Nicht nur bei LZ hat das Interview mit SLW-Geschäftsführer Karsten Rogall am 11. Juli in der „Zeitschrift für kommunale Wirtschaft“ (ZFK) für ein gewisses Stutzen gesorgt. Auch die Fraktion von Bündnis 90/Grünen war deutlich irritiert. Denn gerade die Stadtwerke sind ja nun einmal der wichtigste Partner, wenn es um die Energiewende in Leipzig geht. Hat nun gerade die Geschäftsführung die Position verlassen, die Energiewende voranzutreiben?

Das wollte die Fraktion schon genau wissen und stellte eine entsprechend ausführliche Anfrage im Stadtrat.

„Der Artikel wurde mit dem Zitat ‚Wir sollten die Erneuerbaren-Förderung abrupt beenden‘ öffentlichkeitswirksam publiziert“, ging die Grünen-Faktion auf die vermeintliche Botschaft des Artikels ein.

„Insgesamt zeigt der Geschäftsführer in dem Interview einen sehr kritischen Blick auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien, spricht unter anderem vom ‚wilden Ausbau‘ von Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, fordert den sofortigen Stopp der Förderung des Ausbau Erneuerbarer Energien.

Mit den Stadtratsbeschlüssen zur Klimaneutralität 2040 und zur Klimaneutralen Wärmeversorgung 2038 haben der Oberbürgermeister und der Stadtrat klare Ziele an die Unternehmen der Leipziger Gruppe – allen voran die Leipziger Stadtwerke – gegeben.“

Aber schon die Nachfrage der LZ machte deutlich, dass nicht alles in den Aussagen von Karsten Rogall so gemeint war, wie es der Zeitschriften-Titel suggerierte.

Die Kommunen brauchen mehr Förderung

Auf die Grünen-Anfrage hin gab es jetzt eine sehr ausführliche Stellungnahme der Stadtwerke, die prinzipiell auch nicht von den Leipziger Klimazielen abrücken wollen. Die ausführliche Stellungnahme der Stadtwerke Leipzig findet man hier.

„Die Leipziger Stadtwerke richten ihre Strategie konsequent auf die Ziele der Stadt Leipzig, einschließlich
der Klimaziele, aus. Damit wollen wir nicht nur CO₂-Emissionen senken, sondern auch die Energieversorgung unabhängiger, stabiler und bezahlbarer machen“, beschreibt die Geschäftsführung die eigene Handlungsmaxime.

Nur: Für jeden Umbau der Energiebasis braucht man Investitionen. Und da fehlt es schlicht an Förderung: „Der Umbau der Fernwärme erfordert allerdings enorme Investitionen, für die es bislang keine ausreichenden Förderinstrumente gibt.

Deshalb ist es notwendig, die bestehende Mittelverwendung auf Bundesebene kritisch zu hinterfragen und Fördermittel gezielt umzusteuern. Nur wenn die Kommunen ausreichend Unterstützung erhalten, können die Klimaziele erreicht und gleichzeitig für die Menschen in Leipzig eine verlässliche und sozial verträgliche Wärmeversorgung gewährleistet werden.

In diesem Zusammenhang möchten die Stadtwerke Leipzig ausdrücklich klarstellen, dass sich die im Interview von Herrn Rogall geäußerte Kritik ausschließlich auf die derzeitige Fördersystematik des EEG und Mittelallokation auf Bundesebene bezieht. Der eingeschlagene Transformationspfad hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung und einem systemdienlichen Ausbau erneuerbarer Energien wird von den Leipziger Stadtwerken unverändert und mit Nachdruck verfolgt.“

Und dann gibt es auch noch eine deftige Kritik an den Redakteuren der „Zeitschrift für kommunale Wirtschaft“: „Abschließend bleibt festzuhalten, dass die von der ZfK gewählte reißerische Überschrift nur einen Bruchteil der tatsächlichen Aussagen wiedergibt und den Gesamtzusammenhang unzureichend abbildet.“

Abwärme, Solarthermie, Tiefengeothermie

Und da es die Grünen noch einmal wissen wollten, blättern die Stadtwerke ihren derzeit gültigen Pfad zur Energiewende in Leipzig auf: „Der Transformationspfad der Leipziger Stadtwerke sieht vor, den Anteil Erneuerbarer Energien und klimaneutraler Quellen kontinuierlich zu steigern. Ein neues hocheffizientes und wasserstoffready Heizkraftwerk in Leipzig Süd und eine erste Power-to-Heat Anlage in Heiterblick wurden bereits in Betrieb genommen.

Aktuell konkretisieren sich weitere große EE-Projekte zur Einbindung industrieller Abwärme und der
Bau einer Solarthermieanlage in Lausen. Die technischen Konzepte zum Bau von Großwärmepumpen zur
Nutzung von Fluss- und Abwasserwärme werden mit Hochdruck erstellt. Weitere Bausteine wie die Nutzung weiterer EE-Quellen wie Tiefengeothermie oder Flusswärme befinden sich in der Konzeptphase.“

In dieser Form ist es neu, dass sich die Leipziger Stadtwerke intensiv mit Großwärmepumpen und Geothermie beschäftigen.

Aber natürlich kostet der technische Umbau Geld. Aber woher nehmen?

„Die Transformation kann jedoch nur gelingen, wenn die Energie für die Bürgerinnen und Bürger in Leipzig
bezahlbar bleibt. Förderinstrumente spielen hierbei eine entscheidende Rolle, da sie als zentraler Hebel
für Investitionen in erneuerbare und effiziente Technologien dienen. Dass die aktuelle Förderkulisse keinen
geeigneten Rahmen bildet, kritisieren nicht nur die Stadtwerke Leipzig.“

Rogall hatte insbesondere die alte Förderung für Solaranlagen kritisiert.

Netz- und Speicherausbau müssen endlich nachziehen

„Darüber hinaus ist die Bundesregierung schon aus europarechtlichen Gründen gezwungen, die Förderung
von Solaranlagen im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu überarbeiten, da das 2024 verabschiedete EU-Strommarktpaket verlangt, dass es bei einer Kilowattstunden-Förderung neben einem
Mindestpreis auch eine Erlösobergrenze geben muss.

Aus Sicht der Leipziger Stadtwerke war der in den letzten Jahren erfolgte PV-Ausbau wichtig. Aktuell ist jedoch eine Situation erreicht, in der Netzmaßnahmen, Speicherausbau und die Umsetzung weiterer Energieerzeugungsoptionen nachziehen müssen. Im aktuellen Jahr sind bisher fast 30 % der erzeugten PV-Strommengen in Zeiten negativer Strompreise (Quelle: Eigene Analysen basieren auf Erzeugungszahlen der ÜNB und der EPEX) angefallen, Tendenz steigend.“

Logisch, dass es da ein Problem gibt: Woraus soll die Förderung der Solaranlagen bezahlt werden, wenn der Strom ausgerechnet in Zeiten negativer Strompreise anfällt und die Speicherkapazitäten für diesen Strom noch fehlen?

„Hinzu kommt, dass die Förderkosten für Photovoltaik-Anlagen derzeit einen Großteil der EEG-Kosten
aus machen. Insgesamt will der Bund laut Haushaltsentwurf für dieses und nächstes Jahr jeweils
17,2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Gelder, welche – nicht nur aus Sicht der Leipziger Stadtwerke – an anderer Stelle eingesetzt, die Treibhausgasreduzierung durch andere Transformationsvorhaben wirksamer voranbringen könnten. Die Umlenkung von Fördermitteln macht daher Sinn, wenn die Marktfähigkeit, wie bei EE-Anlagen, bereits erreicht ist“, heißt es in der Stellungnahme der Stadtwerke.

Stromnetzausbau liegt sieben Jahre hinterm Plan

Und ebenso konstatieren die Stadtwerke, dass noch ein weiterer Baustein der Energiewende hinterher kleckert. Woran die Stadtwerke auch wieder nichts ändern können: „Der Stromnetzausbau in Deutschland
bleibt deutlich hinter den politischen Zielvorgaben zurück. Laut einem Sonderbericht des Bundesrechnungshofes liegt der Ausbau des Übertragungsnetzes um rund 6.000 Kilometer und sieben Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan, wodurch die Versorgungssicherheit gefährdet ist. (…)

Auch die Netzbetreiber selbst bestätigen diese Diskrepanz. E.on-Vorstandschef Leonhard Birnbaum warnte, dass der Netzausbau nicht mit dem Tempo des Ausbaus erneuerbarer Energien Schritt hält und forderte eine stärkere Synchronisierung von Erzeugung und Infrastruktur (Welt 2025).“

In Leipzig hätten die Leipziger Stadtwerke hingegen bereits begonnen, das Stromnetz in Leipzig für die Umsetzung der Energie- und Wärmewende zu ertüchtigen. „Dazu befinden sich die ersten drei notwendigen Umspannwerke in Stötteritz, Lindenthal und Mockau in der Konzeptionsphase. Aktuell zeigt sich, dass der Bau des dringend benötigten Umspannwerkes in Stötteritz seitens der Anwohner auf punktuell starken Widerstand trifft.

Diese Maßnahmen sind zwingend notwendig, damit bis 2040 die Ziele der Stadt Leipzig erreicht werden können. Als Leipziger Stadtwerke arbeiten wir auch hier an der Realisierung der städtischen Ziele mit entsprechender Unterstützung durch Verwaltung und Stadtrat.

Ergänzend zur Transformation der Fernwärme sind umfangreiche Erweiterungsmaßnahmen in Stromnetze sowie den Bau von weiteren Umspannwerken und Erweiterung von etwa 500 Ortsnetztrafostationen vorgesehen, um die Wärmeversorgung über Wärmepumpen zu ermöglichen.“

Fernwärme gegen Wärmepumpen?

Ein Problem im Interview war ja, wie künftig der Fernwärmeausbau in den Städten gefördert wird. Denn: „Im Gebäudeenergiegesetz liegt der Schwerpunkt bislang stark auf elektrischen Wärmepumpen, während
andere Technologien, die ebenfalls eine klimaneutrale Wärmeversorgung ermöglichen, bislang nur eingeschränkt berücksichtigt werden. (…) Für eine echte Technologieoffenheit sollten im GEG weitere Optionen explizit benannt werden, die sich bereits im kommerziellen Betrieb bewährt haben.

Dazu gehören industrielle Abwärme, Geothermie, die Nutzung von Fluss-, See- und Abwasserwärme sowie Power-to-Heat-Anlagen. Der Deutsche Städtetag hat 2023 betont, dass das Gesetz zu einseitig auf Wärmepumpen ausgerichtet sei und gerade in dicht bebauten Gebieten wie Leipzig auch Wärmenetze, Abwärme und Geothermie gleichberechtigt berücksichtigt werden müssten. (…)

Eine Neufassung des GEG sollte diese Technologien daher explizit mit einbeziehen. Nur so kann die notwendige Flexibilität geschaffen werden, um regionale Potenziale zu nutzen, Investitionssicherheit zu gewährleisten und die Transformation der Wärmeversorgung wirtschaftlich tragfähig und zugleich sozial verträglich umzusetzen.“

Es geht um einen echten Zielkonflikt, der für Stadtwerke richtig teuer werden kann, wenn der Fernwärmeausbau nicht gefördert wird, Wärmepumpen in Ausbaugebieten aber schon. Und das betonen auch die Stadtwerke in ihrer Stellungnahme: „Während das Fernwärmesystem auf eine hohe Anschlussdichte angewiesen ist, um wirtschaftlich und ökologisch tragfähig betrieben werden zu können, führt eine parallele Förderung von Einzelwärmepumpen in denselben Quartieren dazu, dass die Netzeffekte geschwächt werden.

Damit steigen nicht nur die Kosten für die verbleibenden Fernwärmekunden, sondern es entsteht zugleich ein erheblicher zusätzlicher Investitionsbedarf im Stromsystem. (…) Auch wenn die individuelle Entscheidung jedes Gebäudeeigentümers erhalten bleiben soll, ist es volkswirtschaftlich jedoch höchst fragwürdig, Fördermittel aufzubringen, die zu zusätzlichen Systemkosten aufgrund erforderlichen Doppelausbaus führen.“

Der Gesetzgeber muss nachsteuern

Das ist ein Thema direkt für Leipzig, wo ja der Fernwärmeausbau im Stadtinneren vorangetrieben werden soll, was sich erst rechnet, wenn möglichst alle Gebäudeeigentümer ihre Gebäude anschließen lassen. Während in den peripheren Ortschaften der Einbau von Wärmepumpen sinnvoller ist – dafür aber auch das Stromnetz deutlich ausgebaut werden muss.

„Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Kombination aus einem ambitionierten Fernwärmeausbau in verdichteten Quartieren und einer Förderung von Wärmepumpen in peripheren, nicht erschließbaren Gebieten am effizientesten“, stellen denn auch die Stadtwerke fest. „Die Brennstoffkosten werden reduziert, die CO₂-Minderungen erzielt, und die Netzinvestitionen bleiben beherrschbar.

In Summe gilt daher, dass die Wärmewende nicht durch eine Konkurrenz beider Systeme, sondern durch eine klare räumliche Aufgabenteilung erreicht werden sollte. Genau dies fordern die Leipziger Stadtwerke. Eine eindeutige Abgrenzung der Förderkulissen für Wärmepumpen und Fernwärme ist notwendig, um die Klimaziele sozial verträglich und kosteneffizient zu erreichen. Dieses volkswirtschaftliche Optimum ist der Leitgedanke bei der Erarbeitung der kommunalen Wärmeplanung in Leipzig.“

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Es gibt 4 Kommentare

Auszug aus Leserbrief: Innovative Lösungen für Leipzigs Energiezukunft – C2C-Agri-PV als sinnvolle Ergänzung
Sehr geehrte Redaktion,
mit großem Interesse habe ich das Interview mit Herrn Karsten Rogall und die anschließende Stellungnahme der Leipziger Stadtwerke zur Wärmewende verfolgt. Die aufgezeigten Herausforderungen – von der Förderkulisse bis hin zur optimalen Flächennutzung – sprechen wichtige Punkte an, die Leipzig auf dem Weg zur Klimaneutralität 2040 bewältigen muss.

Die Arbeitspreise der Fernwärme orientieren sich am tatsächlichen Brennstoffeinsatz (Gas, Abfall, Kohle in Restbeständen) und an gesetzlichen Regelungen:
* Energiepreissteigerungen (v. a. Gaspreis) schlagen direkt auf die Fernwärme durch.
* CO₂-Preise für fossile Brennstoffe (z. B. CO₂-Abgabe seit 2021) erhöhen die Kosten zusätzlich.

Wenn die Hauseigentümer angeblich danach lechzen, haben sie offenbar noch kein Angebot in der Hand gehalten , oder planen, sämtliche Kosten an die Mieter weiterzugeben.

Ich kenne so ein Angebot für unser Mehrfamilienhaus: teurer und man hat einen 10-Jahres-Vertrag an der Backe. Ohne zu wissen, wie sich der Preis entwickelt.

Schwierig finde ich, wenn sämtliche Immobilienbesitzer, seien es nun private Vermieter oder auch Genossenschaften, per KWP gezwungen werden, sich auf das Wärmenetz aufschalten zu lassen, um dort monopolisierte und überteuerte Fernwärmepreise zahlen zu müssen.
Wenn diese Kosten attraktiv wären, würden sich die Hausbesitzer darum reißen.
Die aktuelle Situation sieht dagegen ganz anders aus!

Entscheiden sich die Eigentümer dann noch für ein Leasingmodell der erforderlichen Fernwärmeübergabestation, können diese Miet- oder Leasingkosten zusätzlich komplett auf die Mieter umgelegt werden.

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