Seit einem halben Jahrhundert warnen Klima- und Umweltwissenschaftler vor der Klimakatastrophe. Doch deren Hauptursache, die Kohlendioxidmenge, geht weiter nach oben. Als ich vor 30 Jahren die ersten Fernsehsendungen zu diesem Thema produzierte, lag der Ausstoß der Treibhausgase global bei ca. 100 Millionen Tonnen pro Tag, heute sind es etwa 180 Millionen Tonnen jeden Tag.

Heute, morgen, übermorgen, nächste Woche, nächstes Jahr usw. Sind wir noch zu retten? Diese Daten sind natürlich auch der Politik längst bekannt. Warum aber ist bislang viel zu wenig geschehen?

Die Macht der Energie-Lobbyisten

Die Lobbyisten der alten Energiewirtschaft haben ihre ganze finanzielle Macht eingesetzt, um den Klima- und Umweltschutz zu diffamieren. In Deutschland schrieb zum Beispiel der ehemalige RWE-Manager Fritz Vahrenholt das Buch über die „kalte Sonne“ mit falschen und wissenschaftlich unhaltbaren Thesen zum Klimawandel.

Die großen Ölkonzerne wie BP, Shell, ExxonMobil, Chevron und Total haben Jahrzehnte lang jedes Jahr 200 Millionen Dollar für Lobbyarbeit gegen Klimaschutz ausgegeben, hat der renommierte Klima- und Meeresforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) für den „Spiegel“ ausgerechnet.

Die großen Energiekonzerne wurden durch Staaten wie Russland, Saudi-Arabien oder auch Australien, die vom Export fossiler Energien leben, massiv unterstützt. Saudi-Arabien hat noch den letzten Bericht des Weltklimarats 2022 erfolgreich abgeschwächt. Bis heute spielt Putin die Erderwärmung herunter. Und Deutschland überweist ihm täglich 200 Millionen Dollar für fossile Rohstoffe in seine Kriegskasse.

Abstruseste „Argumente“ werden ins Feld geführt

Nur deshalb kann er Kriege wie den in der Ukraine finanzieren und Massenmord begehen. Wir sind durch unsere Abhängigkeit dabei indirekt seine Helfershelfer. Das wirtschaftlich schwache Russland könnte ohne dieses fossile Geld aus Deutschland und anderen Industriestaaten seine Angriffs-Kriege nicht finanzieren. Mit unseren wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland haben wir den zentralen Energiesektor noch nicht wirklich getroffen.

Noch 2017 behauptete Putin, Vulkane würden mehr CO₂ freisetzen als die menschlichen Aktivitäten. Und 2018 führte er die Erderwärmung auf „kosmische Aktivitäten“ zurück. Das ist wissenschaftlich kompletter Unsinn. Heute ist eines seiner „Argumente“: „Windräder töten Vögel“, was ja auch in Deutschland als „Argument“ oft gebraucht wird. Als bräuchten nicht auch Vögel ein gutes Klima und deshalb auch Windräder!

Putin und Trump waren in den letzten Jahren global die extremsten Gegner des Umstiegs auf erneuerbare Energien. Dazu gehörte in Deutschland auch Gerhard Schröder und andere Freunde der Gas-Pipelines aus Russland in fast allen Parteien.

Auch Journalisten trommelten mit – auf Kosten der Zukunft

Auch viele Journalisten haben für die russischen Gas-Pipelines getrommelt und unsinnige Behauptungen gegen den Klimawandel und gegen die erneuerbaren Energien publiziert – auch im „Spiegel“. Dieser geballte Lobbyismus ist die wesentliche Ursache dafür, dass die Energiewende über Jahrzehnte ausgebremst wurde und wir heute unmittelbar vor der Klimakatastrophe stehen und unseren Kindern und Enkeln eine grausige Zukunft bevorsteht.

Dazu nochmal Stefan Rahmstorf: „Einer kleinen Gruppe sehr wohlhabender Menschen wurde erlaubt, Politik und öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Dafür zahlt die Welt heute bereits einen hohen Preis in Form von Hitze-, Flut-, Dürre-, Brand- und Wirbelsturmschäden und in Form der Abhängigkeit von fossilen Energielieferanten in autokratischen Staaten“.

UNO-Generalsekretär Guterres sagt es ähnlich wie der Dalai Lama: „Die größten Verschmutzer haben unser einziges Zuhause in Brand gesteckt“. Die Erderwärmung schreitet noch schneller voran als es die Wissenschaft prophezeit hat.

Und Deutschland? Wir schaffen als einziges Industrieland der Welt nicht mal ein Tempolimit. Unsere Klimapolitik ist bisher peinlich, anmaßend und absolut irrational.

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Von Franz Alt haben wir an dieser Stelle gerade sein mit Ernst Ulrich von Weizsäcker verfasstes Buch „Der Planet ist geplündert“ besprochen. Mehr Informationen zum Verfasser findet man auf www.sonnenseite.com.

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Es gibt 6 Kommentare

Eigentlich ist das tatsächlich einer der wenigen konsequenten Ansätze für die Lösung der Probleme von Leuten, die “den Planeten retten” wollen. Alles andere, als die Agrargesellschaft, also auch “sanftes wirtschaften” und so weiter verbraucht Dinge, die es in der Erde endlich gibt. Irgendwann ist auch der Ton oder Lehm alle, auch die Metalle und so weiter.
Manche fühlen sich gut im Bemühen, diesen Effekt um ein, zwei Generationen weiter hinter zu schieben, und ich kann das ganz gut nachvollziehen. Es passt ja auch zu den Tugenden, die uns in unserem Kulturkreis versucht werden anzuerziehen. Rational ist es aber eigentlich nicht.
Andererseits: auch in der Agrargesellschaft gibt es Neid, Kultur und Liebe. So gruselig anders als heute muss das gar nicht sein 🙂

Wer ist Schuld? Deine Eltern, sie haben sich fortgepflanzt. Save the Planet and kill yourself.
ich kann glücklicherweise noch oft auf andere Kontinente fliegen, und mein Fingerabdruck ist immernoch besser als von denen, die sich fortpflanzen und somit neue Konsumenten erschaffen. Neue Konsumenten bedeutet neue Wohnungen, neue Elektronikartikel usw.

@Michael Freitag: Sehe ich genau so!
Parallelen gibt es auch zu Millionenfach gebauten Smartphones mit zig Kameras, Prozessorkernen und Gigabytes an Speicher. Zu riesigen Flachbildglotzen, die drei Jahre halten, oder dann nicht mehr in allen Softwareaspekten funktionieren. Oder elektronische Helferlein wie Sprachassistenten (“Alexa”) und das Smarthome, die alle einen ständig eingeschalteten Netzwerkrouter in Anspruch nehmen.

So wie der SUV ein Höchstmaß an Bequemlichkeit verspricht, so kaufen die Leute auch all die anderen ressourcenfressenden Dinge, die die Werbung anpreist.

@Backblech: Interessant an diesen “Verschiebungen” der Verantwortung auf den Konsumenten, wenn man bedenkt, mit welchem Werbedruck beispielsweise deutsche Autobauer den SUV in den Markt gepresst haben 😉

Das “Warum” hinter der Idee mit einem geländegängigen PS- und Gewichtsmonster mit Ãœberbreite durch eine deutsche Großstadt zu juckeln, hat in der Entwicklungsabteilung offenbar niemand gestellt. Und na klar: die Dinger gibt es – so die retrospektive Sicht – nur, weil der Kunde sie wollte.

Damit ist der Kreis der Verantwortungslosigkeit geschlossen.

> Wir schaffen als einziges Industrieland der Welt nicht mal ein Tempolimit.
Weil es eben eine ganze Menge von Leuten dann doch nicht wollen. Dass es bisher auf Autobahnen keines gibt ist für mich kein Armutszeugnis, wie in der Formulierung oben angedeutet, sondern genau das was die Leute so wollen.
Natürlich nicht die Kategorie Leute, die mit Badenudeln über Radwege fahren oder sich für Biergärten auf Straßen einsetzen, aber die fahren wahrscheinlich auch selten zur Arbeit, während der Arbeit oder zu ihren Freizeitzielen mit dem Auto.
Und wenn sogar Herr Kretzschmann, leider erst nach dem Bundestagswahlkampf, zugibt, dass ein Tempolimit begrenzte Wirkung hätte…

Ja sicher, die fossilen Unternehmen und die Politik sind schuld. Aber die wehren sich und sagen nicht ganz zu Unrecht: “Wir brauchen so viel Energie.” Denn alles wird größer, Häuser, Autos, etc., und der Bedarf lässt sich auch bei ausgebauten Erneuerbaren lange nicht decken.
Das Problem ist also vielleicht das “immer mehr, mehr, mehr” unseres Systems, das mit Ausbeutung von Mensch und Natur einhergeht. Daran ändern auch Apelle an Scholz und Shell leider nichts.

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