerksamkeit des Fahrers mit sich bringen muss. Bei dieser Aufmerksamkeit erkenne ich ein Stauende auch mit 160 km/h rechtzeitig, auch jemanden der langsamer ist, auf die Überholspur fährt und mich im Rückspiegel übersehen hat, und kann selbst bei einer Vollbremsung natürlich noch mit dem Lenkrad während eines ABS-Regeleingriffs steuern, wohin die Reise geht. Wenn Sie das mit “nicht mehr >groß wie würden Sie das dann nennen, wenn man solche unbeherrschbare Risiken billigend in Kauf nimmt und zugleich andere Verkehrsteilnehmer mit gefährdet?
Es geht dabei immer um Verhältnismäßigkeit. Im Großen und Ganzen, nachdem die Zahlen der Getöteten als auch der Verletzten im Trend über die Jahrzehnte durch sehr viele technische und gesetzliche Maßnahmen immer weiter gesunken sind, würde ich sagen, das gehört leider zum Leben dazu. Das Ziel (abseits von Medienkampagnen) kann keineswegs sein, diese Dinge auf exakt Null zu bringen. Klar, man nimmt sich das vor, auch im Arbeitsumfeld, aber praktisch erreicht man das Ziel “Null” nie übers Jahr. Damit es niedrig bleibt, muss aktuell vor allem in die Bildung investiert werden, und an das Mitdenken auf allen Seiten erinnert. Fürs Gegenüber ein Auge haben, ein wenig überlegen was er tun könnte, ist einer der entscheidenden Faktoren. Dazu gehört auch, dass ich als Radler nicht rechts knapp an einem LKW vorbeifahre. Wenn ich neben ihm stehe und er blinkt rechts, dann fahre ich unbedingt vorsichtig an bis ich sicher bin, dass er mich sieht. Und so weiter.

> Da die Physik bereits recht lange gilt, und das Thema Geschwindigkeit bisher trotzdem eine große Rolle spielt: wie wollen sie dem Problem ohne Tempolimit beikommen?
Was genau ist “das Problem”? Dass es Unfälle, also Verletzte und Tote auf unseren Straßen gibt?

@Sebastian
Nun ja, in Anbetracht von Raserei und dem Bestreben einiger MIVler, fahren zu können wie ein Henker, weil das ja selbstverständlich zur eigenen Freiheit gehört, sollte man auch die physikalischen Gegebenheiten betrachten.

Bei 100km/h reagieren Sie bei unvorhergesehenen Ereignissen in ca. 30m und haben dann 60m Bremsweg.
Sie stehen dann nach 90m.
Bei 150km/h reagieren Sie bei unvorhergesehenen Ereignissen in ca. 40m und haben dann 130m Bremsweg.
Sie stehen dann nach 170m.
Die Wege verdoppeln sich also. Bei “nur” 150km/h. Alles was bis zum Halt geschieht, können sie nicht mehr groß beeinflussen.
Nicht für umsonst entstehen mehr als 2 Drittel aller Unfalltoten auf Landstraßen und Autobahnen.
Aufgrund zu hoher oder nicht angepasster Geschwindigkeit.

Da Sie Unvernunft ansprachen: wie würden Sie das dann nennen, wenn man solche unbeherrschbare Risiken billigend in Kauf nimmt und zugleich andere Verkehrsteilnehmer mit gefährdet?

Da die Physik bereits recht lange gilt, und das Thema Geschwindigkeit bisher trotzdem eine große Rolle spielt: wie wollen sie dem Problem ohne Tempolimit beikommen?

Die wiederkehrende Thematik von Klima und Kipppunkten: Das ändern wir in Deutschland nicht. Es ist wie das kleine Leipzig mit seinem kommunalen “Klimanotstand”, was Schmunzeln bis Kopfschütteln in der Nachbarschaft hervorruft, und von dem wohl auch nur um die 20 % der Leipziger selbst wissen.

Was wirklich noch ein Hebel wäre, wären die “Dieselzüge, Flugzeuge, LKW”. Die Substitution des fossilen Treibstoffes durch Synthetik / Wasserstoff ist allerdings effizienzarm und wird trotz der sehr, sehr großen Werbe- und Forschungsgeldtrommel nur zaghaft betrieben. Ob man wie in der Schweiz auf eine fast 100 %ige Elektrifizierungsquote bei den Zügen käme ist fraglich, denn sehr kosten- und ressourcenintensiv. Und auch nachts sollen die Züge rollen, auch nachts oder bei Windflaute verbraucht so eine Lok (oder ein ICE) mehrere Megawatt, mindestens mehrere Minuten beim Losfahren. Das muss ein Speicher erst mal Liefern. Potential zur Senkung der Verbräuche des endlichen Ölvorkommens sollte es trotzdem genug geben, ohne dass Minipotentiale von 2,irgendwas Prozent gehoben werden müssen. Dass gerade beim Tempolimit gebetsmühlenartig “die Unvernunft” hervorgehoben wird, ist fast schon symptomatisch.

Ein Tempolimit von 150 kann ich mir auch vorstellen, darunter erhöht sich meine Reisezeit massiv.
Nutze das Auto nur für Strecken über 450km, meistens so zwischen 900 bis 1200km, mit Pausen benötige ich so 8 bis 9 Stunden. Also meistens im Tageslicht. Bei Tempo 100 wäre das nicht mehr an einem Tag zu realisieren. Viele würden jetzt Zug vorschlagen, mit den jetzigen Möglichkeiten nicht realisierbar. Dazu kommt ein Gepäck von rund 100kg, geht auch nicht. Gepäck reduzieren, dann müsste ich nicht fahren. Wird alles benötigt.

@gerd stefan
Sicherheitsgründe und Kraftstoffeinsparung/Lärmminderung könnte man auch auf den Schienengebundenen Verkehr anwenden. Bei einer geringeren Geschwindigkeit hätten beim Eisenbahnunfall von Eschede auch mehr überlebt.

@Gohliser
Auf die Schnelle würde ich mich sofort anschließen.
Schon seit Jahren denke ich, die Hemmschwelle für Einführung eines Tempolimits wäre gravierend geringer, würde man sie erst einmal auf ein verträgliches Maß beschränken. Z.B. 140 oder 150km/h.
(Das ist wie bei den Steuern, kleine Steuer beschlossen, und dann wachsen sie später… 🙂 )

Aber
* Man muss auf die jahrzehntelangen Versäumnisse im Verkehrssektor hinweisen und die akute Situation, dass wir das System bereits zum Wackeln, vielleicht sogar zum Kippen gebracht haben.
Insofern sind stärkere Bemühungen jetzt zwingend notwendig.
Dann sofort ein Tempolimit mit 150, was sich jedes Jahr um 10 km/h verringert.

Ja, der Verkehrssektor besteht nicht nur aus Autos. Dazu gehören bspw. Dieselzüge, Flugzeuge, LKW o.ä. Aber eben hier ist einfach nichts wirksames passiert.
Und das trojanische Pferd Wissing lässt den motorisierten Verkehr weiter hochleben.

* Es ist auf Strecken bereits erwiesen, dass sich die Sicherheitsproblematik bei geringeren gleichmäßigen Geschwindigkeiten verbessert.
Und was wöllte der Autofahrer nicht mehr, als das weniger von seiner Klasse sterben oder stark verletzt werden (auch unverschuldet durch die Möglichkeit der hohen Geschwindigkeiten)?
Oder spielt er lieber russisches Roulette? Seiner Freiheit wegen…?

Ich finde Sebastians Argumente ausgewogen, überzeugend und auch realitätsnah, wenn schon ein Tempolimit sein muss, dann 150, das finde ich auch persönlich die schönste Reisegeschwindigkeit, man kommt voran ohne zu rasen wir irre. Aber alle reden nur von 130 oder noch weniger. Aber das ist gerade ein langen Strecken zu wenig. Also, 150 wären für mich okay, alles andere finde ich aus verschiedenen Gründen unpraktisch oder realitätsfern.

Tatsächlich hört es doch bei ungefähr 160 auch langsam auf Spaß zu machen, je nach Fahrzeug auch eher. Aber zur Ostsee, nach München oder Stuttgart, die 150-160 in den Tempomat und es geht voran!
Es wäre ein Vorschlag um die größten Spitzen von Gefahr und Verbrauch abzuschneiden, und trotzdem auf gewisse Wünsche in diesem Land, das eben anders als das gelobte Holland ist, eingehen würde. Aber das Geschrei, der Verriss, den ein solcher Vorschlag eines Politikers in der Twitterblase und bei den Engagierten bringen würde, wäre zu groß.
Lieber für Maximalforderungen in einem global gesehen kleinen Land auf den Asphalt kleben, als Kompromisse einzugehen.
Und die Chancen zu überleben sinken oberhalb der 90, 100 km/h schon recht schnell…

“Welche Bedeutung hätte ein Crashtest bei 180 km/h für die Sicherheit der Insassen bei einem Tempolimit?”
Keine! Alle Sicherheitssysteme wären beim Aufprall mit einer solchen Geschwindigkeit überfordert. Der menschliche Körper sowieso. Das Ergebnis würde auch passionierte Schnellfahrer verstören.

Ich ärgere mich immer wieder über solche Texte, denn ich bin entschieden für ein Tempolimit, und wir könnten das nach der nächsten Bundestagssitzung auch haben, mit einer deutlichen Mehrheit der Autofahrer für ein solches Limit. Aber die, die am lautesten danach rufen, wollen das offensichtlich nicht. Die bieten sogar Alternativen an: 100 km/h, 120 km/h oder 130 km/h. Und das akzeptieren viele – die Mehrheit eben – nicht.
Wer ein Tempolimit will, soll 150 km/h oder gar 160 km/h vorschlagen. Dann haben wir erst einmal ein Tempolimit!

Die Sicherheitsproblematik 120 gegen 200 auf der linken Spur wird damit deutlich entschärft, der niedrigere Verbrauch wird die heutigen “Raser” schnell überzeugen (die anderen merken davon nichts, deshalb ist das Argument umweltpolitisch auch eher unerheblich).

Wer ein Tempolimit will, kann es haben.

Deutschland hat 2021 im Verkehrssektor mal wieder nicht das Einsparziel erreicht (Quelle: Spiegel). Trotz erhöhter Spritpreise. Zitat: „ Der Verkehr bleibe das große Problemfeld unter den Sektoren.“
Natürlich sind auch zunehmendes Streaming und Co ein großes Problem. Allerdings kenne ich keine Klimaaktivisten, die noch Google, Amazon, Netflix oder Bitcoin nutzen. Eben weil sie um das Problem wissen.
Im Verkehrssektor muss dringend etwas passieren. Die aktuellen Pläne von Verkehrsminister Wissing sind meines Wissens noch nicht einmal in der Prüfung, weil sie schon im Ansatz als ungenügend gelten.
Jede Reduktion des CO2-Verbrauchs hilft. Und natürlich werden sich auch die Autohersteller an der Realität orientieren.

Der unterstellte Zusammenhang zwischen erlaubter Höchstgeschwindigkeit und technischer Ausstattung des Fahrzeugs (Motorgröße) ist etwas theoretisch aus meiner Sicht.
Wenn “überall sonst” nicht so schnell gefahren werden darf wie in Deutschland, werden dann anderswo auch kleinere Fahrzeuge mit den jeweils kleinen Motorleistungen verlangt? Setzt sich also die postulierte Vernunft durch, dass dadurch das Kaufverhalten der Leute geändert würde? Ein Blick in die Schweiz, oder gar in die USA, widerspricht dieser Auffassung. Ich weiß nicht, ob in Frankreich, Polen oder Österreich oft die niedrigste angebotene Motorleistung von den Autokäufern verlangt wird, aber zumindest in den Vereinigten Staaten findet sich trotz schon sehr lange verhängten niedrigem Tempolimit ein großer Hubraum pro Fahrzeug.

Zum Aspekt der Verkehrssicherheit: das Drängeln und Lichthupen ist enorm zurückgegangen, seit die Strafgesetze zur Nötigung angezogen wurden und seit die Tempomat-Abstandhalter-Assistenten Einzug in die Fahrzeuge gehalten haben. Ich hab selbst auch schon so jemanden angezeigt, weil ich mich bedroht fühlte. Ich finde es gut, wenn Drängeln weiterhin sanktioniert würde.

“Der Umweltaspekt ist eindeutig, es gibt seriöse Berechnungen über Einsparungen von 2,7 % der CO₂-Emissionen”
Sind die 100 % dabei der Ausstoß des Verkehrssektors, oder unser kompletter Ausstoß an Treibhausgas in Deutschland?
In beiden Fällen würde ich Herrn Kretzschmann Recht geben.

“Hinter den „Freiheitsrufen“ einiger Politiker versteckt sich wirtschaftliches Kalkül.”
Das wird ihnen immer wieder in den Medien unterstellt, aber genau so oft muss man dagegenhalten: Auch mich als Privatperson vertreten diese Politiker mit ihren “Freiheitsrufen”, wie Sie das nennen. Auch meinen Onkel, der 20 Jahre lang als Kranführer auf Montage durch die Republik fuhr, auch meine Mutter, die auf dem Weg zum Urlaub mit 160 fährt wenn es denn geht, auch verschiedenste Leute die tagsüber dienstlich als Vertreter oder ähnlichem unterwegs sind vertreten diese Politiker mit ihren Interessen.
Es gibt sie natürlich auch, die Bleifüße und Raser, aber es geht auch ganz wesentlich um die Möglichkeit für ganz normale Leute, die nicht mit 120 oder gar 100 km/h fahren wollen, schnell voran zu kommen. Deren Freiheit genau dies tun zu können, wenn sie es mal wollen, soll wegfallen, weil es andere Leute gibt, die mit über 200 und Lichthupe auffallen. Und weil knapp 3 % weniger CO2 ausgestoßen werden könnte, rechnerisch. Schaut man sich die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Autobahnen an merkt man, dass die allergrößte Mehrheit schon um die 130 oder weniger fährt, spätestens seit letztem Jahr. Diejenigen, die es sich trotzdem leisten können große Autos zu kaufen werden das auch mit generellem Tempolimit auf Autobahnen tun. Die Ersparnis dürfte fast nicht zu messen sein.
Und auf die Frage, wo sonst anfangen: Ganz klar bei der fossilen Energieerzeugung, und zwar nicht nur hierzulande. Denn hierzulande wird vielleicht etwas Vorbildwirkung betrieben, aber nicht am großen Hebel gesessen. Natürlich werden trotzdem WIR unter Druck gesetzt zu verzichten.
Und gern auch ansetzen am bisher unbegrenzten Wachstum von Serverfarmen und Digitalisierungsangeboten. Auch Streaming und ständige Verfügbarkeit aller Server und sämtlicher Dienste zu jeder Zeit erzeugt Unmengen an Treibhausgasen. Ist nicht auch dort ein kleines Fünkchen Freiheit, auf die man doch leicht verzichten könnte? 😉

Die Tempolimit Diskussion zeigt seit Jahrzehnten, daß das St.Floriansprinzip wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft ist.
Es geht nicht um einzelne Raser, es geht um die individuelle Abwägung, ob ich Gas gebe um etwas Zeit zu sparen, oder es wegen Umweltschutz und Unfallrisiko vermeide.
Immer, wenn ich wo mitgefahren bion, oder selbst gefahren bin, ging es um dieses individuelle gefühlte “schneller sein” – ob das nun beruflich oder privat war.

Im Bekanntenkreis wurde mit Bestzeiten auf Strecke A-B geprahlt (Frankfurt – Leipzig in 3 Stunden).
Als Mitfahrer bei einem Aussendienstler war das Argument, es kostet ihn ja nichts wenn er 250 fährt, leider sei die Karre ja abgeregelt bei 250.
Der Mietsprinter für den Urlaub war bei 130 abgeregelt, sehr zum Missfallen aller, da man ja nach Italien wollte schnellstmöglich – und die Spritkosten wurden eh geteilt.

Ich sehe nur ein Tempolimit auf 130 als Lösung, um diesen allgemeinen Wahn der automobilen Selbstverwirklichung auszubremsen. Mittlerweile sind die allermeisten Autos derart übermotorisiert, dass es einem Angst und Bange werden kann.

Super Artikel voll nachvollziehbar, sowohl aus Sicherheitsgründen als auch wegen der Kraftstoffeinsparung/Lärmminderung bringt auf Autobahnen Tempo 130 sehr viel, was auch technisch begründbar ist. Gleichzeitig ist der Teil 1 zum Tempolimit stark diskussionswürdig (siehe meine Beiträge)

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