Es war einer von sieben Anträgen, die die Grünen-Fraktion 2019 zur Umsetzung eines Uralt-Beschlusses des Stadtrates einbrachte, nämlich die von der Stadt verpachteten Landflächen sämtlich auf Biolandwirtschaft umzustellen. Der spezielle Antrag hieß „Landverpachtungen nur noch ohne ‚Pflanzenschutzmittel‘“ und wurde auch von der Verwaltung vollmundig abgelehnt. Man wollte lieber erst mal ein Gesamtkonzept erarbeiten.

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine Gesamtkonzeption zum Thema ‚Landwirtschaft im Leipziger Stadtgebiet‘ bis Ende 2020 zu erarbeiten, in welcher die Themen aus den Anträgen der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen (VI-A-07003 – VI-A-07009) behandelt werden sowie die umfassende Auseinandersetzung mit damit verbundenen Sachverhalten erfolgt“, hieß es im Verwaltungsvorschlag 2020 aus dem Liegenschaftsamt.

Und das habe man auch getan, heißt es auf der Homepage des Leipziger Liegenschaftsamtes.

„Auch in Leipzig soll der Anteil der Öko-Landwirtschaft erhöht werden. Deshalb sollen bei der Verpachtung städtischer Landwirtschaftsflächen künftig ökologisch-nachhaltige Produktionsweisen bevorzugt berücksichtigt werden“, heißt es da. „Durch den Beschluss der Ratsversammlung vom 22. Januar 2020 wurde eine Lenkungsgruppe unter Federführung des Liegenschaftsamtes mit der Erarbeitung eines Grobkonzeptes betraut und als beratendes Unternehmen die IAK Agrar Consulting GmbH beauftragt.“

Das Problem an dieser Aussage ist: Es werden kaum neue Flächen verpachtet, sondern das Liegenschaftsamt verlängert nur immer wieder die alten Pachtverträge, sodass sich an der Bewirtschaftung der städtischen Landwirtschaftsflächen trotzdem nichts ändert.

Und das, obwohl seit 2021 tatsächlich ein dickes Konzept existiert.

Ein 77-seitiges Grobkonzept

„Im ersten großen Schritt konnte im Mai 2021 ein 77-seitiges abgestimmtes Grobkonzept vorgelegt werden“, schreibt das Liegenschaftsamt. „Neben der Prüfung und Festlegung konkreter Zielstellungen, künftiger Verfahrensweisen und rechtlicher Rahmenbedingungen ist dabei auch ein erstes mögliches Kriterienset entwickelt worden. Darin wird unterschieden zwischen Vorgaben beziehungsweise Mindestkriterien, die erfüllt werden müssen, und optionalen Kriterien, deren Einhaltung bei Wettbewerbsangeboten die Wahrscheinlichkeit des Zuschlags erhöht.“

Und das war es. Sodass sich in Bezug auf die 2019 von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vorgelegten sieben Forderungen bis heute nichts getan hat. Und wohl auch in Jahren nichts ändern wird, da das Liegenschaftsamt nur auf Neuvergaben abzielt.

Und damit ein Zeitverständnis an den Tag legt, das mit den heute schon akuten Problem bei Insektensterben und Artenschwund überhaupt nicht zusammenpasst. Das Verbot von Pestiziden ist überfällig. Auch wenn die Grünen selbst noch nicht so weit gehen, sondern im ersten Schritt auch nur fordern: „Bei allen Neuverpachtungen der Stadt und ihrer Beteiligungen ist privatrechtlich zu verankern, dass die Pächter verbindlich auf den Einsatz von ‚Pflanzenschutzmitteln‘ (Pestizide) verzichten.“

Wobei sie im Erklärungstext andeuten, dass man mit den schon in Vertrag stehenden Pächtern auch eine Vereinbarung zum Verzicht auf „Pflanzenschutzmittel“ schließen kann. Also nicht erst bei Neuverpachtung.

Das Zeug schwimmt auch in Leipzigs Flüssen

„‚Pflanzenschutzmittel‘ werden in der Landwirtschaft großflächig und in großen Mengen in die Ackerböden ausgebracht, um Pflanzen vor Schadorganismen (Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien oder Viren) zu schützen. Sie wirken dabei toxisch. Allerdings ist die Wirkung nicht auf diese beschränkt“, beschreibt der Grünen-Antrag das Problem, das auch bei Belastungsmessungen in Leipziger Flüssen sichtbar wird, weil die Pestizide natürlich auch in die Flüsse gespült werden.

„Obwohl im Moment noch rechtlich möglich, ist der Einsatz von sog. ‚Pflanzenschutzmitteln‘ inzwischen höchst umstritten. Unbestritten ist allerdings, dass diese fatale Auswirkungen auf Flora und Fauna und auch auf uns Menschen haben.“

Das heißt: Diese Chemikalien vernichten nicht nur das „Ungeziefer“ auf den Feldern, sondern töten auch die Fauna an Feldrainen, auf angrenzenden Wiesen und an den Gewässern, in die sie gespült werden.

„Wir haben schon jetzt Rückstände von Pestiziden im Wasser, die als Rückstände ins Grundwasser gehen. Wir haben Unkräuter, die resistent geworden sind und gar nicht mehr auf Herbizide reagieren. Dass wir von den hohen Pestizidmengen herunterkommen müssen, erkennen immer mehr Menschen, auch in der konventionellen Agrarwirtschaft“, betont der nun neu gefasste Grünen-Antrag.

„Natürlich, ohne Pflanzenschutz geht es nicht. Pflanzenschutz ist aber auch möglich mit einem System aus vielem: aus der Fruchtfolge, der Sortenwahl, der Züchtung, der Bodenbearbeitung und der Bodenkultur.“

Der Weg ist also eine komplette Umstellung auf Biolandwirtschaft und der Verzicht auf die Chemie-Keulen.

Höchste Zeit, mit den Pächtern zu reden

„Die Bäuerinnen und Bauern wissen selber am besten, dass ein intaktes Ökosystem die Grundlage für ihr Wirtschaften ist, dass sie Bestäuber und Nützlinge brauchen“, stellen die Grünen fest. „Diese Erkenntnisse sollten wir jetzt zumindest auf den uns verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen als privatrechtliche Vereinbarung auch umsetzen. Denn: Pestizide können niemals risikolos sein.“

Hier deuten sie an, dass man das Ziel auch mit privatrechtlichen Vereinbarungen erreichen kann.

Nicht weiter erläutern sie ihren zweiten Antragspunkt, der es aber ebenso in sich hat: „Für die im Moment durch die Stadt zustimmungspflichtige Ausbringung von Gülle und Klärschlamm auf den Ackerflächen der Stadt und ihrer Beteiligungen, wird keine Zustimmung mehr erteilt.“

Klärschlämme aus dem Klärwerk Rosental müssen inzwischen sowieso komplett verbrannt werden, weil sie viel zu viele Rückstände etwa von Medikamenten aller Art enthalten.

Aber ein Verbot der Gülleausbringung würde eben auch dafür sorgen, dass die riesigen Güllemengen aus der Massentierhaltung nicht mehr auf Leipziger Äckern und im Leipziger Grundwasser landen, das an einigen Messstellen am Stadtrand seit Jahren hohe Nitratbelastungen ausweist, eingespült oft über Kilometer im Grundwasser, das gerade im sächsischen Tiefland durch die industrielle Landwirtschaft hochbelastet ist.

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